„Das stimmt wohl. Irgendwas entgeht uns hier, dass uns wohl nur die Magana erklären kann. Vielleicht haben sie sie verfolgt, gerade weil sie in Morak gewesen ist.“
Wir besprachen verschiedene Gründe für das Interesse Moraks an ihr, kamen aber auch dieses Mal nicht wirklich weiter.
Inzwischen hatte Kmarr seine Pläne wieder in einem ledernen Schriftrollenbehälter verstaut und die Einzelteile verpackt: „Ich mache mich dann mal auf den Weg in die Stadt. Vermutlich hat Meister Dolban meine Teile bereits fertig.“
„Könntest Du meinen Morgenstern mitbringen? Ich nehme an, der ist ebenfalls fertig. Ich bin neugierig, wie er sich handhabt. Oh, und da fällt mir ein, Du solltest Jiang vielleicht nach dem Weg zu Meisterin Ulel fragen.“
„Das ist die Schneidermeisterin, die uns die neue Kleidung machen soll.“, fügte ich bei Kmarrs fragendem Blick hinzu: „Sonst macht Jiang aus Deinem Fell noch einen Bettvorleger.“
Kmarr knurrte und die langen Reißzähne seines riesigen Mauls traten dabei deutlich zu Tage: „Gut das Du mich daran erinnerst. Ich hatte es fast vergessen.“, bemerkte er ohne echte Begeisterung.
„Na, na, na. Das ist ja beinahe fast gelogen.“, antwortete ich grinsend.
Leoniden waren stolz darauf, immer die Wahrheit zu sagen, auch wenn Kmarr inzwischen gelernt hatte, dass man die Wahrheit ziemlich weit dehnen konnte.
Er knurrte bloß und erhob sich dann: „Dann werde ich lieber mal gleich zu Jiang gehen. Vielleicht habe ich ja Glück, und sie schläft noch.“
Damit verabschiedete er sich und ich ließ mich wieder am Fenster nieder und sah den Bediensteten der Herberge bei ihrer Arbeit zu. Anderen dabei zuzusehen, während man es sich selbst gemütlich gemacht hatte, gefiel mir gut.
Die meiste Zeit des Jahres verbrachte ich draußen, auf dem harten Boden, bei unwirtlichem Wetter und schlechter Wegzehrung, da war dieser Moment ein ungewohnter, aber willkommener Luxus.
Ich fürchtete, nur, dass mich der Komfort für die Zukunft verderben und mir eine Scheune als Unterkunft nun nicht mehr als der Gipfel der Bequemlichkeit erscheinen würde. Dafür war das Bett, in dem ich geschlafen hatte zu angenehm gewesen.
Noch während ich am Fenster saß, betrat Jiang das Zimmer. Sie hatte wieder ihr schwarzes Ledergewand angelegt, aber auf Waffen und Kettengeflecht verzichtet. Und auch der Hut war in ihrem Zimmer geblieben. Dafür hatte sie ein Kopftuch angelegt, das ihre fast völlig fehlenden Haare verdeckte. Vor ein paar Tagen erst hatte die Explosion eines nykianischen Globus uns beinahe alle getötet und nur Glück und Jiangs Wissen über das teuflische Artefakt hatten uns davor bewahrt.
Allerdings waren dabei ihre Haare dem Feuer zum Opfer gefallen. Anaya hatte zwar unsere Wunden geheilt, aber dagegen hatte sie wenig machen können. Doch Jiang war nicht eitel, was ihre Haare betraf und trug stattdessen einfach einen Hut oder ein Kopftuch, und auch das nicht immer.
„Guten Morgen“, begrüßte ich sie.
„Dir auch“, entgegnete sie: „Begleitest Du mich später zu den Tuchmachern? Ich möchte sehen, ob ich die Seide für weitere Kleider bekomme.“
„Ich dachte, ich soll mich aus allem Ärger raushalten und hierbleiben?“ fragte ich.
„Wenn ich dabei bin, sorge ich dafür, dass Du nicht wieder in Streit gerätst.“, entgegnete sie überzeugt.
Ich seufzte: „Gut, aber nicht ohne Frühstück. Leiste mir Gesellschaft und erklär' mir, wo ich das Dampfbad finde.“
„Oh, Du willst Baden?“, sagte sie spöttisch: „Das ist eine gute Idee. Sauberkeit hat noch niemandem geschadet.“
„Dann kannst Du mir ja sicher sagen, wo ich das Bad finde, und wann ich es nutzen kann.“, gab ich beleidigt zurück und streckte ihr die Zunge raus.
