Sie finden ein Tor mit einer Glocke daneben, die weiße Schwester, die erscheint, mustert sie mit kalten Augen. Sie entbietet ihnen nicht einmal ein Willkommen, sie leiert nur mit harter Stimme herunter, was es sie kosten wird, hier zu trinken. Zwei silberne Plättchen für jedes Pferd, ein silbernes Plättchen für jeden Mann, das Wasser ist zum Trinken, nicht zum Waschen, und sie werden für jeden Trunk bezahlen. Und wenn sie Fässer füllen für die Weiterreise, noch einmal das Doppelte. Schlafen können sie im Hof, aber nur eine Nacht, wenn sie essen wollen, müssen sie es aus ihren eigenen Vorräten tun. Metú ist entsetzt, allein von dem, was ihn das Wasser für die Pferde kostet, könnte er ein ganzes Pferd kaufen, sie werden sie jetzt tränken, noch einmal, bevor sie weiterreiten, das macht dann schon zwei Pferde. Ist das die vielgepriesene Barmherzigkeit der weißen Schwestern? Möge Melak sie bestrafen für ihre Habgier, sie tragen weiß zu seinen Ehren, aber sie handeln nicht in seinem Sinne. Zumindest dieses Haus nicht, aus Beth’anu kennt er es anders.
Sie sind hervorgegangen aus einer Gemeinschaft von Frauen, die sich vor ungefähr siebzig Jahren entschlossen haben, es nicht mehr hinzunehmen, dass Witwen ohne Kinder und unverheiratete Frauen im Haushalt ihrer Familien leben müssen. Sie sind oft schlecht behandelt worden, überflüssige Esser, sie haben einen eigenen Haushalt gegründet. Sie sind immer mehr geworden mit der Zeit, Frauen, die keinen Mann gefunden haben, haben sich mit ihrer Mitgift bei ihnen eingekauft, Witwen von Soldaten, die eine Rente erhalten, sind zu ihnen gezogen, und irgendwann haben sie angefangen, sich um Alte, Kranke und Frauen, die ein Kind tragen, zu kümmern. Sie haben eine Beschäftigung gesucht, sie haben sich die Schwestern Melaks genannt, die in seinem Namen Gutes tun, sie kleiden sich in Weiß zu seinen Ehren.
Heute gibt es Häuser von ihnen in jeder Provinz von Beth’anu und in Beth’nindra, auch Tenaro hat sie um Hilfe gebeten. Sie richten Häuser für Kranke ein, die niemanden haben, der sich um sie kümmern kann, Menschen, die allein sind, verbringen ihre letzten Jahre bei ihnen, viele der weißen Schwestern sind Hebammen, sie betreuen die Frauen und holen die Kinder auf die Welt. Sie waren es, die als erste die Betten der Kranken mit Schleiern aus dünnem Stoff verhängt haben, um sie vor den roten Fliegen zu schützen, die alle paar Jahre in der Mitte der dritten Jahreszeit für drei Drittteile über das Land herfallen, ihr Stich verursacht das gefürchtete Viertagefieber, dem auch Tenaro mit fünf fast zum Opfer gefallen ist. Viele Kinder sind daran gestorben, aber wenn man es einmal überlebt hat, bekommt man es nicht wieder. Heute sind die Wiegen und Betten in den Schlafzimmern mit Schleiern verhängt, wenn die Fliegenplage im Land ist, sie werden nicht mehr gestochen, es erkranken kaum noch Kinder an der gefürchteten Seuche. Die weißen Schwestern leben von dem, was ihnen für ihre Hilfe freiwillig gegeben wird, nicht immer Plättchen, auch Früchte, Gemüse, ein Huhn für den Kochtopf, und der Thain von Beth’anu und der Mar’thain von Beth’nindra unterstützen die Häuser, wenn es nicht reicht. In diesen Ländern sind sie wirklich barmherzig, das Haus in einer Oase im Norden von Narn’kalar ist es nicht.
Metú bezahlt zähneknirschend, was von ihm verlangt wird, und er bittet um eine Unterredung mit der Madroni, der ersten Frau des Hauses. Sie wird ihm gewährt, eine Audienz beim Thain ist leichter zu erlangen, und sie sagt ihm auch, was er wissen will, aber erst, als er ein goldenes Plättchen auf den Tisch legt und dort liegen lässt. Ja, sie erinnert sich an die junge Frau mit den grünen Augen, sie haben sie eines Morgens vor dem Tor gefunden. Halb verdurstet und von der Sonne verbrannt, sie hat keinen Schleier getragen. Plättchen hat sie keine gehabt, sie hat gearbeitet für Wasser und Essen, Böden geschrubbt, Nachttöpfe geleert, in der Küche Gemüse geputzt. Ein hässliches mageres Ding, sie hat kaum einmal gesprochen, keiner hat sie so recht gemocht. Sie hat sie verlassen vor zwei Jahren, ein Mann, der ein Gasthaus besitzt, hat bei ihnen Halt gemacht, er war auf der Suche nach einer Küchenmagd, sie ist mit ihm gegangen. Nicht ganz freiwillig, und er hat nicht viele Plättchen bezahlt für sie, nur drei silberne und sechs kupferne. Nein, er hat ihnen nicht gesagt, wo sein Gasthaus liegt, es hat sie auch nicht interessiert. Aber er ist ein Mann aus Beth’narn gewesen, man hat es an seiner Aussprache gehört.
