Sie drückte ihn: „Das ist aber schön.“ Er drückte sie nach hinten ins Kissen und deckte sie zu: „So, jetzt wird aber geschlafen.“
Sie schlug die Decke wieder auf: „Komm Opa, komm ins Bett. Da draußen friert es dich doch und dann schläfst du vielleicht nicht gut.“
„Das mache ich doch glatt, aber erst muss ich noch ins Bad, meine Zähne putzen und meinen Schlafanzug anziehen.“
„Muss das sein?“
„Was?“
„Zähne putzen ist doch lästig.“
„Aber es muss sein.“ Gerhard stand auf und ging zur Türe. Es dauerte nicht lange, da kam Gerhard zurück in Sabrinas Zimmer, die schon wieder eingeschlafen war.
„Auch gut,“ , dachte er, „dann setze ich mich eben in den Stuhl.“ Er nahm den kleinen Bürostuhl, der vor dem ebenso kleinen Schreibtisch stand, und setzte sich hinein. Dieser krachte natürlich unter seinem Gewicht zusammen und es gab einen Heidenlärm, von dem auch Sabrina wach wurde. Da sie nicht gleich wusste, was los war, schrie sie wie am Spieß. Schnell sprang Gerhard auf, lief zu ihr und versuchte, sie zu beruhigen: „Sabrina, ich bins. Nicht schreien, beruhige dich.“ Er nahm sie in die Arme und hielt sie fest, als sie damit begann, um sich zu schlagen: „Gehen Sie weg! Weg da! Ich hole meinen Opa!“
„Ruhig Sabrina, ich bin ja da. Niemand tut dir was.“
Sie hörte auf, um sich zu schlagen und sah ihn an: „Opa? Was ist los?“
„Nichts. Ich habe mich nur in deinen Stuhl gesetzt und der hat das nicht ausgehalten. Der ist jetzt hin.“
Sie schaute zu dem kaputten Stuhl und prustete erleichtert los: „Der Stuhl? Ich dachte, da ist wieder dieser Mann, der vorhin da war. Marinus, ich dachte, Marinus wäre zurückgekommen.“
„Nein, das siehst du ja.“
„Komm unter meine Decke Opa, das Bett hält dich schon aus.“ Gerhard kletterte in das Bett und Sabrina deckte sie beide zu. Dann kuschelte sie sich in seinen Arm. Bald darauf hörte Gerhard ihre leisen ruhigen Atemzüge: „Hoffentlich schläft sie durch. Das hat sie heute sehr mitgenommen. Zuerst der Tote im Park, dann hat sie auch noch alles mit angehört, was Karl und ich besprochen haben. Kein Wunder, sie ist ja noch ein Kind. Das war zuviel für sie heute.“ Bald war auch er eingeschlafen und träumte: Er sah sich und Evelyn Hand in Hand spazieren gehen. Sie liefen durch Abensberg, wie ein verliebtes junges Pärchen. Danach gingen sie zum Kneitinger und aßen einen riesengroßen Eisbecher, wie Sabrina ihn gerne mochte. Danach ging er mit ihr zum Judotraining, weil er ihr zeigen wollte, wie das funktioniert. Als er mit ihr auf der Matte war, legte sie ihn ruckzuck aufs Kreuz. Sein Rücken tat ihm weh und auch sein Kopf. Als er sich über diesen strich, hörte er ein lautes, helles Lachen, ein Kinderlachen. Evelyn? Wie lachst du? Warum lachst du? Als er seine Augen öffnete, sah er Sabrina, die auf ihrem Bett stand und sich den Bauch hielt vor Lachen: „Opa! Du bist aus dem Bett gefallen! Das sieht lustig aus! Steh auf Opa, du hast sicher schlecht geträumt. Hast du mit Evelyn gekämpft?“ Gerhard hatte Mühe, sich aufzurichten, denn sein Kopf schmerzte gewaltig. Auch von seinem Rücken strahlten Schmerzen durch den ganzen Körper. „Evelyn? Wie kommst du auf Evelyn? Was ist mit ihr?“
„Du hast die ganze Zeit mit ihr geredet! Also Opa, das hätte ich von dir nicht gedacht! Du bist wirklich …! Also weißt du?“
„Was? Was habe ich geredet? Was habe ich gesagt?“
„Du hast Evelyn von mir erzählt, du hast ihr Komplimente gemacht und du hast ..“, sie kicherte: „Also Opa, wirklich …“
Gerhard wurde ungeduldig: „Na los, erzähl schon die ganze Geschichte! Trau dich ruhig! Ich will es wissen!“
Sabrina wurde ernst: „Also Opa, das darf man gar nicht erzählen. Weißt du, das lernen wir gerade in Bio.“
„Was? Was lernt ihr in Bio?“
„Wir lernen gerade, wie das geht, mit Mann und Frau, weißt du und …“
