„Also ich kann es immer noch nicht fassen“ stotterte Richter „ich schlage vor, dass sich dieser feine Herr hier morgen vor den Betriebsräten und einigen ausgewählten Mitarbeitern erklären wird. Außerdem sollte der Amtsarzt anwesend sein.“
„Sehr gut, Sie“ sagte Frieder Bergmann scharf und nahm Dr. pol. Weiland in den Blick „finden sich morgen 10 Uhr im großen Beratungsraum ein und dann werden wir Sie in die Mangel nehmen, um das alles aufzuklären. Und vorher beseitigen Sie diese Schweinerei hier noch. Verstanden“ herrschte er Weiland noch an, dann verließ er zusammen mit Personalrat Richter den Raum.
„Bitte sagen Sie uns, dass das alles nicht wahr ist“ sagte Personalrat Baumann mit zitternder Stimme zu Frieder Bergmann „was Sie uns berichtet haben ist in seinem ganzen Ausmaß nicht zu ertragen. Unser Kollege Richter hatte uns bereits kurz einiges angedeutet, aber die ganze Sache ist ja viel monströser als wir jemals angenommen hatten. Wie haben Sie diese Situation denn überhaupt aushalten können?“
„Wissen Sie“ antwortete Frieder Bergmann „ich verstehe sehr gut, dass Personalrat Richter gestern zusammengebrochen ist, es war zu schlimm. Ja, es hat sich alles so zugetragen und ich möchte Herrn Richter heute schonen, nur wenn Sie an meinem Bericht etwas zu korrigieren haben schalten Sie sich bitte ein, einverstanden Kollege Richter?“
Dieser nickte nur schwach.
„Ihre Rücksichtnahme ist sehr beeindruckend Herr Minister“ meldete sich Frau Krüger, eine gut aussehende Frau aus dem Referat Öffentlichkeitsarbeit, zu Wort.
„Jetzt zu Ihnen“ wandte sich Personalrat Haufe an Dr. pol. Weiland „mir fällt es außerordentlich schwer das alles zu verstehen, wie Sie zu solchen Handlungen fähig gewesen sind. Es liegt ja völlig außerhalb des Vorstellbaren sich diese Situation vor Augen zu rufen, als Sie die …, ähm, ich schlage vor, dass wir die, die, ähm … in der Folge als „Masse“ bezeichnen, also als Sie die Masse auf dem Fensterbrett drapierten, wenn ich das mal so sagen darf. Was hat Sie dazu veranlasst?“
„Ich war es nicht“ sagte Dr. pol. Weiland mit schwacher Stimme „ich schwöre, dass ich die …. Masse nicht auf das Fensterbrett gelegt habe.“
„Das können Sie ihrer Großmutter erzählen“ erregte sich Frieder Bergmann „wer sonst sollte es gewesen sein?“
„Ich bitte zu bedenken, dass die .. Masse durchaus von einer höheren Etage aus auf das Fensterbrett meines Zimmers befördert worden sein könnte“ gab Weiland zurück „das sollte erst einmal untersucht werden. Es erscheint mir sehr logisch, dass irgendjemand aus der über meinem Zimmer liegenden Ebene dafür verantwortlich sein könnte.“
Frieder Bergmann bekam schlagartig kalte Füße und es blieb einen Moment totenstill.
„Wollen Sie damit etwa sagen, dass die .. Masse aus den Diensträumen des Ministers oder seines Sekretariats stammen soll“ fuhr Personalrat Richter Dr. pol. Weiland lautstark an „das ist ja eine ungeheuerliche Anschuldigung! Wissen Sie überhaupt, was Sie gerade behauptet haben? Ich bin fassungslos! Nur um Ihre Haut zu retten maßen Sie sich an, so einen Verdacht zu äußern. Sind Sie denn noch bei Trost?“
„Auch meine Empörung ist grenzenlos“ pflichtete Personalrat Haufe zu „bei mir setzt sich immer mehr die Auffassung durch, dass Sie nicht nur gern perverse Dinge treiben, sondern dass auch Ihr Denken von Perversität durchsetzt ist. Den Minister oder seine Büroleiterin oder die Sekretärin hier ins Spiel zu bringen beweist eindeutig, dass Ihnen einige Schrauben fehlen. Was sagen Sie denn dazu, Herr Amtsarzt Dr. Beyer?“
„Nun, man hat mir die Mappe mit der „Sammlung“ von Herrn Dr. Weiland zur Verfügung gestellt und ich muss schon sagen, dass hier von einer psychotischen Störung auszugehen ist. Was ich allerdings ausschließen kann ist das Vorhandensein eines „Fäkalkomplexes“, ähm, das möchte ich hier nicht näher erläutern, aber wer von Ihnen „Feuchtgebiete“ gelesen oder im Kino gesehen hat kann sich sicher etwas darunter vorstellen. Aus meiner Sicht ist Herr Dr. Weiland nicht in der Lage, mit der .. ähm Masse zu hantieren, da er nur seine gestörte Phantasie anregen will und nicht ….
