Sein Vater hat es ihm gesagt später am Tag, auf dem Ritt zum Haus des Fürsten, er hat sie in die Hände des Pferdehändlers gegeben. Er hat ihn gehört in der Nacht, er ist nachsehen gegangen, und als er sie gefunden hat zwischen den Trümmern in der Hütte, hat er beschlossen, dass sie endgültig nichts mehr verloren hat in seinem Haus. Der Pferdehändler, der ihnen zwei neue Schlachtrösser gebracht hat, er züchtet sie in seiner Oase weit im Norden, hat ihm erzählt, dass seine Frau endlich ein Kind von ihm trägt, er wird auf dem Rückweg eine Dienstmagd für sie kaufen, damit sie nicht mehr so schwer arbeiten muss. Sein Vater hat sie über den Hof gezerrt, durch die kleine Pforte, über die Koppel bis zu den Zelten des Pferdehändlers, er war schon dabei, sie abzubrechen, er will im Morgengrauen zurückreiten. Er hat sie ihm nackt vor die Füße geworfen „Hier, nimm sie, ein Geschenk des Heermeisters von Beth’narn.“ Und am anderen Morgen, als die Köchin und der Hundemeister ihm entsetzt erzählt haben, was sie in der Hütte vorgefunden haben, hat er nur gelacht und nach seinem Morgenmahl verlangt.
Metú hat es geschüttelt vor Ekel, als er endlich aufgehört hat zu reden. Eine junge Frau, fast noch ein Kind, Tenaro hat sie auf vielleicht sechzehn geschätzt, geschlagen, fast geschändet, herausgezerrt aus dem wenigen, dass sie noch ihr Zuhause hat nennen können, hineingestoßen in die Arme eines Mannes, den sie nicht einmal kennt. Ein Pferdehändler, dessen Frau ein Kind trägt, sucht eine Dienstmagd? Für wen denn, für seine Frau? Doch wohl eher für sich, damit er etwas hat, das ihm das Bett wärmt, wenn seine Frau ihn hinausgeworfen hat. Aber er wird sich aufmachen und sie suchen, er wird sich Gewissheit verschaffen. Er hat Tenaros Blick gesehen, als er das kleine Holzpferd gefunden hat in den Trümmern des Bettes, er hofft immer noch. Vielleicht ist sie längst tot, zu Tode geschunden, verblutet im Kindbett, verdurstet in der Wüste, aber er wird sich Gewissheit verschaffen. Aber erst wird er noch etwas anderes tun. Metú kommt die Strafe der Mek’tain in den Sinn, es ist eine gerechte Strafe für das, was er vorgehabt hat, jeder Mek’ta denkt sehr genau nach, bevor er sich zu einer Frau legt, die ihn nicht will. Der Sohn des Heermeisters wird nicht mehr viel Verwendung haben für das Schwert zwischen seinen Beinen, da wo er hingeht. Aber es wäre zu leicht für ihn, er würde den Tag nicht überleben. Die junge Frau, der Tenaro seine Rettung verdankt, leidet seit fast drei Jahren unter dem, was der Heermeister und sein Sohn ihr angetan haben, sie werden jeden einzelnen Tag davon abbüßen. Metú ist ein freundlicher und sanftmütiger Mensch, wie er mit den Feinden seines geliebten Prinzen umgeht, steht nicht auf diesem Blatt geschrieben. Aber tot ist er nicht gewesen, als Metú ihn verlassen hat.
