Allerdings wusste er auch von ihrem Prinzip, dass man etwas am besten ganz offen versteckte, da fand es keiner. Je einfacher, desto schwieriger wurde es für normale Menschen den Gedankengang nachzuvollziehen. Wenn man also ein Foto verstecken wollte, dann sollte man es nicht hinter einem komplizierten Verschlüsselungsprogramm verbergen, damit jeder wusste, dass da ein Geheimnis war, sondern vielleicht ganz einfach nur die Datei umbenennen. Patrick schmunzelte, das würde er jetzt mal versuchen. Mit ein paar Klicks änderte er die Dateiendung auf eine jpeg ab und wartete gespannt, ob sich nach dem Doppelklick etwas tat.
Sein „na also“ das er von sich geben wollte, blieb ihm in der Kehle stecken, als er das Bild sah, das auf seinem Monitor erschien. Denn es stellte ihn selbst dar. Es konnte nur einen Zeitpunkt geben, an dem sie dieses Foto gemacht hatte und der war ganz genau zu definieren. In seiner Wohnung bei ihrer Geheimmission, als sie sich jede Nacht in der Firma von Fritz durch die Unterlagen der Mine gewühlt hatten, um dem damaligen Geschäftsführer Brian auf die Schliche zu kommen. Es war die vorletzte der drei Nächte gewesen und er war eingeschlafen, da er mittlerweile so übermüdet war, dass er sich nicht mehr wachhalten konnte. Schließlich hatte er unter Tags in der Firma gearbeitet, dann in der Nacht spioniert und die restlichen Stunden mit Hetty ein äußerst exzessives Zusammensein verbracht.
Das Foto zeigte ihn, als er nackt auf dem Bett lag und schlief. Kein Wunder, dass sie dieses Bild versteckt hatte, denn es ließ wirklich keine Fragen offen. Ein Stöhnen entrang sich seiner Brust und er schlug die Hände vor sein Gesicht. Es konnte nur einen Grund geben, warum sie dieses Foto von ihm gemacht hatte: Sie wollte eine Erinnerung an ihn haben. Schon damals war er ihr also so wichtig gewesen, dass sie ein Andenken von ihm haben wollte. Sie, die Frau, die keinen Wert auf eine feste Beziehung legte und die Männer, mit denen sie ins Bett ging, genauso schnell vergaß, wie Kai damals seine Frauen, wollte sich an ihr Zusammensein erinnern.
Und erneut erkannte er, welchen Fehler er gemacht hatte, ihrer Aussage vor seinem Hochzeitsabend, dass sie ihn nicht liebte, zu glauben. Er hätte diese Lüge durchschauen sollen, denn wie sehr sie ihn damals angelogen hatte, zeigte dieses Bild. Und vor allem die Tatsache, dass es immer noch existierte. Das war auch der Grund, warum sie es so gut versteckt hatte. Wobei er keine Ahnung hatte, was sie mehr fürchtete: Dass er, oder dass Kai, es finden und sehen könnte.
Fritz hatte seinen ersten Stent gesetzt bekommen und war inzwischen wieder zuhause. Nach wie vor aschgrau im Gesicht und nur ein Schatten seiner selbst. Die Ärzte hatten ihn darauf hingewiesen, dass noch eine zweite Operation folgen würde, aber jetzt sollte er sich erst einmal etwas erholen.
Dolly bemutterte ihn wie eine Glucke und normalerweise hätte er mit einem Lächeln gesagt. »Lass das doch, mein Schatz, das braucht es nicht.«
Aber bisher hatte er von Kai, außer der Aussage dass er am Ball sei und momentan die Drucklegung des Ganzen auf Eis liege, noch nichts Positives gehört und so wachte er jeden Morgen mit einem Angstgefühl in der Brust auf. Da tat Dollys Fürsorge mehr als gut und zumindest lenkte ihn ihre dauernde Anwesenheit etwas von seinen depressiven Gedanken ab. Ob Kai es überhaupt schaffen würde, den Supergau noch einmal abzuwenden?
Inzwischen war Fritz erst richtig bewusst geworden, welche Bürde er ihm damit aufgeladen hatte und verstört bemerkte er, dass sein Ziehsohn sich eindeutig verändert hatte. Nicht in seinem Verhalten ihm gegenüber, aber irgendwie wirkte er, als ob ihm die auferlegte Last zu viel werden würde. Wobei er sich das auch nur schuldbewusst einbilden konnte, denn viel bekam er ihn momentan nicht zu sehen und immer öfter blieb er auch über Nacht der Farm fern.
Nach dem ersten Gespräch mit Gwendolin, war es für Kai nicht schwierig gewesen, den Kontakt zu erweitern. Das nächste Mal kam er alleine in die Kneipe, setzte sich an die Theke und starrte entmutigt in sein Whiskeyglas, ohne von seiner Umwelt etwas wahrzunehmen. Es war einfach, den sorgenerfüllten Ziehsohn zu geben, da brauchte er nur sein wahres Ich auch nach Außen zu zeigen.
