Welche Arten von Liebe unterscheiden wir?
In der Hauptsache kann man drei Arten von Liebe unterscheiden: Diejenige, die einen sinnlich-erotischen Hintergrund hat, also die romantische Liebe, die sich Paare am Anfang ihrer Beziehung für die Ewigkeit vorstellen. Wobei die Ewigkeit heute im Schnitt zwischen drei und vier Jahren dauert, was Psychologen damit begründen, dass dies der Zeitraum ist, in dem Kinder flügge werden. Schwangerschaft und die drei Jahre bis zum Kindergartenalter eingerechnet, kommt das ja ungefähr hin. Dann haben wir die Liebe aus Sympathie und Verantwortung, wie sie Eltern für ihre Kinder empfinden, aber auch Freunde füreinander und sogar manche Chefs für ihre Mitarbeiter. Und dann noch die Liebe für etwas Höheres als wir es sind, die Natur oder ihren Schöpfer. Aus der Sicht der Gläubigen kann das auch der Verkünder einer Offenbarung oder sein irdischer Stellvertreter sein.
Als Gegenteil von Liebe wird oft Hass genannt. Beiden Gefühlen ist eine Affektambivalenz eigen, sie können schnell umkippen. Man spricht ja auch von Hassliebe. Doch in Wahrheit heißt das Gegenteil von Liebe nicht Hass, sondern Desinteresse und Gleichgültigkeit. Man kann auch umgekehrt sagen, Hass wird durch Langeweile und Leere erzeugt. In diesem Zu-sammenhang ist ganz interessant, dass nach neueren Forschungen mittels der Kernspintomografie unser Gehirn den Trennungsschmerz in denselben Arealen wie den Liebesrausch verarbeitet. Dabei werden ebenfalls die Hormone Dopamin und Noradrenalin freigesetzt, nur mehr davon. Wer verlassen oder verschmäht wird, kann sogar Suchtsymptome zeigen. Bis hin zu Realitätsverlust und Gewalt gegen sich oder andere. Eifersuchtstaten, die aus Angst vor der Gefährdung einer Beziehung verübt werden, füllen fast täglich die Zeitungsspalten.
Die romantische Liebe
Die romantische Liebe wird auch die erotische Liebe genannt, also die Liebe zum Sexualpartner. Es ist jedoch zweierlei: In der romantischen Liebe wird die Wirklichkeit idealisiert, sie ist gefühlsbetont, schwärmerisch, fantastisch, geheimnisvoll. Während die erotische Liebe sich wie gesagt, lediglich auf die Geschlechtsliebe und die damit verbundenen Vorstellungen und Handlungen bezieht. Nun spielt die Erotik ja heute nicht nur in Filmen, in der Kunst und Literatur eine große Rolle, sondern auch in sämtlichen Medien und im Alltag der Menschen. Sie hat dadurch fast so etwas wie Wettbewerbscharakter bekommen, nicht nur in sublimierter Form in der Mode, wo ja die gekonnte Verhüllung insbesondere weiblicher Reize schon immer eine Rolle spielte, sondern überhaupt als allgegenwärtige Stilisierung der Sexualität. Dabei ist, wenn nicht alles täuscht, die Liebe ein wenig mehr auf der Strecke geblieben, als die allgemeine Wahrnehmung erkennen lässt.
Vielleicht ist es zu differenziert gedacht, aber wenn das Wort „LOVE“ millionenfach auf T-Shirts und Sweatshirts steht, ist das kein Anzeichen für eine humanitäre Revolution, sondern eher für eine Inflation. Und wenn sogar eine Fernseh-Serie „Verbotene Liebe“ heißt, könnte man sich direkt fragen, ob es überhaupt Verbote in der Liebe gibt oder geben sollte? Und wenn JA, müsste es dann nicht logischerweise auch „Erlaubte Liebe“ geben? Sind wir dann nicht schnell beim Thema Zwangs-Ehen und der Ermordung junger Frauen, die sich weigern, solche einzugehen. MAKE LOVE NOT WAR – wir sehen schon, wenn wir etwas genauer hinschauen, welche Brisanz in dem Wort, das Liebe bedeutet, steckt. Es empfiehlt sich, es nicht nur einfach so unüberlegt dahin zu sagen und in seiner Bedeutung einzuschränken und zu beschädigen.
