Als er schlussendlich im Taxi vom Flughafen in die Stadt auf dem Weg zum Hauptquartier des FBI in Houston, 1 Justice Park Drive, saß, dachte er „wie blöde von mir, dieser Abidah wird wohl schon warten.“
Aber da er wusste, dass die Zentrale des Weißen Hauses ihn mit einer dringenden Nachricht des Präsidenten angekündigt hatte, war er sich sicher, dass Mr. Ismail Abidah in den Büros des FBI noch verfügbar sein würde.
Tatsächlich wartete dieser bereits in der Eingangshalle und sobald Colonel Young einer der vielen, wie in den USA so üblich, übergewichtigen Empfangsdamen seinen Namen genannt hatte, trat er auf ihn zu und begrüßte ihn mit erlesener Höflichkeit: „Colonel Young, mein Name ist Ismail Abidah. Sir, ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Flug und ich stehe voll und so lange Sie mich brauchen zu Ihrer Verfügung.“
„Donnerwetter“ dachte der Colonel, „der ist ja gar kein so hochnäsiger Politiker wie ich annahm“ und gab Abidah seine Hand, wobei er gleichzeitig sagte „Es ist gut, Sie kennenzulernen und wir sollten sofort in ein abhörsicheres Büro gehen. Nur Sie und ich, wenn ich darum bitten darf.“
Ein Lächeln huschte über das Gesicht von Abidah, während der antwortete: „Ich hatte nach Ihrer Besuchsankündigung des Weißen Hauses schon so etwas erwartet. Wenn Sie mir bitte folgen wollen“ und schweigend fuhren beide mit einem Lift in das zweite Untergeschoß.
In dem von Abidah bestellten Zimmer stand auf einer Konsole eine Thermoskanne mit Kaffee. Daneben waren Becher und ein Glasspender mit Milchpulver; auch warteten zwei Coca-Cola-Flaschen auf ihren Verzehr.
Young nahm sich einen der weißen Styropor-Becher, goss sich Kaffee ein und fügte eine kleine Portion Milchpulver dazu. Während er mit einem winzigen Papplöffel umrührte, sagte er, fast ruppig: „Setzen wir uns, der President will dass ich Ihnen eine Nachricht überbringe; diese Nachricht ist extrem wichtig. Die USA, ein Teil unserer westlichen Verbündeten, aber auch Russland befinden sich in einer gegenwärtigen und konkreten Gefahr.“
Ruckartig war das freundliche Lächeln des Mr. Abidah verschwunden und Young dachte “woher er wohl diesen Ausdruck kennt; dies ist eigentlich ein Armeeausdruck, der noch aus dem 1. Weltkrieg kommt?“ Aber dann fiel ihm wieder ein, dass Mr. Abidah Militärattaché gewesen war.
„Colonel, ich höre Ihnen zu“, sagte Abidah.
Nun berichtete Colonel Young von dem Telefonat des heutigen Morgens zwischen dem amerikanischen und dem russischen Präsidenten.
Während er erzählte, wurde Abidah manchmal ganz weiß und manchmal blutrot im Gesicht. Zum Schluss des Vortrages von Colonel Young entfuhr Abidah ein grauenhafter Fluch, gefolgt von den Worten „Diese dreckigen Schweine.“
„Wow“, dachte Young, „ich hatte ihn tatsächlich falsch eingeschätzt, der ist genauso wütend wie ich.“
Dass mit den „dreckigen Schweinen“ die russischen Vernehmungsbeamten gemeint waren, konnte er sich nicht vorstellen.
Abidah blieb nach seinem Zornesausbruch für fünf Minuten ganz still, und Young sah ihm an, dass er zutiefst in Gedanken versunken war. „Colonel Young, wie lauten die Befehle des Präsidenten für Sie und für mich“ kam dann, etwas überraschend, die erste Reaktion von Abidah.
Hierauf erklärte Colonel Young ihm zuerst, dass dies alles auf Wunsch des Präsidenten allerhöchste Geheimhaltungsstufe habe und dass keinerlei Tonaufzeichnungen oder Niederschriften angefertigt werden dürften.
Nach diesen Worten des Colonel stand Abidah unvermittelt aus, deutete mit dem Finger auf seinem Mund an, dass Young nicht weiterreden sollte und sagte „Colonel, es ist Zeit zum Abendessen, kommen Sie bitte mit mir. Ich kenne nicht weit weg von hier eine sehr gute Pizzeria, ich lade Sie ein.“ Dabei verließ er zielstrebig das Konferenzzimmer.