Eine Frauenstimme riss ihn aus den trüben Gedanken. »Schön, sie wieder zu sehen!«
Mit angeblich irritierter Miene blickte Kai auf und vor ihm stand Gwendolin, die sich eindeutig freute, erneut auf ihn zu treffen. »Wie geht es denn ihrem Ziehvater?«
Kai zuckte entmutigt mit den Schultern. »Die Ärzte können noch nicht viel sagen, aber momentan ist er stabil. Aber er muss operiert werden und erst wenn er diese OP überstanden hat, kann eine eindeutige Diagnose gestellt werden.«
Damit hatte er die wichtige Information übermittelt, dass es einige Wochen dauern würde, bevor Fritz wieder richtig ansprechbar und damit angreifbar war. Gwendolin machte nicht den Eindruck, als ob sie das in irgendeiner Weise berührte, sie hatte ja alle Zeit der Welt und konnte warten, bis der richtige Augenblick da war.
Er ahnte sehr wohl, dass sie sich inzwischen über ihn erkundigt hatte und war gut vorbereitet auf die Frage, die prompt kam. »Ist ihr Mentor denn krank gewesen oder körperlich überanstrengt? Wissen die Ärzte wieso er den Infarkt hatte?«
Kai schüttelte den Kopf. »Eigentlich ist er für sein Alter ganz fit, die üblichen kleinen Wehwehchen, aber nichts Besonderes. Allerdings hat er, nach Aussage seiner Frau, an dem Morgen einen Anruf erhalten, dieser war vermutlich der Auslöser. Aber als ich ihn gefragt habe, um was es dabei gegangen sei, hat er mich nur schulterzuckend angesehen und gesagt, er könne sich nicht mehr daran erinnern.«
Er sah, dass Gwendolin zur Kenntnis nahm, dass Fritz anscheinend zu viel Angst davor hatte, mit irgendjemandem über seine Sünden zu reden. Und obwohl sein Ziehsohn eine Sicherheitsfirma besaß, die, wie sie gehört hatte, auch mal hart am Rande der Legalität arbeitete, so war die Angelegenheit offenbar zu beschämend, um sie ihm zu gestehen. Die Leute hatten ihr erzählt, dass er Kai wie seinen eigenen Sohn behandelte und deshalb wollte er wohl nicht das Risiko eingehen, seine Liebe zu verlieren.
Innerlich seufzte Kai auf. Nun war der Weg frei und diese Frau würde wohl umgehend auf ihr momentanes Ziel lossteuern, nämlich ihn abzuschleppen.
Natürlich hatte er mit seiner Annahme vollkommen recht und Gwendolin fragte. »Stört es sie, wenn ich ihnen etwas Gesellschaft leiste? Sie sehen aus, als ob es besser wäre, sie nicht alleine zu lassen.«
Kai, dem es sehr wohl bewusst war, dass seine Gemütsverfassung so ziemlich das Letzte war, was sie tatsächlich interessierte, schüttelte mit einem entschuldigenden Lächeln den Kopf. »Nein, ich bin ganz froh, etwas aus meinen Gedanken gerissen zu werden. Aber ein guter Unterhalter bin ich noch nie gewesen.«
Gwendolin lächelte ihn strahlend an. »Keine Sorge, das Reden übernehme ich.«
Was sie dann auch tat. Nach der kurzen Frage von Kai, was sie denn so beruflich machte, begann sie von ihrer Journalistentätigkeit zu erzählen und es brauchte nicht viel und sie lieferte einen detaillierten Bericht darüber ab, wie sie einen großen Skandal aufgedeckt hatte.
Kai hörte, mit nach außen hin interessierter Miene, zu und hatte Mühe sein Entsetzen nicht zu zeigen, das er empfand, als sie voller Wonne berichtete, dass sich ein hoher Politiker umgebracht hatte, nachdem ein Artikel von ihr auf den Titelseiten erschienen war. In dem deckte sie schonungslos auf, dass er eigentlich homosexuell war und seine Ehe nur eine vorgespielte Täuschung.
Er musterte Gwendolin und stellte fest, das sie alles in sich vereinte, was er nicht mochte. Das Einzige, was zu ihrem Vorteil sprach, war ihr gutes Aussehen, das noch nicht einmal viel Make-up benötigte. Aber sein Widerwillen, sich näher mit dieser Frau einzulassen, stieg von Minute zu Minute. Tja, das würde er natürlich auch noch, so lange wie möglich, hinauszögern und sich als schwer erlegbares Wild präsentieren. Vielleicht schaffte er es bis dahin etwas zu erfahren, das nützlich sein konnte und konnte sich den Rest ersparen.
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