„Wer sind Sie“ fuhr Weiland Bergmann an.
„Der Minister“ erwiderte dieser verblüfft.
„Wie bitte, der Minister ist Herr Trautwetter, was soll der Quatsch!“
„Ich bin Frieder Bergmann, der neue Minister!“
„Niemals, das hätte ich doch irgendwie erfahren“ beharrte Weiland auf seinem Standpunkt.
„Ich bin seit voriger Woche Minister“ wiederholte Bergmann stur und zeigte seinen Dienstausweis vor „diese Tatsache ist allen hier im Ministerium Angestellten per Mail vor 4 Tagen mitgeteilt worden, morgen findet eine Mitarbeiterversammlung statt auf der ich mich richtig vorstellen werde. Lesen Sie denn außerdem keine Zeitung?“
„Natürlich, aber nur die „Frankfurter Allgemeine“, einzig die genügt meinen intellektuellen Ansprüchen. Da gibt es keine Nachrichten aus unserer Region.“
„Und die Mail haben Sie nicht gelesen?“
„Ich lehne die Arbeit an einem seelenlosen Computer ab, das habe ich dem Minister gegenüber ganz klar zum Ausdruck gebracht, ich konnte also keine Mail lesen.“
„Und haben Sie denn in den letzten Tagen gar keinen Kontakt mit Ihren Mitarbeitern gehabt, die eventuell mit Ihnen darüber gesprochen haben?“
„Warum, die Leute gehen ihren Aufgaben nach, was soll ich mich mit denen unterhalten?“
„Noch einmal“ fragte Frieder Bergmann nach „Sie besitzen keinen Computer, wie können Sie dann die Aufgaben der Revision erfüllen, da sind doch eine Menge von Daten auszuwerten?“
„Machen meine Leute.“
„Und Sie?“
„Ich koordiniere die Tätigkeiten.“
„Aber wenn Sie mit ihren Mitarbeitern keinen Kontakt haben, wie soll das denn funktionieren?“
„Na bestens! Wir treffen uns einmal im Quartal und da gebe ich die Revisionsaufträge aus.“
„Zeigen Sie mal einen her.“
Dr. pol. Weiland ging widerwillig zu einem Schrank in dem ein einziger dünner Ordner stand und nahm aus diesem ein Blatt heraus, welches er Bergmann hinreichte. Dieser las, was Weiland handschriftlich vor 8 Wochen formuliert hatte:
„Kollege Adler, geh‘ n Sie mal nach einer Vorbereitungszeit von zwei Wochen zu den Leuten vom Referat III und stellen Sie fest, wie viel Klopapier dort in einem Monat in den beiden Herrentoiletten verbraucht wird.“
„Was soll das bedeuten“ wurde Frieder Bergmann laut „heißt das etwa, dass sich dieser Adler 4 Wochen dort rumgedrückt und die Klopapierrollen gezählt hat? Und was ist dabei überhaupt rausgekommen?“
„Kollege Adler hat sich tatsächlich 4 Wochen dort aufgehalten und die Daten erhoben. Welches Ergebnisse er ermitteln konnte weiß ich noch nicht, er wird seinen Bericht in ebenfalls 4 Wochen vorlegen und ich werde dann natürlich die entsprechenden Änderungen veranlassen.“
„Moment mal“ rechnete der erregte Frieder Bergmann nach „vor 8 Wochen erhält der Adler den Auftrag den Klopapierverbrauch zu ermitteln, dann stimmt er sich zwei Wochen auf die Revision ein, ist 4 Wochen vor Ort, bereitet dann die Ergebnisse in einem Zeitraum von 4 Wochen auf und legt sie dann hier vor?“
„Korrekt“ erwiderte Dr. pol. Weiland.
„Das ist nicht doch Ihr Ernst“ wurde Bergmann laut „ich erwarte Sie und diesen Adler übermorgen mit dem Revisionsbericht 11 Uhr bei mir im Büro. Und bringen Sie eine Liste der anderen laufenden Revisionsthemen mit.“
Wutentbrannt stürmte Frieder Bergmann über den Gang zur Tiefgarage, auf dem Weg dorthin pickte er den in einem Bereitschaftszimmer wartenden Horst Hempel – seinen Fahrer – auf und ging mit diesem zum Auto.
