Die Blondine streckte die Hand aus und stellte sich vor. »Gwendolin Griffith, es freut mich, sie kennenzulernen!«
Kai nahm die angebotene Hand und mühte sich ein Lächeln ab, während er mit einem anerkennenden Blick, die gutaussehende Frau musterte. »Sie sind mit Fritz bekannt?«
Gwendolin nickte und erwiderte seinen Blick. »Nicht direkt, aber ich habe schon viel von ihm gehört.«
Der Ausdruck den ihre Augen dabei annahmen, jagte Kai einen kalten Schauer über den Rücken. Diese Frau war gefährlich und er war sich sicher, dass seine Informanten nicht übertrieben hatten. Doch er hatte auch gesehen, wie sie ihn gemustert hatte und wusste genau, dass der Fisch am Haken saß. Innerlich seufzend stellte er fest, dass er zumindest an diesem Abend genau sagen konnte, was die Frau wollte. Nämlich mit ihm ins Bett steigen und das am besten gleich in den nächsten fünf Minuten. Doch glücklicherweise hatte er heute eine gute Ausrede parat, nämlich Hashimoto als Deckung.
Der beobachtete den Blickwechsel und musste wieder einmal zugeben, dass nur Kai es schaffen konnte, Leute so zu manipulieren, dass sie genau das taten, was er wollte, ohne auch nur im Geringsten zu merken, dass ihnen der Gedanke nicht selbst gekommen war. Wären sie direkt auf Gwendolin zugegangen, dann hätte diese sofort eine Falle vermutet. Aber das getürkte Gespräch und der gefakte Anruf hatten genau das ausgelöst, was Kai beabsichtigt hatte. Nämlich die Neugierde Näheres zu erfahren. Jetzt würden sie die Bekanntschaft noch etwas vertiefen und Kai beim Abschied die Bemerkung fallen lassen, dass er die nächste Zeit öfter hier sein würde, da er jeden Tag seinen Mentor im Krankenhaus besuchte.
Als sie nach zwei Stunden im Auto saßen und zu seinem Haus fuhren, meinte der Japaner. »Das hat ja ganz gut geklappt. Aber was immer du auch vorhast, unterschätze diese Frau nicht. Die ist irgendwie eiskalt, bei der kriege ich das Gruseln.«
Kai nickte nur, ohne zu antworten. Schon jetzt widerte ihn das Ganze an und das war nur der Anfang gewesen. Aber zumindest hatte er ihr heute die Information übermittelt, dass der Kandidat, den sie auf die Titelseiten zerren wollte, momentan nicht im Entferntesten mitbekam, was los war. Und er hatte bemerkt, wie in ihrem Kopf die Räder angelaufen waren. Die Story würde nicht gut zu verkaufen sein, solange es nicht sicher war, ob der Hauptakteur die nächsten Tage überleben würde. Was interessierte die Welt schon die Sünden von Toten. Also würde sie abwarten. Und ihre Blicke, die sie ihm zuwarf, hatten ihm klargemacht, wie sie sich die Wartezeit zu vertreiben gedachte. Er runzelte die Stirn, während er durch die Windschutzscheibe auf die Straßenlaternen schaute, die an ihnen vorbeizogen.
In den sauren Apfel würde er wohl beißen müssen, denn nur so konnte er ihr nahe genug kommen, um zu erfahren, was er wissen wollte. »Ich werde die nächste Zeit öfters bei dir übernachten müssen!«
Hashimoto zuckte mit den Achseln. »Nur zu! Du weißt, mein Haus steht dir jederzeit offen.«
Sein Freund hatte ihn schon oft genug als Alibi hergenommen, wenn er wieder mal in eigener Sache unterwegs war. Und niemand außer ihm wusste, dass sich Kai nicht nur geschäftlich durch die Gegend trieb. Nach wie vor war er nicht bedingungslos treu, allerdings hielten sich seine Ausrutscher sehr in Grenzen.
