So wurden die Constitute (Verhöre) geschlossen und Boos blieb den Winter über in Augsburg in seiner gemieteten Wohnung, unter dem Schutze des Herrn Generalvikar Nigg. Doch hatte er Stadtarrest vier Monate lang.
Da erweckte Gott einen Freund, den er Hans fürcht die nicht! nannte, weil er ihn als Arrestant überall aufsuchte und alle Tage besuchte, um ihm Briefe und Trost zu bringen. Dieser war Zeuge seiner Trübsal und Anfechtungen, aber auch seiner himmlischen Tröstungen, Freuden und Stärkungen, womit ihm der Herr in seiner Schwachheit zu Hilfe kam und ihn aufrichtete. Denn er war von Natur sehr zum Zorn und zum Kleinmut geneigt, und hatte oft damit zu kämpfen; wenn er aber durchgekämpft, seine Schwachheit erfahren hatte, und sich wieder vom Herrn getröstet und gestärkt fühlte, war er wie ein Löwe, der sein Leben nicht zu teuer achtete, es für den Herrn hinzugeben. „Gott Alles,“ sagte er, „und der Mensch nichts.“
Dieser genannte Freund hatte das Glück, wie er schreibt und die Gnade, ihn und den damals zugleich verfolgten Boos aus der Konstanzer Diözese, aus dem größten Gedränge innerer Leiden und Anfechtungen herauszureißen, und sie mit Worten der Schrift fröhlich machen, die ihm zur rechten Stunde für die Betrübten gegeben wurden, und die er ihnen im zuversichtlichsten Glauben vorhielt. „So stehts geschrieben,“ sprach er zu den leidenden und verfolgten Brüdern. „Das musste euch widerfahren, wenn ihr wahre Christen und Nachfolger Jesu und der Apostel seid. Ihr müsst als Auskehricht und Auswurf der Welt geachtet werden. Haltet euch für selig darin, wie Jakobus, Petrus, Paulus, David und die Propheten.“
Dieser Freund wagte sich auch für sie überall hin, zu den Obrigkeiten, zum Generalvikar und den anderen Räten, um ihnen ihr Schicksal zu erleichtern und ihnen das Wort zu reden. Er fürchtete sich vor keinen von ihnen, obwohl er immer selbst auf seiner Grube ging. Wenn der Generalvikar Nigg fragte, warum er sich dieser Leute annähme? antwortete der Unerschrockene: „Ich muss für sie sorgen, weil es mein Berufsgeschäft ist, weil ich Seelsorger bin und sie in meinem Seelsorgs-Bezirke sind. Ich tue nichts, als was die Nächstenliebe gegen Jedermann von mir fordert.“ Der Generalvikar klopfte ihm auf die Achsel und sprach: Sie haben Ihre Schuldigkeit getan.
Boos selbst konnte seine Unerschrockenheit nicht begreifen, da er selbst weit furchtsamer war. Er bekannte ihm: Du bist mir wahrhaftig ein homo missus a deo, ein Mensch von Gott gesandt, Joh. 1,6, ein „Hans fürcht die nicht.“
Derselbe Mensch, der dem gefangenen Boos in Augsburg also diente, und von Gott zum Troste erweckt und geschenkt war, kam nach 15 Jahren, da Boos wiederum zu Linz in Österreich in einer ähnlichen oder noch schlimmern Lage war, auch durch Gottes Fügung wieder in die Gegend von Linz und wurde dem daselbst Verfolgten und Gefangenen von Gott gesandt, wie er es ihm in Augsburg war. Er suchte und fand auch dort Gelegenheit, dem Gequälten Trost und Hilfe zu verschaffen, ging wieder ungescheut zu seinen Richtern, um für ihn zu sprechen und sich seiner anzunehmen.
Wie ward Boos wieder entlassen?
Der mildere Generalvikar Nigg, der den Gefangenen achtete, und ihm manchmal einen Dukaten oder einen Louis d’or in die Hand drückte, mit dem Verbote, es ja dem Fiskal nicht zu verraten; Nigg, dieser Gamaliel, hätte ihn, wenn er gekonnt hätte, gern ganz gerettet. Aber da er sah, dass nach dem leidenschaftlichen Verfahren des Fiskals, der dem Bischof und Kurfürsten Clemens Wenzeslaus immer in den Ohren lag und selbst den Generalvikar bei ihm verdächtig machte, kein Friede für den Verfolgten und Verhafteten in dieser Diözese zu erwarten sei, so riet er ihm selbst, weiter zu gehen, um die Aufnahme in einer anderen Diözese nachzusuchen, und wenn er diese erhalten hätte, um seine Dimission [Abberufung] einzukommen.
Boos befolgte diesen Rath des Generalvikars, suchte und erhielt durch Empfehlungen eines berühmten und teilnehmenden Freundes (der sich in allen seinen Verfolgungen treu und ernsthaft seiner annahm), die Zulassung in die Linzer Diözese in Ober-Österreich, unter dem Bischof Joseph Anton Gall.
