Nun gibt es zwei grundsätzliche Persönlichkeitstypen: Erfolgsmotivierte, die ihre Erfolge auf eigene Anstrengungen und Leistungen zurückführen und ihren Misserfolg auf Pech. Und es gibt Misserfolgsmotivierte, die ihre Erfolge auf Glück und Zufall zurückführen, und ihre Misserfolge auf mangelnde Anstrengungen und zu geringes Leistungsvermögen. Männer gehören mehrheitlich zur ersten Kategorie, während Frauen eher zur zweiten Kategorie neigen. Das drückt sich nicht nur in der Anzahl der Depressiven aus, die überwiegend Frauen sind. Frauen nehmen auch wegen ihrer sozialen Rolle die Gewissensbildung, also die Internalisierung vermittelter Normen viel ernster und genauer. Sie übernehmen eher Wertentscheidungen, weil sie mehr zu verlieren haben. Ihr verstärktes „Über-Ich“, wie in der Psychologie seit Freud das Gewissen genannt wird, kann sie zur Übernahme von Schuld und zu Duldungsverhalten auch dort verpflichten, wo es absurd ist. Während Männer die Schuld gerne bei anderen sehen. Ein Indiz für die unterschiedliche Wahrnehmung ist nicht zuletzt die Tatsache, dass Gewalt im gesellschaftlichen Bewusstsein größtenteils Männersache ist. Auf Prozentzahlen kann man sich hier allerdings nicht festlegen, weil in Studien nicht eindeutig zu klären ist, ob häusliche Gewalt eher von Männern oder Frauen ausgeht.
Wenn wir über die heutige Liebe zwischen zwei Menschen reflektieren, sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass wir es mit einer völlig neuen Kultur des Wählens zu tun haben. Die Kriterien der Partnerwahl haben sich dramatisch verändert. Es ist grundsätzlich eine ganz erhebliche Überschätzung der eigenen Person festzustellen, die mit einer enorm gestiegenen Ungeduld gegenüber anderen einhergeht. Das Anspruchsniveau wird heute von Männern wie von Frauen generell so hoch angesetzt, dass die Wahrscheinlichkeit, dem passenden Partner überhaupt zu begegnen, relativ gering ist. Was naturgemäß nach einiger Zeit zu Frustrationen führt und hervorragend als Begründung geeignet ist, die Suche ganz aufzugeben. Wer ständig bei neuen Bekanntschaften gleich verlauten lässt, dass er ohnehin an festen Beziehungen nicht interessiert ist, darf sich nicht wundern, wenn er Single bleibt.
Hinzu kommt ein technischer Aspekt, der die Liebe viel mehr stört als sich die Menschen bewusst sind. Die direkte Kommunikation von Angesicht zu Angesicht weicht immer mehr der Angewohnheit, eine Maschine zwischen zu schalten, die Worte und Bilder übermitteln und speichern kann. Die Partner können sich, auch weit entfernt voneinander, rund um die Uhr sprechen und sehen. Und kontrollieren! Sie müssen im Prinzip gar nicht mehr zusammen tref-fen und den Aufwand treiben, der damit verbunden ist. Der Trend geht ja auch bei denjenigen, die es sich leisten können, zu getrennten Wohnungen. Es gibt schon Beziehungen, wo Partner in jeweils anderen Erdteilen leben und diese Form für die beste halten. Psychologisch betrachtet wissen wir, dass Frauen, die sich in Häftlinge verlieben, ein Nähe-Distanz-Problem haben, kombiniert mit Minderwertigkeitsgefühlen einerseits und Dominanzstreben andererseits. Genophobie, bei der Sexualität der Angstgegenstand ist, kann außerdem sein. Es bleibt zu hoffen, dass diese Art von Störungen nicht auch bei vielen Fernbeziehungen eine Rolle spielt.
Unsere moderne Gesellschaft macht sich jedenfalls ungeheueren Partnerstress durch die Mo-biltelefone. Denn was so bequem ist, das Senden und Empfangen von Wort- und Bildbotschaften, ermöglicht auch eine totale Kontrolle des Partners und durch die Speicherung haben sich die Beweismittel für Fehlverhalten multipliziert. Durch die SMS-Messages ist die frühere Hemmschwelle praktisch verschwunden, Personen der eigenen Begierde anonym anzusprechen, ebenso im Internet-Chat. Es hat sich eine völlig neue Qualität der Wahl entwickelt, von der inzwischen millionenfach Gebrauch gemacht wird. Wer die besten Sprüche machen kann, gewinnt erst einmal. Die Sprücheklopfer und geistigen Bügelbretter haben Hochkonjunktur. Die allgegenwärtige Lüge feiert Triumphe. Es ist nicht leicht, in dieser Scheinwelt zu recht zu kommen, wenn man andere Vorstellungen vom Fundament der Liebe hat. Wenn jeder Mensch sich heute für einzigartig und bedeutend hält, gibt es naturgemäß fast unüberbrückbare Hürden, jemand anderen für ebenso großartig zu halten. Liebe könnte die unwahrscheinliche Kommunikation mit einem ebenbürtigen Partner wahrscheinlicher machen, wenn er oder sie jemals gefunden würde. Doch wird ein selbstverliebtes Ich wohl eher nicht erkennen, wann jemand seinen übertriebenen Ansprüchen genügt und ewig allein bleiben.