Dieser Gedanke führte ihn zu einer logischen Schlussfolgerung. »Hetty ist mit Patrick und Simon heute Abend wohl ganz alleine auf der Farm?«
Kai wusste genau, auf was sein Freund anspielte und seufzte vernehmlich laut auf. »Der hat nicht bis zum Abend gewartet! Schätzungsweise war mein Hubschrauber noch keinen Meter in der Luft, da hat er die Chance genutzt.«
Hashimoto schüttelte den Kopf. »Das hast du dir selbst eingebrockt. Du hättest nicht zustimmen sollen, dass er nach der Scheidung auf der Farm bleibt. Der ist genauso ungefährlich wie ein Bündel Dynamit, an dem bereits die Lunte brennt. Ganz abgesehen davon, dass er clever genug ist, um es mit dir aufzunehmen und nicht die geringste Angst hat, dass du ihn mit einem schönen runden Einschussloch zwischen seinen Augen verzierst.«
Kai konnte sich bei dieser Schimpftirade seines Freundes ein leises Lachen nicht verkneifen. »Du weißt doch, ich liebe die Herausforderung!«
Dann wurde er ernst. »Ehrlich gesagt, wäre Fritz wohl nicht mehr am Leben, wenn Patrick mir heute morgen nicht geholfen hätte. Es hat Ewigkeiten gedauert bis der Arzt da war und du weißt, wie anstrengend eine Herzdruckmassage ist. So haben wir uns abwechseln können und es hat wirklich keinen einzigen Moment gegeben, an dem nicht einer von uns dafür gesorgt hat, dass alles im grünen Bereich ist. Der Junge ist immer zur Stelle, wenn Not am Mann ist und du weißt genau, dass er nur einen Fehler hat und das ist seine Liebe zu Hetty.«
Dann fügte er mit einem leicht sarkastischen Unterton in der Stimme hinzu. »Aber momentan mache ich mir da tatsächlich keine Sorgen. Ich habe in der Zwischenzeit mit ihm telefoniert und ihm gesagt, dass ich die nächste Zeit viel unterwegs sein werde. Anscheinend tue ich ihm leid und er hat mir durch die Blume zu verstehen gegeben, dass er sich die nächste Zeit zurückhalten wird.«
Hashimoto kicherte laut los. »Der Junge spielt dich langsam aber sicher an die Wand. Jetzt fängt der Schwanz an, mit dem Hund zu wedeln! Und wenn du richtig sauer auf ihn bist, genügt ein trauriger Blick aus seinen blauen Plüschaugen und du wirst weich wie Wachs! Wo ist nur mein herzloser Freund geblieben, der gnadenlos über Leichen geht?«
Kai warf ihm einen genervten Blick zu und sparte sich die Antwort.
Eine Weile fuhren sie still dahin, dann brach sein Freund das Schweigen. »Entschuldige, ich wollte nicht auch noch das Messer in der Wunde umdrehen. Aber ich mache mir Sorgen um dich. So wie ich das sehe, kommen schwere Zeiten auf dich zu und wenn ich dir irgendwie helfen kann, musst du es mir sagen.«
Kai schüttelte den Kopf. »Ab jetzt bist du außen vor. Aber danke für dein Angebot.«
Hashimoto wusste, er konnte sich weitere Fragen und Versuche, etwas zu erfahren, sparen. Aber falls Kai ihn brauchte, würde er zur Stelle sein, egal um was es ging.
Kapitel 6
»Was kriege ich zum Abendessen?« Simon hatte sie in der Zwischenzeit zum zweiten Mal durch den Schwimmingpool gehetzt, noch eine Runde Ballspielen verlangt und Hetty lag reichlich müde auf einem der Sofas in der Bibliothek. Mit grimmigem Blick sah sie ihn an. Eine neunköpfige Raupe war leichter sattzukriegen, als dieses kleine schlanke Wesen, das Portionen aß, die sogar mit ihren mithalten konnten und dabei kein Gramm zunahm.
Natürlich hätte sie jetzt das Dienerehepaar anrufen können und fünf Minuten später wären die aufgetaucht und hätten, ihren Wünschen gemäß, das Essen zubereitet. Aber genauso wie Fritz und Dolly, kochte sie normalerweise selbst und nahm diese Hilfe nur in Anspruch, wenn Gäste im Haus waren.
»Was willst du denn?« In dem Moment in dem ihr diese Frage über die Lippen gerutscht war, schalt sie sich eine Närrin. Frei nach der Devise „Wer viel fragt, geht viel irr!“
Denn die Antwort von Simon kam prompt. »Knödel mit Soße!«
Seufzend stand Hetty auf. Einst in grauer Vorzeit hatte sie Kai, als sie aufgrund einer längeren Camperreparatur als Gast in seinem Appartement übernachtete, zum Dank ein bayrisches Gericht gekocht. Ente mit Knödel und Blaukraut.
Ihr Lebenspartner war gedächtnismäßig eindeutig mit einer gut funktionierenden Speichereinheit eines High-End-Computers verwandt und hatte später, als sie ihr Zusammenleben begannen, vorgeschlagen. »Koch doch mal bayrisch für uns!«
Die Farmbewohner waren begeistert gewesen und Knödel hatten sich zu einer allgemeinen Leibspeise entwickelt. Vor allem für Simon waren sie das absolute Lieblingsgericht und er konnte etliche davon in Minutenschnelle vertilgen.
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