Sie nickte: „Das kann man wohl sagen. Paul hätte das sicher nicht gewollt.“
„Paul? Sie nannten Ihren Chef Paul?“
„Ja, aber nur, wenn wir alleine waren.“
„Soll das heißen, dass Paul und Sie ..?“
Sie nickte: „Ja, aber sagen Sie es bitte nicht weiter. Ich wäre meinen Job hier sofort los.“
„Keine Angst, das bleibt unser Geheimnis.“
„Danke.“
„Könnten Sie mir noch etwas verraten?“
„Was denn? Ich weiß doch kaum etwas.“
„Das wissen Sie sicher. Wie lange sind Sie schon hier?“
Sie überlegte kurz: „Also als Sekretärin, etwa zwei Jahre. Ja, das war, als Paul und Frau Schneider, ich meine Sandra, geheiratet haben. Da wurde ich hier eingestellt.“
„Frau Schneider hatte also Ihren Job, bis sie …“
„Ja, sie war sozusagen meine Vorgängerin.“
„So, wie ich das sehe, auch in anderer Beziehung?“
„Ja, aber wir haben nie darüber geredet, dass er mich …“
„Heiraten würde?“
„Ja, ich hätte dem auch nicht zugestimmt. Ich wollte nicht so sein wie Sandra.“
„Aber Sie wären doch versorgt gewesen, genauso wie Frau Schneider jetzt?“
„Ja schon, aber ich bin auch jetzt gut versorgt.“
„Soll das heißen, dass Paul sie in seinem Testament bedacht hat?“
„Ja, er hat es zumindest so gesagt.“
„Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen jetzt zu nahe trete. Aber ich hatte den Eindruck, dass Sie und Marinus ..?“
„Sie meinen, weil ich vorhin von ihm mit seinem Vornamen gesprochen hatte?“
„Ja, das ist doch ungewöhnlich.“
„Hier nicht. Marinus ist genauso angestellt wie ich und wir reden uns untereinander immer mit Du an. Das hat Paul so gewollt.“
„Dann waren Sie auch mit Frau Schneider per Du?“
„Ja, aber das hat sich schnell geändert, als sie geheiratet haben.“
„Da wollte auch sie nicht mehr mit Du angeredet werden?“
„Ja, sie hat es sich strengstens verbeten.“
„Dann sind Sie doch länger in der Firma? Sie waren schon da, als Frau Schneider noch diese Position hatte?“
„Ja, aber ich war in der Fertigung. Nur durch meine Ausbildung als Hotelfachfrau habe ich diesen Job hier bekommen.“
„Sind Sie sich eigentlich sicher, dass Frau Schneider nichts davon mitbekommen hat, dass Sie und Paul .., ich meine, dass Sie ein Verhältnis hatten?“
„Das weiß ich nicht. Selbst wenn, was hätte Sie tun können? Paul und sie hatten einen Ehevertrag, in dem stand, dass sie im Falle einer Trennung keinerlei Abfindung oder Zahlungen bekommen würde.“
„Das heißt, sie wäre mit nichts dagestanden?“
„Ja, so könnte man sagen.“
„Könnten Sie sich vorstellen, dass Frau Schneider ihren Mann …“
„Umgebracht hat? Ja, durchaus!“
„Wie kommen Sie darauf?“
„Passen Sie auf, das bleibt aber unter uns, versprochen?“
„Versprochen! Großes Indianerehrenwort!“
„Sandra, ich meine Frau Schneider hat in Kelheim eine Eigentumswohnung.“ Verblüfft fragte Gerhard: „Woher wissen Sie das?“
„Ich bin doch hier Mädchen für alles. Ich mache die Buchführung und war die Sekretärin von Paul. Auch bin ich die Sekretärin von Marinus und da habe ich mal einen Brief geöffnet, der an Frau Schneider gerichtet war und zufällig hier gelandet ist. Stellen Sie sich vor, es war eine Rechnung, eine Rechnung über eine Reparatur in einer Wohnung in Kelheim!“
„Wie kommen Sie darauf, dass es eine Eigentumswohnung ist und nicht gemietet?“
„Ein Mieter bekommt doch keine Rechnung über eine Elektroinstallation in seiner Wohnung! Die bekommt doch immer der Besitzer.“
„Da haben Sie auch wieder recht. Was denken Sie, was das bedeutet?“
„Nun, ich denke, dass auch Frau Schneider ihre Gründe hat, warum sie sich eine Eigentumswohnung kauft. Wahrscheinlich steckt ein Mann dahinter.“
„Sie glauben, dass auch Sie sich einen Liebhaber genommen hat?“
„Warum nicht? Wenn sie etwas gemerkt hat, von Paul und mir, dann hätte sie doch allen Grund, sich selbst schadlos zu halten.“