Er reiste den 29 oder 30. April 1799. in einem Schiffe auf dem Lech von Augsburg (in Gesellschaft eines andern verfolgten und verjagten Geistlichen aus der Konstanzer Diözese), von den Tränen und Segenswünschen seiner Freunde begleitet, ab.
Generalvikar Nigg gab ihm noch mündlich dieses schöne Zeugnis mit: Ihr seid formaliter Sancti, wenn ihr gleich materialiter fehlgegriffen hättet. (Siehe Fenebergs Leben S. 179. 180.)
Cornelius schrieb vom 30. April 1799. von Canstein: „Heute früh hat Silas unsre wandernden Abrahams, denen der Herr befahl, dass sie ausgehen sollen aus ihrem Vaterlande und aus ihrer Freundschaft, und aus ihres Vaters Hause in ein Land, das er ihnen zeigen will, 1.Mos. 12,1, an Port begleitet. - -
Während Boos auf der Donau schwimmt, wolle der Leser Folgendes betrachten:
(Aus dem Briefe eine Freundes.)
Es ist aus der Geschichte erwiesen:
1. Dass oft mancher gottselige und leuchtete Mann, sowie Jesus und seine Apostel selbst, unschuldig verketzert und verfolgt wurde.
2. Dass die Vorsteher der Kirchen, Bischöfe, Hirten und Lehrer oft selbst sehr arge Verfolger der wahren Christen gewesen und viel Unheil und Spaltungen angerichtet haben.
3. Dass in den Schulen und auf den Lehrkanzeln meistens zanksüchtige Leute, die Gottes Geist nicht gehabt haben, standen, teils auch unbedachtsame Jünglinge, falsche Brüder, denen der zeitliche Nutzen, Herrschaft, Ehre, Wollust oft mehr am Herzen lagen, als die Wahrheit, Christus und das Seelenheil der Menschen.
4. Dass die Kirche unter dem Kreuze allezeit am schönsten geblüht, und niemals die größte Menge, niemals die Verfolgerin, sondern vielmehr die kleine Herde und die Verfolgte gewesen (ecclesia pressa, non premens, vera est).
5. Dass die antichristliche Kirche jederzeit ihr Werk gemacht, und ihr Heiligtum gesetzt in äußerlichen Dingen, Bildern, Schatten und bei solchem Dienste, womit sie als eine Hagar etwas zu verdienen gesucht, die freie Sara gehasst und verfolgt hat. Gal. 4.
Kennzeichen der Rechtgläubigen.
1. Sie rühmen sich keines Lehrers, als nur Jesu. Es heißt nicht: Ich halts mit Apollo, ich mit Petrus, ich mit Paulus, 1.Kor. 3.
2. Sie haben Ein Herz und Eine Seele - Einen Sinn und lieben einander. Apg. 4,32. 2,44. 1.Joh. 3,11.14. 4,7.
3. Sie teilen mit einander ihre leiblichen und geistlichen Güter. Apg. 2,44f. etc.
4. Sie verdanken ihre Gerechtigkeit und Seligkeit Christo; sind in Adam große Sünder, und werden und wandeln gerecht in Christo, und wie Christus 1.Joh. 2,29. 3,3. 7. 4,2f.
5. Sie schreiben sich nur das Nichts und die Sünde zu, sie mögen noch so lange leben und gerecht sein und Gutes tun. Joh. 15,5. 1.Kor. 15,9.
6. Wenn man einen von ihnen fragte: Woher weißt du, dass du in der wahren Kirche bist? So müsste er antworten von Grund des Herzens: 1) Weil ich an Christus hänge, Joh. 15,15, 2)seinen Geist empfangen habe, 1.Joh. 4,13. 3,24. Röm. 8,9. 14-17. 3) sein Gebot halte und die Brüder liebe. 1.Joh. 3,14. Joh. 15,12. 14,21.
Alle Theologen mögen mit ihrem bloßen Wissen die letzte Frage nicht so gut auflösen, wie sie mir eben ein einfältiger Christ mit obiger, Antwort gelöst hat.
Ein öffentliches Zeugnis und eine laute Stimme für Boos unter den vielen, die gegen ihn sich erhoben.
(Aus der Felderschen Litt. Zeitung für katholische Religions-Lehrer Intelligenzblatt 1811. No. XIX.)
Da sich der Verfasser nicht nannte, will ich ihn auch nicht nennen; es ist auch nicht nötig, man erkennt ihn ohnehin, seine Sprache verrät ihn, wenn er den Mund auftut. Seine Stimme ist eine Stimme der Wahrheit. Darum soll sie nicht in der Feld. Litt. Zeitung begraben liegen, sondern wieder auferstehen und in der Geschichte Boos’s forttönen. Wer aus Gott ist, der hört uns. Der Verfasser darf mit 1.Joh. 4,6. sagen: Wer nicht aus Gott ist, der hört uns nicht.
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