„Du meine Güte, Fee, channelst du Ela?“
Fee hatte gelacht.
„Ich muss lernen! Ich hab keine Zeit! Mein Leben ist furchtbar und ich hab keinen Freund!“
Schlotte hatte vor Lachen nach Luft schnappen müssen.
„Jepp, klingt wie Ela.“
Fee grinste.
„Nein, ernsthaft, ich hab noch einiges vor mir für dieses Referat.“
„So viel warst du im ganzen letzten Jahr nicht in der Uni.“
„Ja, wenn ich nicht aufpasse, werd ich noch Archäologin.“
„Gib’s doch zu, du willst bloß dem Maler hinterhersabbern.“
Fee war in helles Lachen ausgebrochen. Schlottes aufmerksamen Augen entging aber auch nichts. Also hatte sie bemerkt, dass Fee ihren Dozenten interessant fand. „Ja, ich kann’s selbst nicht verstehen, aber das Thema macht mir echt Spaß. Würd ich mir aber auch nicht glauben, wenn ich du wäre, dafür sieht der Maler einfach zu gut aus. Ist echt peinlich.“
Außer Fee saßen noch Raphael und Florian, ein Nebenfächler, der auch einen nicht allzu weit entfernten Referatstermin in Duhlers Mittelseminar hatte, im Arbeitsraum und lasen Aufsätze für ihre Themen.
„Dein Scanner macht ätzende Geräusche“, maulte Florian.
„Tut mir leid“, sagte Fee, „aber das ist nicht mein Scanner, der gehört dem Institut.“
„Das weiß ich. Nervt trotzdem. Dabei kann ich nicht denken.“
„Hör auf zu jammern“, sagte Raphael, „lass uns eine rauchen gehen.“
Die beiden Jungs griffen sich ihre Jacken und verließen den Arbeitsraum. Fee warf einen Blick auf die kleine Uhr am unteren Bildrand ihres Laptops. Sie rauchte zu viel. Es war viertel nach eins. Vor zwei Uhr rauchte sie keine Zigarette.
„Ach, Frau Maiwald!“ rief jemand hinter ihr und Fee drehte sich um. Herr Maler stand in der Tür und sah sie an, er trug einen schwarzen halblangen Mantel über dunkelblauen Jeans und ein Grinsen im Gesicht, das Fee selbstgefällig erschien. „Sie arbeiten. Wie schön!“
„Was haben Sie denn gedacht“, antwortete Fee genervt, „dass mir am Dienstagabend einfällt, oh, ich halte ja morgen ein Referat, und dass ich dann irgendwas aus dem Internet vortrage?“
Herrn Malers Grinsen veränderte sich um eine Nuance und Fee riss den Mund auf. Genau das hatte er gedacht!
„Sie haben gedacht, ich bin eine von denen, die vor der Stunde sagt, dass sie’s nicht geschafft hat. Oder die gar nicht erst auftaucht!“
„Liebe Frau Maiwald, Ihnen so was zu unterstellen, läge mir völlig fern!“
„Natürlich haben Sie das gedacht! Für wie verpeilt halten Sie mich denn?“
„Es ist doch das erste Mal, dass Sie in einem meiner Seminare sitzen, woher könnte ich denn einen solchen Eindruck von Ihnen haben, Frau Maiwald?“ Er kam mit ein paar Schritten auf sie zu. „Ah, Sie benutzen die Monographie von Sandulescu.“
„Natürlich“, sagte Fee und versuchte ihre Stimme arrogant klingen zu lassen, „es ist das Neueste, was über die Cucuteni-Tripolje-Kultur publiziert wurde. Hab ich mir aus der UB geliehen, schon letzte Woche.“ Der Mann traute ihr ja überhaupt nichts zu!
Herr Maler nickte beeindruckt.
„Die Abbildungen überarbeiten Sie aber noch, oder?“ Er deutete auf die letzte Karte, die Fee gescannt hatte, und die auf ihrem Bildschirm noch geöffnet war. „In der Qualität können Sie sie für eine Power Point Präsentation nicht verwenden.“
„Natürlich“, sagte Fee ätzend. Als ob ihr das nicht klar wäre. Was man sich bieten lassen musste! Arroganter Sack.
„Ihre Uhr geht übrigens vor. Sechs Minuten.“
„Das weiß ich.“ Herr Maler sah sie an und Fee verstand, dass er annahm, da sie es wusste, müsste sie es ändern. „Das hab ich absichtlich so eingestellt“, erklärte sie. „Damit ich, die Busse kriege. Wenn ich am Laptop sitze und losmuss, dann schaff ich das noch, dadurch dass meine Uhr vorgeht.“
Fee fand das vollkommen logisch. Herr Maler jedoch sah sie einen Augenblick verwirrt an und lachte dann mit einem Mal. Laut und herzlich; er sah sie an, als hätte sie etwas unglaublich Komisches gesagt, und verließ dann den Arbeitsraum.
