In der Mittagspause trank sie dann einen Kaffee mit Anna, die natürlich ebenfalls ihren Auftritt verfolgt hatte. Anna war so stolz auf Sophie! Sie umarmte ihre „Kleine“ und verdrückte sogar ein paar Tränchen vor Freude. Wie hatte Anna Sophie immer wieder motiviert? „Das Optimum muss zur Normalität werden!“ Beide wussten, dass sich alle Anstrengungen gelohnt hatten.
Christian war beeindruckt. „Na, dann gibt es heute ja wirklich einen Grund zum Feiern!“ Augenblicklich bestellte er zwei Gläser Sekt. „Ich freue mich so sehr für dich! Was für ein Tag! Lass‘ uns deinen Erfolg nun gebührend begießen. Das ist dein Tag heute! Ein Tag, den du nie vergessen sollst. Zum Wohl!“ Die Gläser klangen.
Sophies Augen leuchteten: „Ich danke dir so sehr! Aber nun ist der Christian an der Reihe! Wer bist du eigentlich? Woher kommst du? Was machst du?“ Sein Leben war schnell erzählt. Christian vergeudete nie viel Zeit mit der Vergangenheit. Weitaus ausführlicher beschäftigte er sich mit der Gegenwart. Ohne Ende konnte er von seiner Leidenschaft - der Schreinerei - berichten. „Das ist Kunst – oder besser – kann Kunst sein! Wie in jedem Beruf gilt auch hier: „Alles, was du mit Liebe tust, tust du gut! Und ich mache das Schreinern mit Liebe!“
Sophie gefiel diese Einstellung außerordentlich. Sie erkannte sich selbst in seinen Worten wieder. Bin ich nicht genau so?
Nach einer Tasse Kaffee zum Abschluss, meinte Sophie – sichtbar traurig – dass sie nun gehen musste. Natürlich wollten auch ihre Eltern noch den großen Tag mit ihr feiern. Mittlerweile war es schon 21:30 Uhr und Sophie ahnte, dass sie bestimmt schon zuhause vermisst werden würde. Christian war natürlich nicht sehr erfreut darüber. Doch er ließ sich nichts anmerken. So verließen sie das Restaurant.
Am Wagen angekommen, nahm Christian Sophies Hand und sagte: „Ich war schon lange nicht mehr so glücklich wie heute mit dir. Morgen soll die Sonne wieder scheinen. Hättest du denn Lust mit mir in die Isarauen zu fahren? Wenn ja, würde ich dich um 13:00 Uhr abholen. „Gerne, sogar sehr gerne, Christian. Lass‘ uns doch wieder vor dem Bühneneingang der Oper treffen, denn ich muss morgen früh erstmal noch ein bis zwei Stunden üben.“
Nachdem er sie vor ihrer Haustür abgesetzt hatte, wendete er, während sie an der Tür stand und ihm so lange nach winkte bis die Rücklichter des Käfers im Dunkel verschwanden. Leise summend rannte sie dann beschwingt die Treppen des Wohnhauses hinauf, in den dritten Stock. Ihr Herz jubilierte.
„Herzlichen Glückwunsch, meine Liebe, wir haben es schon von Anna erfahren. Nun hast du bereits dein erstes großes Ziel erreicht! Wir sind unendlich stolz auf dich, mein Kind.“
„Stellt euch vor, morgen früh bekomme ich meinen Vertrag für die komplette nächste Spielzeit. Ich bin so gespannt! Kann es kaum erwarten, fest zum Ensemble zu gehören. Ihr wisst doch, wie sehr ich mir wünsche, bald auf eigenen Füssen zu stehen!“
„Das wirst du auch, mein Schatz“, bekräftigte die Mutter, „aber lass‘ dir nur Zeit damit. Du bist doch noch so jung!“ Sophie zog ganz schnell die Augenbrauen hoch. Sie hatte es einfach satt, dauernd zu hören, dass sie ständig für irgendetwas zu jung war.
So fängt es immer wieder an
Samstag – ein prächtiger, warmer Morgen – bereits um 9:00 Uhr. Sophie öffnete die Tür zur Oper in euphorischer Stimmung, obwohl sie innerlich wirklich extrem aufgeregt war. Dinge, die sie selbst nicht in der Hand hatte, konnten sie schnell auch nervös machen. Auf dem Gang lief sie unversehens auch sofort dem Intendanten der Oper in die Arme: “Sophie, kommen sie gleich mit mir!“ Er legte seinen Arm um sie und führte sie in sein Büro. „Machen wir es kurz. Das, was sie gestern abgeliefert haben, war sehr gut. Aber ich erwarte von ihnen, dass sie diese Leistung auch permanent beibehalten und bestätigen. Für die kommende Spielzeit garantiere ich ihnen – unter diesen Bedingungen – ein monatliches Salär von 110 DM.“ Sophie bemühte sich, einen unkontrollierten Freudenausbruch zu unterdrücken. Das war ja viel mehr, als sie sich je erträumt hatte! „So, und jetzt fangen sie am besten gleich wieder mit ihren Proben an.“ Mit einem verschmitzten Lächeln öffnete er ihr die Tür seines Büros und geleitete sie nach draußen.