„Gut, gut, hör auf, ich will es doch nicht wissen!“
„Aber du hast doch …“
„Nein, ich will es nicht wissen.“
Sie hielt sich die Hand vor den Mund und kicherte: „Aber Opa, das war doch nur Spaß! Von so etwas hast du nicht erzählt.“
„Wirklich nicht?“
„Nein, wenn ich es dir sage.“
„Was dann? Was habe ich gesagt, als ich aus dem Bett gefallen bin?“
„Aua!“
„Aua? Sonst nichts?“
„Nein, sonst nichts.“ Gerhard stand auf, stellte sich neben Sabrinas Bett und kam sich ziemlich lächerlich vor. Er stand da, mit schmerzendem Kopf, der Rücken tat weh und Sabrina saß im Bett und lachte ihn aus. „Das ist nicht lustig, gar nicht lustig, Sabrina. Ich habe Kopfweh, der Rücken tut weh und du lachst.“ Sie sprang aus dem Bett, nahm ihn in die Arme und versuchte ihn zu trösten: „Armer Opa, du kannst einem leidtun. Da musst du dir die Nacht mit deiner Enkelin um die Ohren hauen und von deiner Freundin darfst du nur träumen. Du tust mir wirklich leid.“
„Willst du mich auf den Arm nehmen?“
„Nein Opa,“, lachte sie „das würde ich mich nie trauen!“
„So jetzt frühstücken wir erst einmal!“
„Gute Idee Opa! Ich zieh mich nur schnell an.“
„Wozu?“
„Erst einmal will ich Semmeln holen, oder magst du lieber Croissants? Außerdem, das hat mir Mama beigebracht, setzt sich eine junge Dame nicht im Nachthemd an den Frühstückstisch.“
„Sehr lobenswert, was dir deine Mama beibringt. Mir bringst du bitte Semmeln mit und für dich nimmst du Croissants. Ich mach einstweilen Kaffee und Kakao.“
„Aber du ziehst dich auch an oder?“
„Natürlich, ich weiß doch, was sich gehört.“
„Davon habe ich in den letzten Tagen aber nichts bemerkt“, lachte sie.
„Naja, ab und zu gibt es da schon mal eine Ausnahme, die hast du ja auch gemacht, wenn ich mich erinnere. Du warst die letzten Tage auch mit Nachthemd am Tisch.“
„Da musst du dich aber täuschen, Opa. Vielleicht hast du von deiner Evelyn geträumt?“ Gerhard verließ das Zimmer und ging hinunter. Zunächst begab er sich aber ins Bad, duschte ausgiebig und hörte, als er aus der Dusche stieg, Sabrinas Stimme: „Ich bin dann mal weg Opa!“ Gerhard rasierte sich noch, putzte sich die Zähne und ging dann ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Als er damit fertig war, kochte er Kaffee und stellte Milch auf den Herd, um für Sabrina den versprochenen Kakao zuzubereiten. Danach deckte er noch den Tisch, und noch ehe er damit fertig war, kam Sabrina zur Haustüre herein: „Ich bin wieder daaa!“
„Das ging aber schnell!“
„Ich hab mir dein Fahrrad ausgeborgt! Du solltest dir aber mal ein neues Fahrrad kaufen!“
„Warum denn das? Das Alte geht doch noch ganz gut!“
„Ja aber modern ist es nicht mehr. Das ist sicher schon hundert Jahre alt!“
„Vierzig, um genau zu sein.“
„So scheppert und klappert es auch. Schlimmer als du heute Nacht.“
„Was soll denn das schon wieder heißen? Ich scheppere und krache?“
„Naja, deine Gelenke Opa, die krachen schon etwas.“
„Mir fehlt das Training, das ist alles.“
„Dann solltest du aber schnellstens mal wieder hingehen. Du bist doch sonst nicht so nachlässig, was das betrifft.“ Gerhard wusste genau, dass es höchste Zeit war, mal wieder zum Judo-Traing zu gehen. Er merkte es selbst, wie seine Gelenke steifer wurden. Aber das würde er bald ändern. Vielleicht noch heute? Mit Evelyn? „Evelyn? Mit ihr muss ich unbedingt heute noch reden. Sie muss mir sagen, ob da was ist, zwischen Sandra und Marinus. Sie wird das wohl wissen.“ Sie frühstückten in Ruhe, denn Sabrina ließ sich viel Zeit. Sie genoss ihre Croissants und schlürfte den Kakao langsam. Gerhard dagegen hatte es eilig, ihm brannte die Zeit unter den Nägeln. Noch bevor Sabrina fertig war, hatte er seinen Kaffee getrunken und seine Semmeln, die er mit Butter und Honig bestrichen hatte, verzehrt. Er stand auf und Sabrina sah ihn erstaunt an.
Читать дальше