„Kennen Sie eigentlich Edwin Schneider?“
„Edwin? Ja natürlich! Der war ein paar Mal hier und jedes Mal hat es Streit gegeben um Geld!“
„Sie haben das mitbekommen?“
„Natürlich! Sie haben es doch selbst erlebt, was man hört, wenn im Büro gestritten wird.“
„Hat Paul mit Ihnen über Edwin gesprochen?“
„Ja, ich habe ihn einmal auf ihn angesprochen und ich kann Ihnen sagen, er war nicht gerade von Edwin überzeugt.“
„Was heißt das?“
„Eigentlich hätte Edwin die Firma erben und bis dahin hier mitarbeiten sollen. Aber dann ..“
„Dann ..?“
„Dann kam Marinus. Der war, nein, er ist genau das Gegenteil von Edwin. Ruhig, besonnen und vor allem hat er eine gute Ausbildung. Er ist Betriebswirt und weiß genau, worauf es ankommt.“
„Und Edwin? Was hat der gelernt?“
„Bürokaufmann! Zu mehr hat es bei ihm nicht gereicht. Paul war sehr enttäuscht von ihm und er hat es ihm auch gezeigt. Irgendwann kam dann der Bruch und Edwin hat alles getan, um die Firma in Misskredit zu bringen.“
„Was hat er gemacht?“
„Nun, er hat alles dafür getan, um schlechte Presse zu bekommen und bei jeder Gelegenheit dazu beigetragen, dass man weiß, wer er ist. Dadurch sind Paul auch ein paar Aufträge verloren gegangen.“
„Was ist eigentlich mit der früheren Frau Pauls? Was ist aus ihr geworden?“
„Paul hat ihr eine großzügige Abfindung gegeben und sie bekam auch jeden Monat einen dicken Scheck. So weit ich weiß, hat sie sich in Australien eine neue Existenz aufgebaut oder zumindest versucht, sich eine aufzubauen.“
„Was heißt versucht?“
„Paul meinte, wenn er das Geschäft gemacht hätte, wäre es sicher nicht so weit gekommen, dass die Firma pleitegegangen wäre.“
„Was war das für ein Geschäft?“ Sie zuckte mit den Schultern: „Ich weiß es nicht so genau, aber ich glaube, dass sie sich auch im Elektronikbereich versucht hat. Ein wenig verstand sie ja davon.“
„Anscheinend zu wenig?“
„Ja anscheinend. Paul hat auch gemeint, es könnte durchaus sein, dass Edwin seine Finger im Spiel hatte. Schließlich ist sie ja seine Mutter.“ Gerhard klang es in den Ohren, was Sabrina gesagt hatte: „Ferdi hat mir dann auch noch geschrieben, dass dieser Marinus noch einen Bruder hat, der aber gaaanz weit weg wohnt.“ Er sah Frau Zimmermann an: „Waren Sie eigentlich gestern mit Paul zusammen?“
„Ja, er war bei mir.“
„In Ihrer Wohnung?“
„Ja, die hat auch Paul bezahlt.“
„Bar?“
„Ja, er hat mir jeden Ersten des Monats das Geld für die Miete gegeben.“
„Wie lange war Paul bei Ihnen?“
„Nicht sehr lange. So gegen zweiundzwanzig Uhr hat sein Handy geklingelt und er ist rangegangen. Er hat mit dem anderen Teilnehmer nur ein paar Worte gewechselt und ist dann weg.“
„Hat er etwas davon gesagt, wohin er geht?“
„Nein, nicht direkt. Er meinte nur, dass es wichtig sei und er in einer Stunde zurückkäme.“
„Dann hat ihn wohl sein Mörder angerufen“ , sinnierte Gerhard. „Sagen Sie mal, Frau Zimmermann, wie heißen Sie mit Vornamen?“
„Wozu wollen Sie das wissen?“
„Es interessiert mich einfach.“
„Ja? Einfach so?“
„Ja, einfach so.“
„Na gut, ich heiße Evelyn mit Vornamen. Evelyn Zimmermann.“
„Danke, das freut mich. Ich heiße Gerhard, Gerhard Feiler.“ Er gab ihr die Hand und zwinkerte ihr zu: „Beinahe könnten wir uns jetzt duzen, was meinen Sie?“
„Das geht aber schnell bei Ihnen?“
„Bei dir.“
„Noch sind wir nicht so weit.“
„Wie wäre es, wenn wir mal zusammen Kaffee trinken würden?“ Sie zwinkerte ihm zu: „Bei dir oder bei mir? So sind doch die Klischees oder?“ Gerhard hatte plötzlich ein wohliges Gefühl im Bauch und zwinkerte zurück: „Bei dir, wenn es nicht zu viel verlangt ist?“ Sie lachte hellauf: „Sie sind wohl ein arger Charmeur?“
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