Christian erwachte früh, obwohl er wahrscheinlich erst gegen Mitternacht endlich eingeschlafen war. Sophie war in seinem Kopf. Nicht nur im Kopf. Sie war überall. Er hoffte, dass ihn ein kräftiges Frühstück mit Eiern, Speck und einem starken Kaffee wieder in die Spur bringen würde. Später holte er seine Badetasche heraus, packte die große Decke ein, seine Badehose, Wasser, Limonade und ein paar Brezen. Es sollte – ach was – es musste ein perfekter Tag werden!
Sophie stand schon am Eingang der Oper als er vorfuhr. Besonders hübsch hatte sie sich gemacht. Das geblümte Sommerkleid mit den feinen Spaghettiträgern betonte ihre makellose Figur.
„Guten Morgen, mein Lieber!“ Während Sophie ihren Beutel auf den Rücksitz des Autos warf, erzählte sie Christian natürlich sofort, was am Morgen schon alles passiert war. Spontan beugte sich Christian zu ihr ‘rüber und drückte ihr einen dicken Kuss auf die Wange „Ich freue mich so für dich!“ An der Isar, außerhalb von München, gab es eine prächtige Wiese, auf der auch einige alte Bäume Schatten spendeten. Außerdem war das Wasser tief genug, um richtig schwimmen zu können. Dorthin fuhr Christian.
Als sie einen kuscheligen Platz gefunden hatten, der ihnen beiden gefiel, machten sie es sich bequem. Lange schauten sie wortlos in den weiß-blauen bayrischen Himmel und konnten ihr Glück kaum fassen. “Wovon träumst du, Christian?“ „Ich lebe meinen Traum, Sophie! Ja wirklich, nachdem ich Wien verlassen habe, hatte ich einen Plan, den ich mir, wie du weißt, beruflich bereits erfüllt habe. Natürlich ist das nicht alles. Ich finde, es gibt Dinge die man einfach nicht planen kann. D I C H konnte ich zum Beispiel nicht einplanen. Hier hat das Glück mitgespielt. Der Zufall! Wie immer du es nennen willst. Als ich dich da im Regen stehen sah, wusste ich sofort, dass du die Frau bist, auf die ich gewartet habe. Nachdem ich dich nun etwas näher kennenlernen durfte, bin ich ganz sicher, dass du die Frau bist, mit der ich mein Leben verbringen möchte. Und ich möchte nichts lieber, als der Vater deiner Kinder zu sein!“
Sophie war perplex. Doch sie wusste und sah in seinen Augen, dass Christian es ernst meinte.
„Deine Geschwindigkeit ist ja atemberaubend, Christian. Woher willst du das jetzt alles schon so genau wissen? Wir kennen uns doch noch gar nicht richtig.“ Nun schaute er ihr sehr ernst in die Augen. „Doch, ich kenne dich gut genug. Für mich bist du wie ein offenes Buch. Wenn ich mit dir zusammen bin, ist mir, als würde ich dich schon ewig kennen.“ Er nahm ihre Hand, küsste sie und hielt sie lange fest.
Sophie war inzwischen seinem Charme komplett erlegen. Alles ging viel zu schnell. Sie war kaum noch in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. „Komm, lass‘ uns schwimmen gehen, uns abkühlen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen – bitte, Christian!“
Die Isar war noch ziemlich kalt. Trotzdem hatten die beiden viel Spaß und tummelten sich im Wasser. Sophie ging zuerst hinaus – sie hatte schon ganz blaue Lippen. „Komm auch ‘raus, Christian, du holst dir sonst wirklich noch eine Erkältung!“ Als er auf sie zukam, warf sie ihm sofort ein großes Badetuch um die Schultern. Sein makelloser Körper beeindruckte sie, reizte sie. „Lass‘ uns was essen. Ich habe solch einen Hunger.“ Ein kleines Ablenkungsmanöver.
„Darf ich dich eincremen, Sophie?“ „Ja gerne.“ Bereitwillig drehte sie sich auf den Bauch und ließ sich von seinen sanften, inzwischen wieder warmen, Händen verwöhnen. Beide hatten sich ein Buch mitgenommen und begannen zu lesen. Doch niemand las wirklich. Stattdessen flogen die Gedanken zum anderen. Schließlich fielen ihnen die Augen zu. Als Christian als erster erwachte, betrachtete er sie beim Schlafen. Umwerfend – dieses Profil, die langen Wimpern, der süße Mund, die klare Haut. Entspannt und glücklich wirkte sie. Dann öffnete Sophie die Augen und blickte in Christians lächelndes Gesicht. „Mein Gott, bist du schön, Sophie!“ „Du alter Charmeur!“ Schnell schlang sie ihre Arme um ihn und küsste ihn lange und intensiv. Mitten in der Umarmung flüsterte er zärtlich: „Ich liebe dich, Sophie!“ „Ich liebe dich auch, sehr sogar, Christian!“
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