Fee sah ihm nach.
Kurz darauf kamen Raphael und Florian von ihrer Raucherpause zurück. Sie arbeiteten weiter und der Nachmittag verging. Gegen halb vier holte sich Fee ein belegtes Brötchen vom Bäcker. Ihre Absätze hallten auf dem Flur des menschenleeren Institutes wider und Herr Maler warf die Tür seines Büros zu. Fee lächelte zufrieden.
Als sie wiederkam, holten die Jungs ihre mitgebrachten Brote heraus. Raphael, der eine Stelle als Hilfskraft hatte, und deshalb einen Schlüssel zum Sekretariat besaß, kochte eine Kanne Kaffee und gemütlich machten sie eine Pause. Draußen lief der Regen an den Fensterscheiben hinab und Fee lachte laut über eine Geschichte, die Florian erzählte. Daraufhin erschien Herr Maler in der Tür, bat sich auf die ihm eigene charmante Art Ruhe aus und donnerte die Tür zu. Fee zog eine Grimasse, Florian schüttelte den Kopf und Raphael schüttelte den Kopf.
„Spinnt der?“, donnerte er. „Darf man nicht mal mehr lachen?“
„Du hast aber auch ’ne… herzliche Lache.“, sagte Florian zu Fee.
„Ich hab ’ne laute Lache, das weiß ich“, grinste Fee und zuckte mit den Achseln. Sie genoss ihre Pause viel zu sehr, als dass sie sich jetzt darüber Gedanken machte, dass Herr Maler sie angeschnauzt hatte.
Als sie ihre Brote gegessen hatten, rauchten sie eine Zigarette aus dem Fenster und tranken ihren Kaffee aus. Dabei war Fee lieber leise, denn sie wusste, dass Herr Maler wirklich Ärger machen würde, sollte er sie dabei erwischen. Danach wandten sie sich wieder ihrer Arbeit zu und nach einigen Stunden schließlich packte Fee ihre Sachen zusammen.
„Ich kann nicht mehr“, verkündete sie, „wie lange wollt ihr noch bleiben? Es ist schon halb sieben.“
„Was, echt?“, fragte Raphael überrascht, „dann geh ich auch.“
„Ich auch“, sagte Florian.
In Herrn Malers Büro brannte kein Licht mehr, offenbar waren sie die Letzten. Raphael machte das Licht aus und schloss die Institutstür ab. Dann jedoch stellten die Drei fest, dass die Außentür verschlossen war.
„Schließ sie halt auf“, sagte Fee.
„Das kann ich nicht“, antwortete Raphael, „ich kann das Institut, die Bibliotheksräume und den Arbeitsraum aufschließen. Und das Sekretariat. Aber nicht die Außentür oder die Büros der Dozenten.“
„Heißt das, wir sind eingeschlossen? Wer hat uns denn eingeschlossen?“
„Abends schließt die Uni die Türen ab. Ich dachte aber, sie kommen erst um sieben.“
„Und jetzt?“
„Einer von uns kann doch aus dem Fenster klettern“, schlug Florian vor, „und gucken, ob im Hauptgebäude noch jemand ist, der uns rauslassen kann.“
Während Raphael zum Hauptgebäude lief, saßen Fee und Florian auf den Tischen im Arbeitsraum und baumelten mit den Beinen.
„Aber der Maler hat sich rausgeschlichen“, stellte Florian fest, „der ist ohne einen Ton zu sagen gegangen.“
„Naja“, musste Fee einräumen, „der ist ja nicht dafür verantwortlich, dass wir rechtzeitig aus dem Gebäude gehen.“
„Trotzdem ein Sack!“
Fee nickte.
Raphael erschien am Fenster und zog sich aufs Fensterbrett.
„Ich hab niemanden gefunden!“
„Was?“
Raphael zuckte mit den Achseln und wischte sich Regenwasser aus den Augen.
„Und jetzt?“
„Es müsste ja eigentlich nur einer hierbleiben“, überlegte Florian, „ wir können ja schlecht abhauen und hier das Fenster offen lassen.“
Fee lachte.
„Bevor ich hier allein die Nacht in dieser total spannenden Bibliothek verbringe, isses mir, glaub ich, egal, ob die Bücher geklaut werden. So viel fühl ich mich dem Institut wirklich nicht schuldig, tut mir leid.“
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