Young hatte gar keine andere Wahl, als ihm zu folgen und nach kaum dreißig Minuten Anwesenheit im FBI-Gebäude checkte er beim Empfang wieder aus und ging an der Seite von Mr. Abidah in Richtung der so empfohlenen Pizzeria.
„Was sollte denn das“ knurrte er, während sie in der immer noch sehr hohen Abendhitze des Frühherbstes in Houston den Pinemont Drive entlang liefen.
„Ganz einfach“ kam die lapidare Antwort „Ich wusste nicht, wie geheim die ganze Sache ist, sonst hätte ich Sie niemals im FBI Gebäude empfangen.
Die Sicherheit, dass hier auch abhörsichere Räume Ohren haben, liegt bei ungefähr 100 %.“
„Ah, hier sind wir schon“ und Abidah schob Young durch einen schweren Vorhang hinter der Eingangstür des kleinen, aber sehr schön eigerichteten italienischen Restaurants. Es war angenehm kühl im Lokal und weil es noch nicht einmal 19 Uhr war, bekamen sie sofort einen der freien Tische und erfreulicherweise auch noch in einer kleinen Nische, so dass sie wirklich ungestört waren.
Abidah bestellte bei der sehr hübschen Bedienung einen Vodka Tonic und Young entschied sich für einen Eistee. Als die Bedienung die Getränke brachte, bestellten die beiden sich jeder eine Pizza „nach Art des Hauses“ und prosteten sich zu.
„Jetzt können wir ungestört reden, hier hört uns mit Sicherheit niemand zu, also fangen Sie an zu reden und sagen Sie mir die Befehle des Präsidenten.“
Bei diesen Worten wurde Young auf einmal sehr militärisch und sagte mit dem ihm sonst auch üblichen Kommandoton, aber mit sehr leiser Stimme:
„Sir, ich überbringe Ihnen hiermit den Befehl unseres Obersten Befehlshabers. Sie haben unter Berücksichtigung der vorgenannten Auflagen unverzüglich in Vier-Augen-Gesprächen in dieser Angelegenheit als Koordinator des Weißen Hauses die notwendigen Maßnahmen direkt mit den drei Behördenchefs George Tennet von der CIA, Michael Hayden, NSA und Robert Mueller vom FBI, zu besprechen.
Alle drei Behördenleiter sind zu informieren, dass in den nächsten Tagen möglicherweise ein großer Angriff durch Al-Kaida auf die USA stattfinden wird, und dass ab morgen Mittag 12 Uhr EST (Ostküsten-Standard-Zeit) die höchste Sicherheitsstufe im gesamten Kontinentalbereich der USA anzuordnen ist.
Ebenso sind die drei Behördenleiter zu informieren, dass ein zusätzlicher und nicht nur die USA, sondern auch westliche Verbündete von uns sowie Russland betreffender Anschlag mit vielen Millionen Toten innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren, gerechnet ab heute, durch islamistische Terroristen, getragen von den Ländern Irak und Iran sowie der Al-Kaida, stattfinden wird.
Die vom Präsidenten ab morgen angeordnete höchste Sicherheitsstufe bleibt so lange bestehen, bis der Präsident persönlich deren Aufhebung befiehlt!“
Die beiden Männer besprachen die möglichen Szenarien noch so lange weiter, bis ihr Essen kam.
Dann meinte Abidah „Guten Appetit, Colonel. Ich glaube, es ist alles gesagt und ich werde den Präsidenten übermorgen über meine Gespräche mit Tennet, Mueller und Hayden informieren.“
Daraufhin begann Ismail Abidah in sehr freundschaftlicher Weise Colonel Young über seine eigene Zeit als Militärattaché zu erzählen und welche Bedenken ihm damals schon in Hinsicht auf den Missbrauch des Islam durch Terroristen gekommen waren.
Dann er erzählte über seine eigenen Kinder; auch dass sein Sohn gerade in Fort Bragg zum Infanterieoffizier ausgebildet werde; er wollte gar nicht mehr aufhören, sein ganzes Leben auszubreiten.
Nach zwei Stunden war Colonel Young weich geklopft und, um nicht unhöflich zu sein, erzählte er auch Privates, so auch von seinem uralten roten Ford Pickup und seiner fast missglückten Fahrt zu Andrews Airforce Base, wobei beide die Sache mit dem donnernden Auspuff witzig fanden.
Als Abidah dann fürsorglich fragte, wieweit es denn Young heute Nacht von Andrews nach Hause haben würde, dachte dieser einen Moment nach und sagte dann „Keine Ahnung, ich wohne Monroe Street, Ecke zur 13. Strasse im Brookland-Viertel.
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