Übrigens ist die Liebe erst vor gut 100 Jahren „romantisiert“ worden. Ein kurzer Augenblick in der langen Geschichte der Menschheit, dem wir uns offenbar noch nicht anpassen konnten, wenn man an die verfehlten Erwartungen denkt. Ketzerisch könnte man sagen, es war ein Sieg der Hoffnung über die Erfahrung der Vorfahren. Jedenfalls scheint die Liebe, was ihre Intensivität und Dauer angeht, eher einem Feuer zu entsprechen als der Sonne. Honoré de Balzac hat einen Roman mit dem Titel „Verlorene Illusionen“ geschrieben und zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller haben sich des Themas der unglücklichen Liebe angenommen. Oft mit autobiografischen Zügen. Wahrscheinlich ist das Scheitern des Strebens nach Liebe und sozialem Aufstieg das Romanthema überhaupt.
Elternliebe
Neulich habe ich ein zynisches Bonmot von jemand gelesen, dessen Namen ich vermutlich zu Recht vergessen habe und das sinngemäß lautete: „Eltern zerstören deine erste Lebenshälfte, Kinder deine zweite.“ Und ich habe mich gefragt, was die Quintessenz ist? Die „quinta essentia“ wie es lateinisch heißt, der „fünfte Stoff“ und zwar deshalb, weil Platon und Aristoteles den vier Elementen den „Äther“ hinzugefügt haben, und damit den Himmel als fünftes und zugleich unsichtbares Element in seiner Bedeutung zum ersten machten. Sollen wir jetzt unsere Eltern unmittelbar nach der Geburt verlassen und uns sofort sterilisieren lassen?
Von berühmten Leuten lesen wir manchmal in ihren Biografien, dass sie eine repressive Kindheit ohne Elternliebe verlebten und trotzdem zu großen Taten fähig waren, möglicher-weise auch gerade deswegen eine Überkompensation hinbekamen. Nun, davon können wir meistens selbst nicht berichten. Unsere Verwandten ersten Grades, insbesondere unsere Mütter, haben sich liebevoll und zuverlässig um uns gekümmert. Jedenfalls ist das, ohne es für die Kleinkindphase zu erinnern, unser gewünschter Eindruck.
Die Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern festigt sich vermutlich bereits zwischen dem 4. - 6. Lebensmonat. An der Verhaltensforschung orientierte Ansätze wie die Bindungstheorie gehen davon aus, dass es sich bei der Bindung an die Eltern um ein lebensnotwendiges System handelt. Das Streben des Säuglings nach Bindung an seine Bezugsperson und umgekehrt, ist danach für die Ausbildung des kindlichen Erkundungs- und Lernverhaltens unverzichtbar. Offenbar ist ganz entscheidend für die Entwicklung des Kindes, ob Eltern seine Signale richtig deuten können und darauf angemessen zeitlich und inhaltlich mit gleichbleibendem Verhalten reagieren können. Die für die Entstehung des Selbstkonzepts wichtigen Erfahrungs- und Reaktionsmuster hängen entscheidend davon ab, in wie weit das Kind die Beziehung zu seinen Eltern von Anfang an mitgestalten kann.
Wenn das stimmt, und es gibt eigentlich wissenschaftlich keine Zweifel, denn wir können so zu sagen als Gegenprobe die Deprivation (lat. Beraubung) von Säuglingen, die in Heimen aufwachsen und oft vielfache Störungen aufweisen, heranziehen, dann ergeben sich daraus weit reichende Konsequenzen. Es ist die Frage, ob noch gedacht und propagiert werden sollte, dass die leiblichen Mütter und Väter problemlos durch andere Personen ersetzt werden kön-nen. Denn es könnte durchaus passieren, der Verdacht ist ja aufgrund der bekannten Studien über die Schulleistungen gar nicht so abwegig, dass eine Verbesserung der Lehrinhalte und der Vermittlung wegen der vorhergehenden Versäumnisse der Eltern buchstäblich ins Leere greift. Einfach weil ein wachsender Teil der Kinder den Qualitätsgrad, den Elternliebe brau-cht, um positive Bindungseffekte als Grundlage zu erzielen, schlichtweg entbehren muss. Und diese Tatsache in ihrer Konsequenz nur Experten bewusst ist, die im Konzert der Meinungsmacher keine Stimme haben.
Die Liebe zu etwas Höherem
Ich hatte es schon angedeutet, unter etwas Höherem als wir selbst sind, verstehen wir die Na-tur und deren Schöpfer sowie auch die Verkünder einer Offenbarung. Der Mensch gibt sein Leben ganz gerne in die Hände höherer Mächte, denn es entlastet ihn auch von eigener Verantwortung. Aus der Caritas, der alles umgreifenden Liebe Gottes, erwächst die Gottesliebe und daraus die menschliche Nächstenliebe. So weit jedenfalls die theologische Theorie.
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