1 ...8 9 10 12 13 14 ...22 Nachdem der Tisch abgeräumt war und der Kanzler sich eine seiner zahllosen Menthol-Zigaretten, die er täglich rauchte, angezündet hatte, wurde er auf einmal sehr ernst:
„Meine Herren, ich habe eine Frage an Sie: Kann es denn sein, dass wir uns immer wieder von diesem menschlichen Abschaum terrorisieren lassen müssen, dass wir immer nur reagieren können, dass immer wieder Menschen gefährdet werden, leiden und sterben müssen, nur weil ein paar kranke Köpfe dies planen?
Ich will keine prophetischen Worte aussprechen, aber was wir bislang an terroristischen Anschlägen von diesen Fanatikern gesehen haben, halte ich nur für die Spitze des Eisberges von dem, was noch auf uns zukommen wird. Diese Burschen, die das Ganze anstiften, sitzen im Hintergrund und kommen mehr und mehr auf den Trichter, wie einfach es ist, mit ein paar wenigen, vom religiösen Wahn eines weltweiten Islam besessenen Fanatikern, uns alle zu erpressen.
Es wird nicht mehr lange dauern, dann setzen sie chemische oder biologische Massenvernichtungswaffen gegen uns ein. Von dort wird dann der Schritt zur Verwendung nuklearer Sprengköpfe wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Es, mein lieber Wegener, gibt zwar Ihrer Truppe für die nächsten Jahrzehnte unerschöpfliche Aufgaben und wird sie zu einer Armee außerhalb unseres eigenen Militärs anwachsen lassen. Dies kann aber, und nicht nur aus Kosten- und Effizienzgründen, niemals unser aller Ziel sein.
Mir geht ein Zitat des irischen Schriftsteller und Dichters Oscar Wilde seit letzter Woche nicht mehr aus dem Kopf, nämlich „Es gibt nur etwas, das schlimmer ist als Ungerechtigkeit, und das ist Gerechtigkeit ohne Schwert. Wenn Recht nicht Macht ist, ist es Übel“.
Wir sind ein Rechtsstaat, wir haben in unserem Lande Gerechtigkeit, wir haben diese Macht. Jedoch verweigern wir uns feige dem Schwert und akzeptieren hiermit das Übel.
Aber unsere Verweigerung und unser Leben mit dem Recht als Übel wird solange fortdauern, bis wir uns selbst in die Lage versetzen, die Wurzel des Bösen bereits auszureißen, bevor die Pflanzen sprießen können.“
„Herr Bundeskanzler, ich kann Ihnen im Moment nicht folgen. Wollen Sie denn eine Änderung meiner GSG 9 Abteilungen?“ fragte ein sichtlich verunsicherter Oberst Wegener.
„Nein, nein, das will unser Kanzler nicht“, mischte sich jetzt Wischnewski ein, welcher die Zielrichtung der Worte des Kanzlers sehr wohl verstanden hatte.
Er nahm hierbei seine Brille vom Kopf, wischte seine dicken Brillengläser und der Schalk sprang ihm direkt aus den Augen.
„Helmut, Du hast doch gerade einen Gedanken im Kopf, den es nicht gibt in unserer Rechtsordnung, der nicht geht, der …?“
„Hans-Jürgen, wir kennen uns zu lange und zu gut: Ja, Du hast Recht, auch ein deutscher Bundeskanzler denkt manchmal Dinge, die nicht gedacht werden dürfen.
Aber, wenn Recht und Gerechtigkeit eines Tages unzweifelhaft an ihre endgültigen Grenzen kommen werden, müssen wir auch solche Gedanken uns nicht verbieten dürfen.
Unser Land weiß aus eigener, grauenhafter Geschichte, was geisteskranke Verbrecher an unvorstellbarem Leid über die Menschheit bringen können!
Wir müssen uns dagegen wappnen, auch wenn wir hier Wege gehen müssten, die, sagen wir einmal, unsere Rechtsordnung in eine Grauzone führen würden.“
„Ja, es war immer der Menschen Traum, das Böse bereits im Entstehen zu erkennen und, wenn notwendig, es bereits in diesem Stadium vernichten zu können“ murmelte ein auf einmal sehr nachdenklicher Wischnewski, aber, lauter werdend „in einem Rechtsstaat wird und muss es leider immer ein Traum bleiben.