Niemand konnte es mit Jiangs Reinlichkeitsfimmel aufnehmen. Den Sinn von regelmäßigen Reinigungen hatte ich durchaus erkannt, wenn auch erst nach dem zweiten Mal Läuse. Seitdem hielt ich meine Haare sorgfältig kurz und wusch mich so gut es ging jeden zweiten oder dritten Tag.
„Du findest das Bad auf der anderen Seite des Innenhofs. Erst kommen die Stallungen, dann die Trainingshalle und die Schlafräume der Bediensteten und dann kommt das Bad und die Räume des Heilers über denen die Zimmer der Majora und des Wirts liegen.“
„Gut, und wie steht es mit der Nutzung des Bads?“, wollte ich wissen.
„Das war ein wenig heikler. Offenbar erfreut es sich großer Beliebtheit. Ich kann es heute Nachmittag, zwei Kerzenlängen nach Mittag bekommen. Begleite mich, dann kannst Du es ebenfalls benutzen.“, erklärte Jiang.
Darüber musste ich erstmal einen Augenblick nachdenken: „Einverstanden. Ich will so rechtzeitig aus der Stadt zurück sein, dass ich vorher noch ein paar Übungskämpfe mit den Wachen der Herberge machen kann, falls sie gewillt sind, einen Waffengang zu wagen. Du sagst, sie haben eine eigene Halle dafür? Klingt gut.“
„Du kannst Dein Schwert auch nicht einen Tag aus der Hand legen, oder?“, wollte sie missbilligend wissen.
„Und Du kannst auch nicht einen Tag lang nicht an Kleidung und ein Bad denken.“, antwortete ich, wobei ich ihren Tonfall nachahmte.
Ein Lachen unterbrach uns: „Damit seid ihr wohl quitt.“, sagte Anaya von der Tür aus.
„Wie meinst Du das?“, wollte Jiang wissen: „Ordentliche Kleidung und ein sauberer Körper sind für jeden gut. Der Umgang mit dem Schwert nutzt nur ihm.“, erwiderte sie und deutete dabei auf mich.
„Das sehen die Einwohner der Stadt sicher anders.“, entgegnete Anaya, während sie sich setzte und sich etwas von dem kleinen runden Käselaib absäbelte.
„Lass gut sein.“, fügte sie hinzu, als sie sah, dass Jiang noch etwas dazu sagen wollte.
„Ich bin später in der Stadt, ich will einmal mit den Druiden in der Botschaft von Galladorn sprechen. Außerdem will ich ihnen die Knochen übergeben. Dazu muss ich hoch bis in die Oberstadt. Das wird eine Weile dauern, also tut mir den Gefallen und benehmt euch.“
„Was willst Du denn von den Druiden?“, fragte ich sie. Normalerweise war sie nicht sonderlich erpicht darauf, sich mit ihren Landsleuten zu treffen.
„Ich hoffe, mit ihnen das Thema der Kargat zu besprechen und außerdem glaube ich, dass sie möglicherweise mehr darüber wissen, was um uns herum vorgeht, als die Kalteaner.“
„Sehr vernünftig. Frag sie auch gleich, ob es einen Weg aus Kalteon rausgibt, den wir nehmen könnten, sollte es notwendig werden.“, bat Jiang.
„Und frag mal, ob Kalteon das einzige Land ist, das mit Morak im Krieg liegt.“, ergänzte ich.
„Das will ich gerne tun. Und ich werde ihnen außerdem den Bogen zeigen.“
„Von mir aus. So lange Du ihn wieder mitbringst.“
Damit war das Thema erledigt und wir unterhielten uns über die Stadt und die Knochenjäger, bis Anaya sich schließlich auf den Weg machte.
Jiang und ich begaben uns nach einem kurzen Zwischenhalt in unseren Zimmern auf den Weg zu den Tuchmachern, die sie im Auge hatte. Sehr zu ihrem Missfallen hatte ich mein Schwert angelegt und auch den Schild auf den Rücken geworfen.
Doch mein Hinweis auf die untoten Bogenschützen überzeugte sie schließlich davon, dass die Sachen nicht fehl am Platze waren, besonders, als ich vorschlug, als ihr Leibwächter aufzutreten. Auch wenn der letzte Versuch das zu tun gründlich daneben gegangen war, erwartete ich dieses Mal keine Probleme.
Zwei Tage zuvor allerdings hatte sie sich daraufhin von einem widerlich fetten Zöllner aus Kalteon ins Bett zerren lassen. Für mich ein Grund, aus dem ich ihn beinahe getötet hatte. Er hatte zwar geschworen, dass ich dafür bezahlen würde, aber solche Drohungen hatten mich noch nie beeindruckt. Und die von dem feisten Schwein Oribas war weder die Originellste, noch eine, die ich ernsthaft für gefährlich hielt.
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