Nur fast, und am anderen Morgen ist Metú aufgebrochen. Er hat eine Nachricht an Tenaro geschrieben, in seiner steilen, fast kindlichen Handschrift. „Ich weiß, wo sie ist. Ich hole sie.“ Er ist kein Freund großer Worte. Er hat aus der Wachmannschaft zehn Männer ausgesucht, keine jungen, solche, die schon länger Soldat sind, abgehärtet gegen ein raues Leben, er weiß nicht, wohin der Weg ihn führt, wie lange sie unterwegs sein werden. Der Kurier, der seine Nachricht überbringt, kann in der Garnison der Residenz Bescheid geben, sie schicken dann Entsatz. Der wachhabende Kommandierende hat vorsichtig gefragt, der Gefangene am Block, seine Exzellenz hat ihn in seine Obhut gegeben, was soll denn jetzt geschehen mit ihm? Metú hat die Schultern gezuckt, er kann nichts mehr anfangen mit ihm, mitschleppen wird er ihn nicht, also nachfragen bei Ten... bei seiner Exzellenz. Er hat doch gesagt, er entscheidet heute, was mit ihm geschehen soll. Aber die Schale mit Wasser, sie bleibt stehen. Seine Exzellenz hat sie hingestellt, es ist an ihm, sie wieder fortzunehmen. Nur bitte dafür sorgen, dass sie immer gut gefüllt ist. Der Kommandierende hat Metú hinterher gesehen, als er sich auf sein Pferd geschwungen hat und an der Spitze der Männer aus dem Tor geritten ist, er schickt ein Stoßgebet zu Melak, dass er nie als Gefangener in die Hände des großen Mek’ta fallen wird. Er hat ihn lachen hören beim Morgenmahl, ein tiefes, dröhnendes, von Herzen kommendes Lachen, ein ansteckendes Lachen, wie er mit den Feinden seines geliebten Prinzen umgeht, steht nicht auf diesem Blatt geschrieben. Und die Schale, die vor dem Gefangenen am Block steht, sie werden sie nicht anrühren.
Sie reiten gemächlich, sie befindet sich jetzt seit fast drei Jahren in den Händen des Pferdehändlers, sie müssen die Pferde nicht mehr schinden für ihre Rettung. Und sie führen einen Wagen mit sich, vollgestopft mit Proviant und Futter für die Tiere, auch Metú hat den Zustand gesehen, in dem sich das Land befindet, sie werden wenig kaufen können unterwegs. Plättchen hat er genug, Tenaro hat ihm einen Kurier nachgesandt, er hat ihm eine Truhe gebracht, randvoll gefüllt mit Säckchen voll goldener, silberner und kupferner Plättchen. Die goldenen werden sie nur brauchen, wenn sie Ersatzpferde kaufen müssen, aber auch die silbernen und kupfernen werden ihre Mägen nicht füllen, es gibt einfach nichts, das sich dagegen eintauschen lässt. Und er hat ihm auch einen Brief von Kalá mitgebracht, sie ist wie er kein Freund vieler Worte. „Bring sie zurück. Er leidet.“ Ihre Handschrift ist winzig, sie hat es von ihm gelernt, damals als sie seine Frau geworden ist. Vor vierzehn Jahren, sie ist eine Mek’ta wie er, sie hat ihren Vater begleitet, als er Wolle an den Thain-Hof gebracht hat, und ist geblieben. Sie hat sich verliebt in den großen Beschützer des Prinzen, hat den Weg in sein Herz und in sein Bett gefunden, sie sind ein Paar geworden. Sie sind nicht verbunden, Mek’tain, die als Beschützer dienen, verbinden sich selten, aber er liegt nicht bei einer anderen, und er sorgt für sie. Tenaro weiß von ihr, er hat seinen Vater gebeten, sie mit dem Yen-Meister in die Residenz des Nun’thain zu schicken. Einsamkeit tut weh, er kennt es aus eigener Erfahrung. Metú ist ihm ein guter Beschützer, er ist ihm ein Freund geworden, er entgilt ihm damit die Liebe, die er ihm entgegenbringt. Er sieht sie manchmal mondelang nicht, aber Tenaro spürt, dass es ihm gut tut zu wissen, es gibt jemanden, der auf ihn wartet.
