„Erinnert Euch bitte an meine Vorgaben. Plattenteile, Dolchscheiden und Polsterung.“, wiederholte ich meine Bitte vom Vortag.
Meisterin Ulel nickte: „Es wird so geschehen, wie ihr es wünscht. Wir sollten uns nun über die Anzahlung unterhalten.“
Das war der Moment, vor dem ich mich gefürchtet hatte. Zu Recht, wie ich sogleich erfuhr. Als sie den Preis nannte, musste ich mich arg zurückhalten, um Jiang nicht auf der Stelle zu erwürgen. Ich knallte einen Beutel mit Edelsteinen auf den Tisch und ging nach draußen. Gegen ihre Preise war Meister Rahpenos noch bescheiden gewesen.
Mit den Kosten für die Zimmer waren meine Reserven damit auf einen Schlag aufgebraucht.
Ich lief ein paar Straßen hinauf und hinunter und beschloss dann, zurück in die Herberge zu gehen.
Dieses Mal verirrte ich mich nicht, sondern kam ziemlich schnell dort an. Gerade noch rechtzeitig, um über eine Gruppe aufgeregter Adliger zu stolpern, die im Begriff waren, unsere neuen Nachbarn zu werden, wie ich aus dem Gespräch am Tor erfuhr.
Ich wartete ungeduldig bis sie endlich drinnen von Majora Enid empfangen und im Haupthaus verschwunden waren, ehe ich eintrat und auf direktem Weg die Trainingshalle der Wachleute ansteuerte.
Als ich eintrat, lieferten sich ein kleiner schlanker Mann und eine hoch gewachsene, leicht übergewichtige Frau ein Duell mit langen Stöcken. Ein grauhaariger Mann mit langem Bart in einer weiten Robe stand daneben und kommentierte die Schläge und Paraden. Er wies auf Fehler hin und lobte besonders gute Aktionen.
Keiner von ihnen bemerkte mich, so vertieft waren sie in ihren Kampf.
Sie waren gut, das musste ich ihnen lassen. Besser als ich erwartet hatte. Das gefiel mir, denn es versprach eine lohnenswerte Übungsrunde, sofern sie bereit waren, mit mir eine Runde zu wagen.
Oft hatten die Menschen, auf die ich traf zu großen Respekt, um ernsthaft mit mir zu üben. Meine Größe und Kraft bereiteten ihnen Schwierigkeiten, weil sie es nicht gewohnt waren, sich mit jemandem zu Duellieren, der über so viel mehr Reichweite verfügte.
Während ich darüber nachdachte, betrachtete ich die Halle. Sie hatte einen Boden aus weichem Holz und verfügte in einer Ecke über ein langes Regal mit unterschiedlichsten Übungswaffen, sowohl aus Holz als auch aus Metall. Daneben standen einige hölzerne Puppen, an denen man Schläge und Stöße trainieren konnte. Außerdem gab es einige Scheiben als Ziele für Schuss- und Wurfwaffen. Kurzum, es war alles vorhanden, um sich in Form zu halten.
Schließlich endete der Kampf mit einem Sieg der Frau, die ihrem Gegner mit einer geschickten Kombination aus Schlägen schließlich den Stab in die Magengrube stieß.
Beide schüttelten sich anschließend die Hände und verbeugten sich vor dem weißbärtigen Mann. Als sie sich zum gehen wandten, entdeckten sie mich und blieben überrascht stehen.
Ich ging ihnen ein paar Schritte entgegen: „Entschuldigt bitte, dass ich mich nicht zuvor bemerkbar gemacht habe, aber ich wollte euren Kampf nicht unterbrechen.“
„Dienern ist der Zutritt zur Trainingshalle nicht gestattet.“, bemerkte der Mann. Er wischte sich das Gesicht mit einem Handtuch ab und rieb sich die Stelle in seinem Magen.
„Das halte ich für durchaus sinnvoll, aber ich bin kein Diener, sondern ein Gast des Hauses. Drakkan Vael ist mein Name.“, antwortete ich freundlich: „Falls es möglich ist, würde ich gerne eine Weile hier üben. Ich fürchte in den nächsten Monaten werde ich das noch bitter nötig haben.“
„Ein teures Schwert macht Euch noch nicht zu einem Kämpfer.“, entgegnete jetzt auch die Siegerin.
