Über weite Entfernungen werden die Geschütze von Pferden gezogen, in der Feuerstellung bewegen sie die Kanoniere selbst. Auch das leuchtete uns ein.
Wie ihr seht, ruht das Geschütz auf zwei Rädern, es wird von fünf Mann bedient. Jeder Kanonier hat seine bestimmte Tätigkeit, die er aus dem FF beherrschen muss.
Er teilte nun fünf Ausbilder ein, die die Funktion der fünf Kanoniere einnahmen. Dann erklärte er die Funktion jedes einzelnen.
Zuerst wird das Geschütz von der Protze abgehoben. Die Fahrer verschwinden mit den Pferden an einen sicheren Ort, eben in die Protzenstellung.
Wir sahen gespannt zu und machten uns unsere Gedanken.
Die Geschützbedienung entriegelt die Holme, spreizt sie und setzt die Erdsporne ein. Dann wird das Geschütz waagerecht gestellt und ins Ziel gebracht.
Das zweite Geschütz ist das Grundgeschütz, es wird auf den Grundrichtungspunkt eingerichtet. Die anderen drei Geschütze werden mit diesem parallel gestellt.
Wieder fragte der Wachtmeister, ob das alles klar ist.
Wir beantworteten seine Frage mit: Jawohl, Herr Wachtmeister!
Er sah uns der Reihe nach an, als ob er sich davon überzeugen wollte, dass wir das auch wirklich verstanden hatten.
Nun kommt die Technik! Der K I, der Richtkanonier hat eine wichtige Aufgabe. Von ihm hängt es ab, ob der Schuss ins Ziel geht oder daneben. Geschossen wird nach der Karte mit einem großen Maßstab 1:100 000. Warum? Weil auf dieser Karte alle Symbole eingezeichnet sind.
Der Beobachter, ein Offizier oder ein Wachtmeister, es kann aber auch ein anderer sein, Hauptsache er ist zum Schießenden ausgebildet, schaut durch das Scherenfernrohr und erkundet das Gelände. Zuerst zeichnet er seinen eigenen Standpunkt ein, dann den Standpunkt der Batterie und dann den Teil der Front, den er mit Artilleriefeuer belegen will.
Er errechnet das Kommando, das er jetzt den Fernsprechern zuruft. Der Fernsprecher gibt es an die Feuerstellung durch, das die Richtkanoniere an den Geschützen einstellen.
Wieder fragte er, ob das bis dahin alles klar ist. Nun antworteten wir nur zögernd, jawohl!
Es kommt schon noch, fuhr der Wachtmeister fort. Man kann das alles nicht an einem Tag lernen, sonst könnte man euch ja schon sofort an die Front schicken.
Auf welche Entfernungen denn geschossen wird, wollte jemand wissen. Der Wachtmeister erklärte auch das.
Es kommt immer darauf an, welche Ziele wir bekämpfen, sagte er. Sind es Punktziele oder belegen wir einen Abschnitt mit Sperr- oder Störungsfeuer. Ob wir einen eigenen Angriff vorbereiten, oder ob wir einen Angriff des Feindes stoppen wollen. Ihr seht, es gibt viele Möglichkeiten. Dann kommt es immer auf das Gelände an.
Wir müssen uns so aufstellen, dass wir vom Feind nicht gesehen werden. Wir dürfen dem Feind kein Ziel bieten, sonst belegt er uns mit Artilleriefeuer.
Was machen wir dann? fragte der Wachtmeister, und sah uns fragend an. Wir machen Stellungswechsel, sagte einer und er lag damit gerade richtig.
Jawohl, sagte der Wachtmeister. Wir suchen uns eine günstigere Stellung und dann fängt alles wieder von vorn an. Aufstellen der Geschütze, einrichten und die Kommandos ausrechnen. Ebenso wie wir, hat auch der Feind seine Beobachter im Gelände.
Schießen können wir auf verschiedene Entfernungen. Je größer die Entfernung, desto unwahrscheinlicher ist die Treffsicherheit.
Zuerst müssen wir so nahe wie möglich an die Front heran. Die Entfernung wird dann von selbst größer, wenn wir den Feind schlagen. Es kann aber auch mal umgekehrt sein, dass er uns schlägt. Dann heißt es schleunigst ausweichen. Wir versuchen dann den Feind von der einen oder anderen Seite zu bekämpfen.
Unsere Geschütze schießen sowohl in der mittleren als auch in der oberen Winkelgruppe.
Das heißt: Je tiefer wir das Rohr stellen, desto kürzer ist die Entfernung und je höher wir das Rohr stellen, desto weiter ist die Entfernung, desto weiter geht der Schuss. Die Entfernung kann bis zu einem und zehn Kilometer sein. Es kann aber auch im direkten Beschuss Verwendung finden. Ihr seht, unsere Geschütze sind vielseitig.