„Na, wie war der Tag heute für Sie Herr Minister“ fragte Hempel freundlich „viel Aktenstaub geschluckt?“
„Hören Sie bloß auf“ erwiderte Bergmann genervt „ich habe Dinge erlebt, die ich nicht für möglich gehalten hätte.“
„Da werden Sie sicher noch ganz andere Sachen kennen lernen“ lachte Hempel „man hört ja so einiges, wenn ich auf Sie warte.“
„Ich will heute nichts mehr davon wissen“ stöhnte Bergmann „mir reicht es. Übermorgen habe ich ein paar Leute einbestellt, denen ich dann ordentlich Dampf machen werde.“
Der Chauffeur setzte Frieder Bergmann vor seiner Haustür ab und dieser fuhr mit dem Lift zu seiner Eigentumswohnung hoch. Petra erwartete ihn schon und fragte gespannt:
„Na, wie sind die neuen Eindrücke?“
„Katastrophal, das hat meine schlimmsten Erwartungen bei Weitem übertroffen. Es ist nicht zu fassen, was da abläuft, und die Leute dort halten das offensichtlich für normal“ und er erzählte von seinen Begegnungen in der Behörde.
„Beruhige dich doch“ besänftigte ihn Petra „du kannst diesen Laden nicht ein drei Tagen umkrempeln. Geh‘ Schritt für Schritt vor, schaffe dir Verbündete die qualifiziert sind und was leisten, drücke allen eine Arbeitsanalyse auf und du wirst sehen, nach und nach wird es besser werden. Rausschmeißen kannst du die Typen ja nicht, sind doch alles Beamte, aber du kannst versuchen, ihre Arbeitsweise zu verändern. Sei nicht allzu grob sondern lobe auch für kleine Fortschritte. Du brauchst ein eingeschworenes Kernteam, und das werden vor allem deine Büroleiterin und dein Fahrer sein.“
„Wieso der Fahrer“ fragte der verblüffte Bergmann.
„Weil der oft auf dich warten muss und so viel Zeit hat, sich umzuhören. Baue zu ihm ein Vertrauensverhältnis auf. Wie schätzt du ihn ein?“
„Macht einen patenten Eindruck.“
„Na bitte, der Mann ist genau der richtige Partner für dich. Dann packst du die von dir heute Ertappten morgen erst ziemlich hart an, aber reichst ihnen dann sozusagen symbolisch die Hand, damit sie den Mist, den sie verbockt haben, aus der Welt räumen können. Du musst sie motivieren, sich verändern zu wollen. Ich habe schon mal zwei Sektgläser ins Schlafzimmer gestellt. Hol‘ doch die Flasche aus dem Kühlschrank, denn ich will mit dir auf deine zukünftigen Erfolge anstoßen.“
„Warum denn im Schlafzimmer“ fragte Bergmann erstaunt.
„Aber Frieder, verstehst du nicht?“
„Ach so, ich fühle mich total ausgelaugt nach diesem Tag, bin richtig schlapp und außer Form.“
„Das las mal meine Sorge sein, ich werde dich schon wieder auf Trab bringen, komm‘ jetzt endlich.“
Punkt 9 Uhr rollte der Audi A 8 in den Innenhof des Ministeriums und Frieder Bergmann sah noch darin sitzend, dass sich hinter den Fenstern Schemen bewegten, er wurde also erwartet. Hempel riss die Tür auf und grinste Bergmann breit an, dann stieg der Minister aus. Bergmann stapfte durch die menschenleeren Flure zu seinem Büro und seine Schuhe erzeugten auf dem Steinboden heftig nachhallende Geräusche. Die Büroleiterin, Frau Wenzel, und Frau Meyer, die Sekretärin, sahen ihn an aber sagten nichts sondern beugten sich wieder über ihre Akten. Bergmann nahm Platz, beschäftigte sich noch ein wenig mit den Vorgängen und rief unwirsch, als Frau Wenzel die Tür öffnete und Franke und Knöfel ankündigte:
„Sollen reinkommen.“
Frieder Bergmann hatte zwei Stühle vor seinem Schreibtisch aufgebaut, auf diese deutete er jetzt wortlos und die beiden Männer setzten sich hin. Als er voriges Jahr immer mehr in die Rolle des Kaleun geschlüpft war hatte er eine Zeit lang dessen harten und unbewegten Blick trainiert und brachte ihn jetzt wieder zur Anwendung. Franke und Knöfel konnten dem nur kurz widerstehen, dann senkten sie die Köpfe.
„Was haben Sie mir zu sagen“ fragte Frieder Bergmann knapp.
„Herr Minister, wir möchten uns für unser Fehlverhalten entschuldigen und Ihnen versprechen, dass so etwas nie wieder vorkommen wird“ erklärte Franke demütig und Knöfel nickte beflissen.
„Ist das alles?“
„Wie meinen Sie das?“
„Nun, ich hatte mir vorgestellt, dass Sie mit einigen Vorschlägen bei mir erscheinen, wie Sie die Effektivität Ihrer Arbeit erhöhen können“ knurrte Bergmann.
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