„Das ist mir durchaus bewusst.“, erwiderte ich: „und wenn ich euch gestört haben sollte, bitte ich um Entschuldigung. Majora Enid hat mir jedoch nicht verboten, hierher zu kommen. Also hoffe ich, Ihr seid so freundlich und teilt die Halle mit mir.“
„Wir sind fertig für heute. Falls ihr wirklich ein Gast seid, könnt ihr selbstverständlich Eure Übungen hier machen.“, mischte sich jetzt auch der bärtige Mann in der Robe ein: „Aber ich stelle dafür eine Bedingung. Beweist mir, dass ihr es tatsächlich vermögt, die hübsche Waffe, die ihr da tragt auch zu führen.“
Er deutete mit einem krummen Finger auf mein Schwert. Ich zögerte, die Waffe zu ziehen, weil ich niemals mit einer scharfen Waffe einen Übungskampf absolvierte.
„Ich wusste es.“, bemerkte der kleinere Mann: „Er ist auch nur ein gelangweilter Adliger, der nicht weiß, was er mit der Zeit anfangen soll, die er dank seines Titel und seines Reichtums hat.“
Meine Mundwinkel zuckten amüsiert, als ich daran dachte, dass Jiang mein „Vermögen“ gerade freizügig für Kleidung ausgegeben hatte.
„Die Waffe, die ich trage, ist nicht für Übungen gedacht. Es wäre nicht richtig, sie hier zu benutzen. Wenn ihr erlaubt, werde ich mir eine aus dem Regal nehmen.“, entgegnete ich auf die Anschuldigung hin.
„Er scheint es tatsächlich ernst zu meinen“, bemerkte die Frau.
„Bitte.“, der alte Mann machte eine einladende Geste: „Ich bin Meister Linfarg, der Waffenmeister der Herberge. Seht Euch ruhig um und trefft dann Eure Wahl.“
Ich ging zum Regal mit den Waffen hinüber und begutachtete sie eine Weile, ehe ich mich für eine lange, schlanke Klinge ganz ähnlich meiner entschied. Sie war nicht so gut ausgewogen und auch etwas schwerer, aber nicht schlecht.
Damit in der Hand trat ich wieder zurück zu den dreien, die mich aufmerksam beobachteten. Statt sie zu beachten, löste ich erst den Schild vom Rücken und dann den Schwertgürtel und legte beides am Rand der Halle auf den Boden. Anschließend zog ich die verschiedenen kurzen Klingen und legte sie samt ihrer Scheiden dazu, bevor der Gürtel zum Schluss oben drauf wanderte.
„Dafür, dass er nur ein verwöhnter Adliger ist, hat er aber ein ziemliches Waffenarsenal dabei.“, kommentierte die Frau meine Tätigkeit.
„Was nun?“, wollte ich vom Waffenmeister wissen.
„Zeigt mir ein paar Grundschläge und Paraden, dann sehen wir weiter.“
Meister Linfarg war ein Veteran. Er gab nur kurze Kommandos, die ich zu seiner Zufriedenheit ausführte. Anfänglich kommentierte er kleine Fehler meiner Haltung, doch je länger ich seinen Anweisungen folgte, je flüssiger wurden meine Bewegungen, als sich mein Körper daran erinnerte, welche Position welchen Namen trug.
Ich hatte seit Jahren kein formales Training mehr absolviert, trotzdem gingen mir die verschiedenen Hiebe und Haltungen leicht von der Hand. Es fühlte sich gut an, wieder unter einem kompetenten Lehrer Übungen zu vollziehen.
Anfänglich hatten die beiden Wachleute mir noch misstrauisch zugesehen. Doch schon nach wenigen Augenblicken war klar, dass ich zumindest kein Anfänger war.
Eine Viertelkerzenlänge später stoppte Meister Linfarg mich: „Ihr seid auf jeden Fall sehr erfahren mit der Waffe. Und die kleineren Fehler die ihr macht haben nichts mit mangelndem Können, sondern nur mit der Tatsache zu tun, dass ihr schon lange den Übungen entwachsen seid.
Darf ich fragen, womit Ihr Euren Lebensunterhalt verdient? Ihr seid sicher weder Händler noch eine Person von Stand, oder ihr würdet hier schwer atmend stehen und wärt kaum noch in der Lage, die Waffe zu halten.“
Ich bedankte mich für seine Worte, musste aber trotz seiner Einschätzung ein paar Mal tief Luft holen, ehe ich antwortete: „Es tut gut, wieder einige Übungen zu machen. Und auch kleine Fehler können einen unachtsamen Kämpfer schnell das Leben kosten. Ich bin ein Kopfjäger, obwohl die meisten, die Ihr fragt wohl Söldner oder Abenteurer dazu sagen würden. Ich sehe mich selbst als einen Jäger.“
„Also ein Mann des Schwertes.“, kommentierte die Frau.
Читать дальше