Aber, weil irgendwann dieses heimtückische Morden ein Ende haben muss und ich den Wein wunderbar finde, Helmut, will ich heute Abend einmal mitträumen.“
„Nun“ klar denkend und pragmatisch wie immer, sagte Oberst Wegener “Ja, meine Herren, der Wein ist hervorragend, Herr Bundeskanzler, ich würde zu einer weiteren Flasche nicht Nein sagen.“
Dann, ganz ruhig setzte er hinzu „und auch ein alter Soldat kann einmal träumen.“
Jetzt wurde Oberst Wegener auf einmal sehr ernst und förmlich: „Herr Bundeskanzler, Herr Staatsminister, ich bitte Sie beide, den Rat eines erfahrenen Soldaten anzunehmen:
Meine Leute sind anständige Soldaten, sie sind Menschen! Was wir hier für unseren Traum bräuchten, sind jedoch skrupellose Mörder, denen bestehendes Recht, Menschen, aber auch deren Leben nichts bedeutet.
Die Personen müssten Zivilpersonen sein, eine kleine, wenn auch mörderische Truppe, die nur im Untergrund arbeitet; sie dürfen niemals weder wie Soldaten aussehen noch als solche zu erkennen sein, so wie dies bei den Leuten meiner GSG 9 niemals zu Verleugnen wäre.
Meine Leute sind gut, sie sind einmalig! Aber jeder, der sie sieht, weiß, was und wer sie sind! Die hier skizzierte Truppe darf weder so von soldatischer Ausbildung geprägt sein wie meine Leute, noch darf sie so gehorsam sein.
Sie müsste zwar von geeigneter, deutscher Stelle ihren Auftrag erhalten und sie dürfte niemals ohne einen solchen Auftrag handeln.
Aber sie müsste eigene Entscheidungen treffen können, wann und wie sie tötet; und nicht auf Befehle dazu warten müssen wie meine Leute; und es darf sie niemals, sei es offiziell oder inoffiziell geben.
Auch müssen ihre Mitglieder anständige Bürger Deutschlands sein. Denn sie würden irgendwann, auch wenn Deutschland sie niemals als eigene Bürger zu erkennen geben kann, den Schutz unseres Landes in Ausübung ihrer Tätigkeit benötigen. Wir hätten dann die moralische Verpflichtung, nein sogar den Zwang, ihnen zu helfen.
Aber meine Leute dürfen und würden nur anständige Bürger Deutschlands aus jeder Scheisse heraushauen, auch wenn diese Bürger die Scheisse selbst angerührt haben.“
Oberst Wegener hatte mit so manchem in seiner Ansprache recht; er konnte sich nur als Ehrenmann nicht vorstellen, dass Politiker niemals einer Rettungsaktion für eine solche Truppe zustimmen würden.
„Gut gebrüllt, Löwe, aber auch zur Kenntnis genommen“ sagte ein lächelnder Wischnewski, während er sich wieder emsig seine dicken Brillengläser putzte „Aber wie, lieber Wegener, wollen Sie in unserem Traum vermeiden, dass diese Truppe sich nicht selbständig macht und auch einmal ohne Auftrag arbeitet oder gar unser Land mit ihrem Wissen erpresst?“
„Ganz einfach, sie kommen dann auf die offizielle Fahndungslister der Bundesrepublik Deutschland als gesuchte, höchst gefährliche deutsche Terroristen, deren Festnahme durch die GSG 9 möglicherweise den Einsatz von Schusswaffen erfordern würde.“
Jetzt mischte sich der Bundeskanzler ein „Dies, lieber Wegener, sind leider nur hypothetische Gedankenspiele: Ihre Leute werden ohnehin niemals für einen solchen Einsatz angefordert werden.
Denn Deutschland hat keine solche Mördertruppe und wird nie eine haben. Und was es nicht gibt, dem kann auch nicht geholfen werden! Aber jetzt, meine Herren, lassen Sie uns noch ein bisschen weiterträumen.“
In den darauf folgenden Stunden wurde, während von den drei Beteiligten die Lächerlichkeit und Unmöglichkeit der Erfüllung eines solchen Traumes immer wieder betont wurde, eine winzige, schlagkräftige Untergrund-Einheit in der Theorie aufgebaut. Sie waren sich einig, so wie sie jetzt nur zu Dritt waren, durfte auch dieser Traum-Einheit nur maximal drei Mann betragen.
Es müssten auch diesem Traum alle nur erdenklichen Hilfestellungen, zu denen Deutschland fähig war, zur Verfügung gestellt werden und es dürfte keinesfalls jemals bekannt werden, dass es eine solche Einheit gab.
Sie kamen überein, dass die beste Tarnung wäre, wenn die drei Mitglieder der Gruppe deutsche Geschäftsleute wären, die auf Grund ihrer Tätigkeiten, ihres Berufsbildes, ihrer Produkte, den Wunsch der islamistischen Terroristen beförderten, von sich aus mit der Gruppe in Verbindung zu kommen.
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