14. Wenn man so eine Untersuchung gleich Anfangs gemacht hätte, so würde sie vielleicht was gefruchtet haben; es wäre nie so weit gekommen und unschuldige Leute wären nicht anderthalb Jahre so jämmerlich geplagt, beschädigt und verlästert worden. Aber jetzt werden die Leute nicht glauben, dass gar nichts hinter der Sache sei, bis der Pfarrer und die übrigen öffentlich von der Kanzel widerrufen - und das wird hart halten.
15. Ja das Los habe ich gebraucht, wenn ich mir nimmer zu raten und zu helfen wusste, und doch handeln sollte. Ich bete einfältig zu Gott, er möchte den Ausschlag geben, was ich tun soll. Ich habe keinen Aberglauben dabei, und kann mir keinen einbilden; die heiligen Apostel habens ja auch so gemacht.
16. Ich bin freilich kein Apostel; aber wenn ichs mache, wie sies gemacht haben, so ist das doch kein Aberglaube.
17. Was für ein Unterschied sei zwischen Taufe und Wiedergeburt? Ja, wenn ichs recht sagen könnte! Bei der Taufe, mein’ ich eben, braucht man Wasser und das Wort; bei der Wiedergeburt aber Buß und Glauben. Der heilige Geist muss überall dabei sein, sonst ists nichts. Wenns aber nach der Taufe wieder fehlt, und der Mensch von Gott abgekommen ist, so muss durch Buße und Glauben wieder geholfen werden.
18. Den Umgang mit diesen unschuldig verschrieenen und verlästerten Leuten kann ich nicht aufgeben; 1) weil man keine Ursache hat, mir dies zu verbieten; und wegen des kindischen, einfältigen, unbegründeten Verdachtes müsste man ja aus der Welt gehen, wenn Einem deswegen der Umgang mit Jemand könnte verboten werden. 2) Leiden das meine häuslichen Umstände nicht. Ich hätte mein Feld nicht bearbeiten, nicht ernten können, wenn mir diese Leute nicht geholfen hätten. Alle Andere verabscheuten mich und haben mich stecken lassen - ob ich sie gleich gebeten, halfen sie mir doch nicht.
Dieser gute Mann brachte die Inquisitoren durch sein offenes, unbefangenes Wesen und durch seine schnellen und naiven Antworten oft zum Lachen, und sie hatten Mühe, es zu unterdrücken. Fiskal M. (der hitzigste Saulus) wurde mehrmal gezwungen, zu bekennen: Ach es ist nichts, es ist Alles unbegründet, man hat umsonst großen Lärm gemacht. Man muss euch helfen; ihr werdet Ruhe bekommen. Von der Kanzel wird gewiss nichts mehr gemeldet werden.
Das geschah denn auch auf eine Zeit lang. Man ließ sogar durch den Ortshauptmann vor der Kirche ausrufen: Man hätte die Sache dieser Leute sehr streng untersucht und nichts gefunden, das Grund hätte; man sollte also diese Leute in Ruhe lassen, und ihnen keinerlei Vorwürfe, weder öffentlich, noch privatim machen, sondern sich friedlich, christlich und nachbarlich gegen sie betragen. Dies öffentliche Verkünden hatte gleich die Wirkung, dass noch am nämlichen Tage (welches vorher Jahrelang nicht mehr geschah) mehrere Personen indes obigen Mannes Laden kamen, sich freudig darüber bezeigten, dass er und alle Andern nun einmal aus den Leiden gekommen wären, und dies und das einkauften.
Allein der Friede dauerte nicht lange, wie der Welt-Friede auch wohl nie lange halten kann.
Fiskal äußerte sich über Boos: Er mag für sich sein, was er will, so ist doch gewiss, dass er Irrtümer gelehrt hat.
Der Herr Landschreiber, den er über den Pfarrer Lutzb. fragte, ob er auch an der Boosischen Sache Anteil habe? hat ihm geantwortet: Ich kann nicht in das Herz des Pfarrers hinein sehen. Fiskal: Er ist aber doch verdächtig? Landschreiber: „Das weiß ich wohl. Ich für mich aber wünschte, dass die ganze Pflege Sonthofen mit lauter solchen Leuten besetzt wäre.
Man war aber mit der Kommission des Fiskals in Augsburg nicht zufrieden; es sollte ein größerer Saulus, R., dahin, um Alles wieder von Neuem zu untersuchen; die Bücher sollten neuerdings durch ein Dekret eingefordert werden, usw.
Boos in Langenneufnach als Kaplan
Boos in Langenneufnach als Kaplan
Es war im Januar 1798, als Boos wieder zu seiner gänzlichen Freiheit gelangte, und Anfangs Februar, nach 8 monatlichem Gefängnisse und 11 monatlichem Stadtarrest wieder in die Seelsorge ausgesendet wurde, weil ihm sein Repetitor das beste Zeugnis gegeben hatte, seine Richter durch seinen Privatumgang milder geworden waren, und zwar so, dass sie ihm selbst gestanden und bezeugten, er: der beste, brauchbarste Geistliche in der Diözese. Daher eilten sie, ihn wieder anzustellen.