Metú opfert noch ein goldenes Plättchen, er lässt es auf dem weißen Altar vor Melaks Statue liegen. Er hat eine Bitte an ihn, er hat jetzt das nächste gelbrote Band auf der Bänderjagd nach Mirini gefunden, bitte lass es genug sein, Melak, lass mich sie finden. Was hat sie dir denn nur getan, dass du sie so strafst? Hat dich so sehr nach Tenaro verlangt, bist du böse auf sie, weil sie ihn gerettet hat? Das ist eines Gottes nicht würdig.
Sie brechen auf am nächsten Morgen, aber sie kehren nicht zur Oase des Pferdehändlers zurück. Soldaten in der Armee des Thain von Beth’anu lernen auch, ihren Weg nach dem Stand der Sonne und der Sterne zu finden, sie erreichen die Oase schneller als sie erwartet haben, die alte Frau backt am Abend wieder flache Brote für sie am Lagerfeuer. Sie ist froh, dass sie heil und gesund zurück sind, das ist nicht immer so. Schon oft sind Männer zur Oase des Pferdehändlers aufgebrochen und nicht zurückgekehrt. Sie fragt Metú, die Frau mit den grünen Augen, warum sucht er sie? Ist sie nicht ein Demoni aus der Hölle, so wie die Frau des Pferdehändlers? Die ist einer, ganz sicher, es läuft einem kalt den Rücken herunter, wenn sie einen ansieht aus ihren durchsichtigen Augen. Wie das Wasser in dem See, an dem sie einmal gewesen ist, aber sie möchte nicht noch einmal dorthin. Sie hat am Ufer gestanden mit ihrem Mann, plötzlich ist ein Ungeheuer aus dem Wasser gesprungen und hat sie angezischt. Sie sind fortgelaufen, gerannt und gerannt, aber als sie zurückgekehrt sind, um ihre Pferde zu holen, hat nur noch eins am Ufer gestanden, und es hat vor Angst die Augen verdreht, bis sie ganz weiß waren, sie haben es nicht mehr reiten können. Das ist bestimmt auch ein Demoni gewesen, und der See die Hölle, er muss ein tapferer Mann sein, wenn er in einem Land an seinen Ufern wohnt. Metú hat nur gelacht, nein, es ist nur ein See, und das Ungeheuer nur ein Tier. Ein gefährliches Tier, aber man kann sie töten, er hat es selbst schon getan. Und die Frau? Sie hat jemandem das Leben gerettet und ist dafür hart bestraft worden, er sucht sie, damit sie endlich auch Dank für das erfährt, was sie getan hat. Die alte Frau hat versonnen genickt, es ist nicht gut, wenn Gutes mit Schlechtem vergolten wird, sie wird zu Melak beten, dass seine Suche erfolgreich ist.
Mensch und Tier waren froh, als die Wüste endlich hinter ihnen lag, sie haben wieder ein paar Tage gerastet in der Handelsstation an ihrem Rand, dann haben sie sich aufgemacht und die Gasthäuser gesucht. Sieben haben sie schon gefunden und ein rotes Haus, da ist sie nicht gewesen, und sie hören es schon, als sie in den Hof des neunten reiten, hier ist jemand sehr schlecht gelaunt. Wütendes Gebrüll, das ekelerregende Geräusch, wenn eine Faust auf Knochen trifft, das Sausen einer Reitgerte, ein Knirschen, als ob jemand in einen Sack mit Springbohnen tritt, und dann ein leises Wimmern. Metú und die Männer sehen sich an, sie steigen ab und betreten den Raum des Gasthauses. Vor einer Ecke steht ein Mann, von ihm kommt das Gebrüll, und er tritt auf etwas ein, das vor ihm auf dem Boden liegt. Metú hält sich nicht lange mit der Vorrede auf, er wirft ihn einfach in eine andere Ecke des Raumes, und die Männer erstarren vor Schreck, als sie sehen, wer dort leise wimmernd auf dem Boden liegt. Eine Frau, abgemagert bis auf die Knochen, die kleinen Füße, schmutzbedeckt und blutig, scharren über den Boden, als ob sie wegkriechen will, hinein in die Mauer, vor der sie halb lehnt. Ihr Kleid besteht nur aus Fetzen, sie sehen die Schürfungen auf ihren Hüftknochen, die die Tritte der schweren Schuhe des Mannes hinterlassen haben. Auch ihre Hände sind schmutzig, an einem Finger ist der Nagel eingerissen, die Wunde ist mit grünem Eiter bedeckt. Ihr Haar ist dunkel, kurz und verfilzt, Strohhalme stecken darin. Sie können ihr Gesicht nicht sehen, sie hält den Kopf gesenkt und abgewandt, aber das Geräusch, das sie macht, dieses leise herzzerreißende Wimmern, sie können es fast nicht ertragen. Sie hat Striemen auf den Oberarmen, alte und frische, eine blutet, sie muss Schmerzen haben. Metú geht vor ihr auf ein Knie, er streicht leicht über ihr Haar. Sie zuckt zusammen, ihr Wimmern verstummt, und dann dreht sie den Kopf. Auch ihr Gesicht ist grausam zugerichtet, ihre Nase blutet, sie hat einen Riss im Mundwinkel, Spuren von alten Schlägen sind zu sehen. Eines ist schon fast zugeschwollen, aber sie können die Farbe ihrer Augen noch erkennen. Sie sind grün, wie der Stein, aus dem die Statue geschnitten ist, die in Tenaros Schlafzimmer auf der Truhe steht. Und sie sind vollkommen leer.
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