Sie reiten lange, und je weiter sie nach Norden kommen, desto leerer wird das Land. Sie treffen selten auf andere Menschen, die Dörfer und Ansiedlungen, durch die sie kommen, wirken wie ausgestorben. Die Bewohner fürchten sich vor ihnen, und noch sind nicht alle Männer zurückgekehrt, die die Presstrupps des Fürsten verschleppt haben. Es sind Boten durch die Dörfer geritten, sie haben verkündet, dass sie jetzt einen anderen Herrscher haben, einen Thain, und die Überwürfe seiner Soldaten sind gelb und rot. Ihnen haben sie zu gehorchen, aber für viele der Menschen, auf die sie treffen, ist es das erste Mal, dass sie sie sehen. Die Verwaltung der Bezirke ist noch nicht überall angelaufen, viele der Wohltaten des Nun’thain sind noch nicht angekommen bei ihnen, und sie können die Anschläge nicht lesen, die die Boten hinterlassen haben. Beth’narn ist ein vernachlässigtes Land gewesen. Das Land wird schnell zur Wüste, sie beginnt hier südlicher als auf der anderen Seite des Kalar’terla. Geröll und Sand, soweit das Auge reicht. Es gibt Oasen auf dieser Seite, sie reihen sich aneinander wie Perlen auf einer Schnur, manchmal nur einen Tagesritt voneinander entfernt, manchmal so weit, dass es gefährlich wird, wenn man nicht gut genug darauf vorbereitet ist. Romar hat Metú gesagt, ein Pferdehändler, der aus einer Oase weit im Norden stammt, die genaue Lage hat er ihm nicht sagen können. Sie werden sie abreiten müssen, eine nach der anderen, bis sie sie endlich gefunden haben.
Sie machen Halt in einer Handelsstation am Rand der Wüste, sie werden hier ein paar Tage verweilen, die Pferde sollen sich ausruhen und noch einmal satt zu trinken haben. Metú versucht, Proviant für sie zu kaufen, aber die Menschen haben selbst kaum genug. Er spricht mit dem Mann, dem die Handelsstation gehört, eine Oase, auf der ein Pferdehändler lebt, wo liegt sie? Er sagt es ihm, es ist die letzte vor der Unendlichkeit der Wüste. Aber er warnt ihn, der Ritt dorthin ist gefährlich. Die Reihe der Oasen zieht sich in einem Bogen hindurch, leicht versetzt nach Nordwesten, tagsüber können sie der Sonne folgen, nachts ist es ein großer Stern, der den Weg weist. Der Weg ist mit Stangen markiert, aber sie stehen weit auseinander und ihnen ist nicht immer zu trauen. Manchmal werden sie versetzt von den Bewohnern der Oasen, um Reisende ins Verderben zu locken, damit sie leichter ausgeraubt werden können. Es gibt Sandwirbel, in denen Mensch und Tier versinken, man kann sich nicht daraus retten, wenn man einmal hineingeraten ist. Es sind schon viele hineingeritten in die Wüste, und manchmal wenige zurückgekommen. Es gibt Leben in der Wüste, und es ist den Menschen nicht wohlgesonnen. Handtellergroße Skorpione, sie stechen schnell zu und ihr Gift tötet langsam und qualvoll. Man erstickt daran, und sie kriechen nachts gern unter die Decken der Schlafenden, um sich zu wärmen. Tagsüber ist es glühend heiß in der Sonne, aber nachts wird es oft sehr kalt, der helle Sand hält die Wärme nicht. Es gibt die kleinen schillernden Erdechsen, schon mancher hat versucht, sein Leben zu retten, indem er sie isst, aber ihr Fleisch ist nicht bekömmlich. Es löst Erbrechen aus, das verschlimmert den Durst, viele überleben es nicht. Und es gibt die Vipern. Die kleinen gelben, sie sind selten, aber tödlich, ihr Gift wirkt schnell. Binnen einer Stunde, und es ist kein schöner Tod. Und die langen braunen, ihr Gift tötet nicht, aber es zersetzt das Fleisch, man muss Bein oder Arm schnell abschlagen, wenn jemand gebissen worden ist, aber selbst das bewahrt nicht immer vor einem langsamen qualvollen Tod. Sie sind langsam und träge, man kann ihnen aus dem Weg gehen, aber manchmal liegen sie unter dem Sand verborgen, dann beißen sie zu, wenn man ihnen zu nahe kommt. Metú hat geseufzt, und kein Kan’to, der seine Klingen schneller zieht als eine Schlange zuschlagen kann. Sie werden vorsichtig sein müssen.
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