Die Wahl des Orts fiel auf Langenneufnach, etwa 6 - 7 Stunden von Augsburg, wo K. E. Koch, auch ein ehemaliger Kerkermeister, oder Direktor des Korrektions-hauses zu Göggingen, Pfarrer war. Diesem wurde Boos nun zur Aufsicht empfohlen, weil man ihm doch noch nicht ganz trauen und ihn nicht ohne alle Aufsicht lassen zu dürfen glaubte.
„Es ging mir,“ schrieb er, „wohl und gut bei diesem Koch - denn er ließ mich ohne Aufsicht.“ Allein nur Anfangs, er wurde bald wachsamer. In einem anderen Briefe schrieb er: „Das Stauden-Publikum (so hieß die Gegend: die Stauden) scheint meine Banden nicht zu wissen, oder nicht zu achten; es nimmt das Wort und die Sakramente reißend und ohne Scheu aus meiner Hand. Und der, wie man sagte, das Beichten abbringen wollte, ist beim Andrang des Volkes und der Geistlichen (in concursu) allemal der Letzte aus dem Beichtstuhle. Der Klerus, der Geißfüße entdecken wollte, wird sehr höflich, und hätte Lust, Götterfüße zu sehen. Aber weder dies, noch das, arme Sünderfüße ist unser Tragen.“
Er arbeitete daher in der Seelsorge wie zuvor, wie es folgende eigenhändige Briefe bezeugen; die er in Langenneufnach schrieb.
1.
Er schrieb den 14. Februar: „Ich bin nun nicht mehr in der Kanzlei zu Augsburg, sondern zu Langenneufnach in der Gesindestube. Sie hatten mich den 1. Februar als Supernumerar absque cura [Überzähligem ohne Amt] sehr sehr schmählich nach Weilheim dekretiert, da kam aber Kaufmann B. in derselben Stunde dazwischen, kaufte mich dem Herrn Generalvikar wieder ab, und verhandelte mich an den Pfarrer von Langenneufnach. Mutato loco et casu gaben sie mir die Curam [Aufsicht] auf unbestimmte Zeit, wie ich sie hatte. Bin also wieder, wie ich war, et vadam piscari (und gehe fischen). Schwer kann ich Dir in dieser Lage Dein Schreiben beantworten, denn wie und wo ich jetzt stehe, kann ich Dir nicht sagen. Mein Trost ist aber, dass ich gewiss weiß, so ists der Wille des Herrn, und seinen Willen erfüllen dürfen und können, ist Gnade und Labsal.
2.
Den 19. Februar schrieb er an Freunde in Augsburg: Ich befinde mich durch die Gnade des Herrn wohl, sehr wohl und habe den 18. Februar wieder das erstemal einen öffentlichen Vortrag ans Volk gehalten. Der Herr ließ sein Wort auf meiner Zunge gelingen, mein und meiner Zuhörer Herzen wurden bis zu Tränen gerührt. Es scheinen etliche gute Herzen hier zu sein, Herzen, die um ihr Heil bekümmert sind. Aber recht! Wenn auch nur Etliche den Heiland durch Glauben in ihr Herz aufnehmen und dadurch Kinder Gottes und neue Kreaturen werden. Bald werden wir wieder nach Jerusalem [Augsburg] kommen, um dort den Wein zu bezahlen den wir in Kommun mit einander getrunken haben (d. h. wir werden für die Geistesfreuden, die wir in der Gemeinschaft des Herrn genossen haben, wieder verfolgt werden). Doch wir wollen gern kommen, eingedenk der Worte, die mir S. R. einmal sagte: „Das Werk des Heilandes wolle mit Gebet, mit Tränen, mit Leiden, ja bisweilen auch mit Blut begossen werden.“ Nun ja, wenns nicht anders sein kann, wenns gelitten und gemartert sein muss, so kommen wir halt wieder. Dass ich schon wieder hiervon rede, ist die Ursache, weil ich als gebranntes Kind das Feuer fürchte, und weil mein Prinzipal, der gleich nach meiner Ankunft in Augsburg Fastnacht hielt, den Auftrag bekam, auf alle meine Worte und Schritte, und besonders auf meine Korrespondenz, ein wachsames Auge zurichten, was er fleißig zu tun versprochen und schon bewiesen hat. - Dies soll mir aber den Mut nicht nehmen, das Wort vom Kreuz zu verkündigen. Der Gekreuzigte ist doch König. Er wird uns schon durchhelfen. Vielmehr freuen wir uns, dass wir die Letzten in der Welt sein dürfen, die kein Recht darin haben, wie Andere. Joh. 15,18f. Betet nur, dass wir die Schmach Christi mit euch lieb gewinnen und deshalb nicht zurücktreten, sondern unser irdisches und sündliches Teil gern ans Kreuz heften und heften lassen, weil ja doch Fleisch und Blut das Himmelreich nicht erben kann. -
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