Die Fernbeziehung
Genau genommen ist schon das Wort „Fernbeziehung“ absurd, denn Beziehungen, gerade Liebesbeziehungen, benötigen eigentlich die Nähe. Aber die globalisierte Arbeitswelt, vielmehr der beiderseitige Wunsch nach Selbstverwirklichung im Beruf, reißt Paare auseinander. Ins Dickicht der globalen Zivilisation hat der Einzelne seinen Lebensraum zu schlagen und nicht mehr wie früher die Sippe eine Lichtung in den Wald. Schadet es der Liebe, wenn die Arbeit Vorrang hat? Nun, Paare in Fernbeziehungen heiraten später, trennen sich später als sie es hätten tun sollen und streiten sich weniger. Alles, weil sie sich sehr viel weniger sehen. Aber sie fürchten sich sehr viel mehr, vom Partner betrogen zu werden, obwohl amerikanische Studien bewiesen haben wollen, dass diese Befürchtungen nicht begründeter sind als bei Partnern die zusammenleben.
Ginge die so genannte „Fernbeziehung“ ewig, würden vielleicht nicht die Probleme auftauchen, die sehr wahrscheinlich auftreten, wenn man zusammenzieht. Denn in dem Moment werden die praktisch geführten zwei Leben aufgegeben, übrigens von beiden. Aber doch in unterschiedlicher Weise, denn zumindest einer verlässt seinen Freundeskreis, seine Stadt, oft sogar sein Land und das Gebiet seiner Muttersprache. Diese dramatische Veränderung kann als Bereicherung oder Belastung erlebt werden, gerade auch ganz besonders verstärkt durch den möglichen Vergleich zur Vergangenheit. Die psychologisch notwendige Idealisierung des Anderen während der Fernbeziehung ist aufgehoben, der gewohnte „langwellige“ Rhythmus von Vorfreude und Erleben ist weg. Der Alltag mit seinen relativ kurzen Phasen, zu denen zwangsläufig auch Ruhe und Langeweile gehören, ist da. Ob die Liebe diese neuen Herausforderungen überlebt, hängt vom Denken und Verhalten der Partner, vor allem aber von der Entwicklung ihrer Gefühle ab, also dem sehr komplexen Befindlichkeitszustand des Bewusstseins gegenüber Aspekten des inneren und äußeren Erlebens.
Was ist ein gelungener Heiratsantrag?
Das Wort „Ehe“ kommt vom althochdeutschen „Ewa“ und heißt so viel wie „ewig geltendes Gesetz“. Wie wir alle wissen, kann bei ungefähr der Hälfte der Ehen nicht mehr von Ewigkeit gesprochen werden, es sei denn wir würden in unserer schnelllebigen Zeit darunter wenige Jahre verstehen. Ehen werden in den meisten Gesellschaften als ein Vertrag geschlossen, eingebettet in ein religiöses Ritual. In der römisch-katholischen und östlich orthodoxen Kirche gelten Ehen eigentlich als unauflöslich, doch es gibt in der Praxis Interpretationsmöglichkeiten. Außer im Hinduismus, wo die Ehe nun wirklich nicht geschieden werden kann und es immer wieder zur Ermordung der Ehefrau kommt, auch weil bei einer Trennung die Mitgift zurückgegeben werden müsste.
Zum Zeitpunkt der Frage „Willst du mich heiraten?“, die ja in traditionellen Gesellschaften mit üblicherweise arrangierten Heiraten nicht zur Debatte steht, denkt natürlich niemand an ein Scheitern der Ehe. Aber über die Vorstellungen, wie ein Antrag sein sollte, gibt es auf Grund von Studien Erkenntnisse. Überraschend ist, was für die Leute am wichtigsten ist: „dass sich das Paar schon lange kennt und möglichst schon zusammen gelebt hat“. Gerade die 14- bis 29-Jährigen sind zu 65% dieser Ansicht. Sie wollen so zu sagen auf Nr. Sicher gehen. Drum prüfe, wer sich ewig bindet, gehört für die junge Generation zum wichtigsten Kriteri-um überhaupt. Nur nicht zu schnell „Ja“ sagen und Verantwortung übernehmen. Hier zeigt sich bereits deutlich der Trend zum „Histrio“(ein Histrione war ein Schauspieler im antiken Rom), einem emotional instabilen Menschen mit Drang zur Selbstinszenierung und Verlangen nach ungeteilter Aufmerksamkeit. Für ihn ist die ganze Welt eine Bühne und das Leben ein Spiel. Seine immer neuen Vorbilder findet er in den Medien und er nimmt seine Bindungsunsicherheit mit in sein Erwachsenenleben.
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