Wenn plötzlich feindliche Panzer in der Feuerstellung auftauchen, dann heißt es: Jetzt oder nie! Dann kommt es ganz besonders auf die Geistesgegenwart der Kanoniere an, auf die Schnelligkeit und auf die absolute Beherrschung der Tätigkeiten eines jeden Mannes.
Die Ausbilder übernehmen jetzt ihre Gruppen, befahl der Spieß. Nun bekamen wir die Geschütze das erste Mal richtig erklärt. Erst bei Einbruch der Dunkelheit beendeten die Wachtmeister den Dienst.
Wir wurden nun auf die Stuben entlassen. Nach dem Essen sollte uns der Stubenälteste Unterricht über den Karabiner erteilen. Wir saßen alle um den Tisch herum und hatten das Gewehr vor uns.
Der Herr Oberkanonier ließ uns zuerst alle das Schloss herausnehmen. Das war gar nicht so einfach. Man musste den Trick zuerst einmal kennen. Dann übten wir das Laden und Sichern mit Übungsmunition. Es war ein Hantieren und Poltern und Klappern, denn jeder wollte es so schnell und so gründlich lernen, wie nur möglich.
Welche Teile könnt ihr am Gewehr erkennen? fragte nun der Oberkanonier. Wir hielten inne und sahen uns fragend an. Na, aus wie vielen Hauptteilen besteht das Gewehr? Nun reden sie doch schon, drängte der Stubenälteste einen Mann von uns, der schon etwas über das Gewehr wusste.
Sie wollen wissen, in wie viele Teile das Gewehr zerfällt, fragte er lächelnd. Es kommt darauf an, wie man es hinschmeißt. Wir brachen in schallendes Gelächter aus. Der Oberkanonier war der alleinige Blamierte.
Sehr witzig! sagte er. Den Mann will ich mir merken. Wie heißen Sie? Kanonier Wittig, Herr Oberkanonier. Sie heißen ab heute Witzig! Verstanden? Jawohl Herr Oberkanonier, antwortete der Kamerad Wittig.
Also Spaß beiseite! sagte der Oberkanonier. Nennen Sie die Hauptteile. Kamerad Wittig schüttelte die Antwort nur so aus dem Ärmel, wir konnten gar nicht folgen. So geht das natürlich nicht, schaltete sich der Oberkanonier ein. Er begann nun selbst das Gewehr zu erklären.
Als er eine Pause machte und das Zimmer verließ, nutzten wir die Gelegenheit und unterhielten uns recht angeregt. Wir wollten uns doch näher kennenlernen.
Da war zunächst der Hannes. Er fiel sofort auf, denn er war 1,85 m groß und kräftig und hatte eine derbe Aussprache. Er war von Beruf Waldarbeiter und wohnte in Nauen bei Berlin.
Der zweite war Lauterbach, der mir durch seine Freundlichkeit aufgefallen war. Durch seine schnellen Antworten erregte er oft Heiterkeit. Er war Bäckermeister und hatte in Berlin-Charlottenburg eine Bäckerei.
Neben ihm saß Erich Schubert. Ein kleiner ernster, aber sehr korrekter Mann. Im Zivilberuf war er bei der Tobis Klangfilm. Ein Mann, auf den man sich verlassen konnte. Seine Antworten kamen wohlüberlegt und er traf fast immer das Richtige.
Daneben saß Karl Weiß, ein gemütlicher Kamerad, mittelgroß und ein bisschen hager. Er war Buchhalter in einer Holzgroßhandlung in Velten. Statt zu antworten, schwieg er lieber, obwohl er die richtige Antwort stets parat hatte.
Der nächste war Kurt Both. Er war Rohrleger von Beruf und immer zu Späßen aufgelegt. Seine Heimat war Berlin.
Jetzt kam unser Kleiner, Herbert Helmfritz. Er war zehn Jahre jünger als wir, deshalb nannten wir ihn Kleiner, aber er war beileibe nicht klein, sondern einen Kopf größer als mach ein anderer. Er war stets vergnügt und hatte immer ein Lied auf den Lippen.
Der nächste war Eduard. Er war Händler in der Ackerhalle von Berlin. Seine Antworten waren meist zweideutig und erregten oft Heiterkeit
Kamerad Wittig nicht zu vergessen. Er war im Unterricht aufgefallen und er war auch auf der Stube die Hauptperson. Er kam aus dem Bezirk Kreuzberg. Er war ein offener und ehrlicher Charakter, half jedem, der an ihn herantrat. Wahrscheinlich fühlte er sich durch seine zehnjährige Tätigkeit in der SA uns ein wenig überlegen.
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