Weiter kam er nicht, denn jetzt ergriff Frieder Bergmann hektisch die Flucht nach vorn.
„Herr Dr. Beyer, ich muss schon bemerken, dass mich Ihre Ausführungen sehr verwundern“ sagte er scheinbar ruhig aber suchte krampfhaft einen Weg, wie er sich noch aus der Affäre ziehen konnte.
„Ich schätze Sie als Amtsarzt außerordentlich, aber bei der Schwere des Vergehens ist doch wohl ein psychiatrisches Gutachten durch einen Fachmann erforderlich, um den Fall lückenlos aufklären zu können. Wie sagt man so schön: lieber eine zweite Meinung eines anderen Arztes einholen wenn man im Zweifel ist. Und so werden wir es auch praktizieren und die Sache bis dahin auf Eis legen. Ich kümmere mich persönlich um den Gutachter und werde alle erforderlichen Dinge selbst in die Wege leiten, das bin ich dem Betriebsfrieden unseres Hauses schuldig. Glauben Sie mir, ich platze fast vor Erregung und Wut ob dieser kaum fassbaren Anschuldigungen aber ich bin auch kein Unmensch. Sollte Herr Weiland noch einmal in Ruhe überlegen und seine Behauptungen zurück nehmen, will ich noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen, ihm eine Abmahnung aussprechen und die ganze Sache nicht an die große Glocke hängen.“
Bergmann hatte jetzt seine Strategie gefunden und baute diese jetzt Schritt für Schritt aus.
„Gehen Sie mal raus und warten vor der Tür bis wir Sie wieder hereinrufen“ blaffte er den verdutzten Weiland an, als dieser verschwunden war fuhr er fort.
„Sie werden sich jetzt sicher fragen, warum ich trotz der tief sitzenden persönlichen Verletzung so nachgiebig sein will. Es gibt mehrere Gründe dafür. Stellen Sie sich bitte vor, es sickert etwas von dieser Sache nach außen. Ich sehe schon die Schlagzeilen der BilderZeitung vor mir: “Leitender Angestellter im Ministerium spielt mit eigener …“ oder „Werden wir denn von Perversen regiert?“. Wollen Sie so eine Presse haben? Nein, natürlich nicht. Wir müssen diese Angelegenheit unter der Decke halten, unter den Teppich kehren und wenn ich es mir recht überlege, sollten wir den ganzen Vorfall unverzüglich zu den Akten nehmen, bildlich gesprochen natürlich. Niemand darf davon Wind bekommen. Und Weiland werde ich auch keine Abmahnung erteilen, wer weiß, was dann in diesem kranken Gehirn noch so passiert. Ich denke, dass der Mann ohnehin genug mit seiner perversen Ader gestraft ist, und warum soll ich ihn jetzt noch endgültig fertig machen? Auf einen schon am Boden liegenden Mann noch einprügeln? Ich halte es da mit dem Christentum, obwohl ich selbst nicht gläubig bin. Man muss auch verzeihen können, einem anderen einen Fehler nachsehen. Das ist für mich gelebte Menschenführung“ redete sich Frieder Bergmann jetzt in Rage „ja, es brodelt in mir wie in einem Vulkankegel der kurz vor dem Ausbruch steht und am liebsten würde ich handgreiflich werden, aber ich werde meine persönliche Betroffenheit in Interesse unseres Hauses und aller seiner Mitarbeiter ganz weit hinten an stellen. Ich sehe mich als Diener an unserem Volk und will und muss meine Mitarbeiter vor Anfeindungen schützen, deswegen spielen meine eigenen Befindlichkeiten in diesem Fall keine Rolle. Es kann nicht angehen, dass wir durch das fehlerhafte Handeln eines Einzelnen alle, ja alle, auch Sie, liebe Frau Krüger, in Verruf kommen. Das Wohlergehen meiner Mitarbeiter liegt mir sehr am Herzen und wenn es Ihnen, verehrte Anwesende, gut geht, Sie Ihre Arbeit gern verrichten, wir gemeinsam nach vorn blicken, dann, ja nur dann, bin ich glücklich!“
Es blieb eine ganze Weile still und Bergmann musste aufgrund seiner eigenen Ergriffenheit eine Träne unterdrücken. Unterdrücktes Schluchzen war zu hören, Frau Krüger weinte leise vor sich hin und auch Personalrat Richter wischte sich verlegen mit dem Taschentuch über die Augen. Dann sagte Frau Krüger mit zitternder Stimme:
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