Dies sprach er, im Geiste der katholischen Kirche, mit allen erleuchteten Lehrern und Vätern, so klar, so bestimmt aus und bestätigte es mit seinem einfachen, frommen, gottseligen Lebenswandel auf eine so auffallende Weise, dass die zwei entscheidenden Früchte des apostolischen Predigtamtes nicht lange ausbleiben konnten: Die gründliche Bekehrung zu Gott, und die Seligkeit der Bekehrten in Gott - auf einer, und die Verachtung und der Widerstand der Nichtglaubenden auf der andern Seite.
Er, nicht achtend das Lob der Einen, und nicht scheuend den Tadel der Andern, predigte dasselbe Evangelium mit gleichem Mute fort, und traute es Gott zu, dass er die Wahrheit und ihn schützen werde.
Die durch ihn zur lebendigen Erkenntnis durchgedrungen waren, konnten ihn nicht hassen, und wollten ihre Seligkeit gern mit Andern teilen. Die sich an ihm ärgerten, und das neue Leben des alten Glaubens für eine neue Lehre ansahen, entfernten sich immer mehr von ihm und teilten ihre Bedenklichkeiten, ihre Angst, ihr Fürchten Andern mit.
Die mechanischen Christen, die am Buchstaben klebten, die scholastischen Christen, die am Begriffe hangen blieben, ohne den Geist des Christentums zu besitzen, verstanden weder seine Worte, noch seine Begriffe. Aber jene katholischen Christen, die ihre Religion geistig aufgefasst hatten und lebendig in sich trugen, fanden seine Worte und seine Begriffe mit der katholischen Lehre und selbst mit dem Ausspruche des Concilii Tridentini, einstimmig.
Da nun die Zahl der letzern wohl nicht die größte war, so geschah, was (wie jeder Kenner des menschlichen Seins und Wirkens ohne weitere Erörterung dieses summarischen Berichtes gar leicht begreifen wird) geschehen musste; es geschah, was laut aller Kirchengeschichten bei ähnlichen Erweckungen geschehen ist: dass nämlich durch schuldlosen Missverstand, durch frommen Eifer ohne Licht, durch mancherlei Bewegungen menschlicher Leidenschaften, die sich in das Spiel mischten, insbesondere durch Neid und Eifersucht derer, die etwas sein wollten, unzählige falsche Gerüchte ausgestreut, die ausgestreuten vergrößert und durch den Umlauf der vergrößerten Gerüchte mancherlei Herzen beunruhigt wurden; wodurch das bischöfliche Vikariat sich bewogen fand, die strengste Untersuchung über Boos Lehre und Leben vorzunehmen. Allein auch die strengste Untersuchung konnte weder gegen die Reinheit seines Glaubens, noch gegen die Lauterkeit seines Lebens einen bestechlichen Beweisgrund auffinden. Und so ward, bloß zur Stillung der aufgereizten Gemüter und zur Verhütung neuer Ausstreuungen ähnlicher Gerüchte, die feierliche Abschwörung der genannten Sätze beschlossen.
Soviel für Diesmal. Denn es verdiente dieser kirchenhistorische Gegenstand eine ausführliche, mit allen Dokumenten versehene Darstellung, die ihm bei besserer Muße wohl auch weiden mag.
Veritatem in Charitate. (Wahrheit in Liebe.)
Paulus.
Aus seinem Tagebuche vom Jahre 1803.
Aus seinem Tagebuche vom Jahre 1803.
1. Juli
Neulich besuchte ich eine alte kranke Kammerjungfrau, die einmal der Fürstin E... diente. Weil sie noch etwas fürstliche Hoffart in sich hatte, und ich den Krankenbesuch zwei Tage unterließ, so zankte sie mit mir am dritten Tage tapfer und bot mir den Rücken. Ich machte über sie das Kreuz und sagte laut: „Segnet, die euch fluchen. - “ Und ging zur Tür hinaus. Das ging ihr zu Herzen; heute schickte sie nach mir, und bat mich gerührt um Verzeihung. Und nun konnte ich erst zu ihrem Herzen kommen. Segnet die, die über euch, die euch ins Angesicht lästern, oder euch den Rücken kehren.
2. Juli
Wer sein Haus auf den Felsen gebaut hat, d. h. wer in Christo befestiget und mit seinem Christentum etwas in der Ordnung ist, über den muss bald ein Platzregen, ein Sturmwind, ein Prüfungstag kommen. Wenn nun dieser Windstoß das Haus nicht umwirft, so wird’s eben dadurch offenbar, dass das Haus nicht auf einem Sandhügel, sondern auf einem Felsen stehe. Da nun zur Zeit der Trübsal so viel Menschen um- und abfallen, so ist’s offenbar und erwiesen, dass das Christentum der Meisten Sandhäuser und Sandgebäude sind.
3. Juli
Zobo sagte heute am Bette eines Kranken: Wer das Reich Gottes sucht, dem ist von Christo verheißen, dass er am Erbreiche, am nötigen Unterhalt, nie Mangel leiden werde. Drum sag’ ich’s ja, fing jetzt der Kranke an: Ich Hab mich mein Lebtag gut aufgeführt, bin immer dem Beten nachgegangen etc., deswegen bin ich so reich geworden, usw. Diese Reden taten dem Zobo so weh, als wenn er Kalk essen müsste; es siel ihm nicht bloß ein, dass der selbstgerechte Pharisäer auf seine eigne Gerechtigkeit zufahre, wie die Katze auf die Maus, sondern er sagte geradezu: „Diesmal habe ich der Katze eine Maus vorgeworfen,“ Und er erklärte es dann auch.
4. Juli
Er hat uns zuvor geliebet, sagt Johannes. Das soll uns zur Gegenliebe reizen. Es gibt kein kräftigeres Mittel, zur Gegenliebe zu reizen, als wenn es heißt: Er hat dich längst schon geliebt und liebt dich noch. Christus, der eine Art Seligkeit in der Liebe zu uns Menschen findet, kann nicht zufrieden sein mit uns, wenn wir nicht nach- und entgegen lieben. Wir zerstören gleichsam seine und unsere Seligkeit.
5. Juli
Wer das Heilige exponiert (den Hunden und Schweinen vorwirft), muss das Lehrgeld bezahlen.
Ich habe nichts beizusetzen, als: Es ist gewisslich wahr.
6. Juli
Wenn der Kaiser uns durch seinen Sohn sagen ließe: Lieben Leute! Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und anziehen werdet, mein Vater weiß, was ihr bedürfet, er hat dergleichen Dinge genug, hat auch schon Anstalt getroffen, dass ihr damit versehen werdet. Seid nur darauf bedacht, dass ihr seinen Willen, die Gesetze des Reichs, erfüllet. Auf eine solche Botschaft würden Alle erfreut und beruhigt werden. Das Nämliche hat uns Gott durch seinen Sohn längst sagen lassen, und nur Wenige werden erfreut und beruhigt. Ein Zeichen, dass die Menschen weniger auf Gott, als auf den Kaiser vertrauen.
7. Juli
Erwecke die Gnade, die in dir; sagt Paulus zu dem Timotheus. Es scheint, die Gnade, die Lichtkraft, der Eifer, Mut, schlafe bisweilen im Menschen, weil sie Paulus aufwecken heißt. Wenigstens findet sich so etwas in mir. Öfters scheint alles Licht erloschen, aller Eifer erkaltet, aller Mut gesunken zu sein. Und das dauert oft 2 - 3 Tage. Auf einmal stellt sich Alles wieder ein; gleich als ob diese Dinge vorher geschlafen hätten und als ob sie jetzt vom Schlaf aufgeweckt worden wären. -
8.Juli
Eine Witwe von sechs Kindern schleppte heute ihren Sohn mit Gewalt in die Schule; als dieser unter der Schultür Zobo und den Lehrer erblickte, wollte er der Mutter davon laufen; diese griff ihn aber mit beiden Händen, stellte das große Kind mitten in die Schule hin, und sprach weinend zum Lehrer und zu Zobo: Helfen Sie mir diesen Jungen ziehen, er will mir nimmer folgen. Zobo stand auf und sagte: Ja, wir helfen dir, denn weil du deine Kinder in die Schule trägst, so verdienst du unseren Beifall und unsere Hilfe. Zum Jungen sprach er: Du fällst vor deiner Mutter auf die Knie nieder und küssest ihr zuerst den Fuß und dann die Hand. Der Junge fiel sogleich nieder und tat, wie ihm befohlen war. Jetzt musste er der Mutter danken, dass sie ihn zur Schule getragen hat, und sie und alle Kinder um Verzeihung bitten. Der Junge tat Alles ohne Widerrede. „Es ist noch nicht aus mit deinem Kinde,“ sagte jetzt Zobo zur Mutter, „er lässt sich ja noch im Gehorsam exerzieren, wie ein Rekrut.“ Sie ging getrost weiter.
9. Juli
Das ist ein vortrefflicher Gedanke vom Prof. S[ailer] (sagte Bert. öfter), dass er behauptet: Der Mensch könne seinen Verstand verstudieren. Dann fährt er weiter fort: Die meisten Gelehrten sind Narren und taugen nicht für die Welt, die sie vor sich haben; denn sie haben eine andere, nicht existierende im Kopfe, und können also der gegenwärtigen nichts nützen; und dies kommt bloß daher, weil sie immer in die Bücher, und nie in die Welt schauen (besonders nicht in die, die in ihnen ist).
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