Kapitel 10
Montag, 5. März 2001
Tuweitha/Baghdad
An diesem Tag begann in Tuwaitha, einem Vorort südlich von Baghdad, morgens um 8:30 Uhr auf dem örtlichen Friedhof ein großes Begräbnis, zu welchem fast fünfhundert tief verschleierte, trauernde Frauen und Männern in ihrer Dishdash, dem landesüblichen Gewand und der Ghutra, der nationaltypischen Kopfbedeckung, gekommen waren.
Nur fünf der Anwesenden waren zwar auch tief verschleiert, aber nicht zum Trauern gekommen. Diese verschwanden nach und nach einzeln und unauffällig in einem kleinen Haus direkt rechts hinter dem Friedhofseingang.
In diesem Haus stiegen sie eine Kellertreppe hinab; diese endete an einer schweren Stahltüre, hinter welcher ein unterirdischer, fast zwei Kilometer langer und betonierter Tunnel begann.
Der Vorort Tuwaitha beherbergte, fast unbemerkt von der irakischen Bevölkerung, die größte und gleichzeitig am besten abgeschirmte Kernforschungsanlage des Irak. Diejenigen Personen, welche dies wussten und darüber redeten, wurden umgehend von dem irakischen Geheimdienst, dem Mukhabarat, nachts zu Hause abgeholt.
Keiner dieser abgeholten Personen wurde übrigens jemals wieder gesehen.
Aber da alle Wissensträger diesen Automatismus zwischen Reden und dem Besuch der Mukhabarat kannten, war die Zahl derjenigen, die hier in den letzten zehn Jahren verschwanden, für irakische Verhältnisse nicht überwältigend groß: Die Schätzungen beliefen sich auf 750 bis 980 Menschen.
Zu dieser Forschungsanlage führte der Tunnel, und auf viersitzigen elektrischen Golfwagen wurden die Besucher durch den Tunnel zur Anlage gefahren.
Am Ende des Tunnels wurden sie von schwer bewaffneten Wachen in der Uniform der Republikanischen Garden, der Elitetruppe des Irak, erwartet und nach Passieren der den Tunnel auf dieser Seite verschließenden Panzertüre zu Fuß über zwei weitere, kleine unterirdische Gänge in einen großen, prachtvoll eingerichteten Raum geführt. Im Hintergrund des Raumes standen fünf Männer und fünf Frauen.
Jedoch an der Eingangstüre warteten bereits zwei Männer, ebenfalls landestypisch gekleidet, jedoch ohne Kopfbedeckung oder Verschleierung: Dies waren der für seine Grausamkeit und Unmenschlichkeit berüchtigte irakische Geheimdienstchef Barsan Ibrahim und der Saddam Hussein ergebene und willfährige Oberste Richter des Irak, Awad Hamed Al-Bandar.
Noch während diese ihre Gäste begrüßten, öffnete sich die Türe des Raumes erneut und Saddam Hussein, der über den Irak seit 1979 als Despot herrschende Staatspräsident, betrat den Raum.
Zum Erstaunen aller trug er keine Pistole, ohne die er sonst nie gesehen wurde, an seiner Seite. Ebenso sandte er seine sonst allgegenwärtigen Leibwächter, die ihn in den Raum begleitet hatten, hinaus.
„Allahu Akbar“ begrüßte er mit leiser Stimme die Anwesenden und alle anderen erwiderten „Allahu Akbar.“
„Ihr, meine Gäste, habt heute, nach mehr als sieben Monaten, in welchen unsere gegenseitigen Emissäre dieses Treffen aushandelten, mir die Ehre erwiesen, persönlich hier zu erscheinen.
Ich weiß, dass dies für meine Freunde aus dem Iran, aber auch für die Führung der Al-Kaida mit extremen Risiken und großen Beschwernissen behaftet war.
Ich freue mich sehr, dass wir heute und morgen die Gelegenheit haben unser gemeinsames Ziel, die endgültige, weltweite Durchsetzung des Islams zu erörtern. Es ist, nach mehr als dreizehnhundert Jahren, die Zeit gekommen, Allahs Willen zu erfüllen, unsere Erde von den unreinen Andersgläubigen zu befreien.
Möge unser Treffen der Beginn dazu sein und Mohammed, sein Prophet, uns den richtigen Weg weisen und uns allzeit begleiten.“
Dann bat Saddam die neu Angekommenen „zum Beweis unseres gegenseitigen Vertrauens“ die Verschleierungen und die das Gesicht verhüllenden Kopfbedeckungen abzunehmen, sich mit den auf Seitentischen abgestellten Erfrischungen zu bedienen und anschließend an dem großen, ovalen Konferenztisch Platz zu nehmen.
Seine Gäste kamen seinen Bitten nach, enthüllten freimütig ihre Köpfe und Gesichter, nahmen sich Kaffee, Kekse und Datteln, dann begaben sie sich zu dem Tisch.
Gewitzter Taktiker, der er war, setzte sich Saddam nicht, wie er es eigentlich immer gewohnt war, an die Spitze des Tisches, sondern nahm auf der einen Seite des Tisches in der Mitte Platz.
Dieses Zeichen der Bescheidenheit und damit der Würdigung der hohen Position seiner Gäste nahmen die Iraner und Osama bin Laden mit einem anerkennenden Kopfnicken zur Kenntnis; nur der Stellvertreter bin Ladens, Ayman al Sawahiri, blieb von dieser Geste unberührt, denn er erkannte den Schachzug und dachte „Nicht ungeschickt, wie sich dieser Sohn einer Hündin verhält.“
Als sich dann alle Teilnehmer gesetzt hatten, erhob Saddam Hussein seine Stimme erneut, sein Gesicht, sein ganzer Körper strahlten auf einmal eine ungeheure Intensität aus.
„Söhne Allahs, lasst mich zunächst formell die Delegation aus dem Iran, welche für diese Mission auf Wunsch des religiösen Oberhauptes und Oberstem Führers, Ayatollah Seyyed Ali Chamenei, heute anwesend ist, begrüssen und vorstellen:
Ayatollah Mohammed Jamshid und Mullah Ali Akbar Kaaveh, beide der hohen Geistlichkeit zugehörig, sowie Shaahin Ahmadinedschad, Cousin des Mahmud Ahmadinedschad. Ich meine diesen Mahmud Ahmadinedschad, welcher wohl in nicht zu ferner Zukunft Staatspräsident des Iran werden wird.
Desweiteren begrüße ich unseren saudischen Bruder Osama bin Laden, welcher „Al-Kaida“, die einzige und perfekte Organisation gegen die Ungläubigen in dieser Welt gegründet hat und führt; die Organisation, welche bereit und in der Lage ist auch unter höchsten Opfern den Kampf gegen diese Ungläubigen in die westlichen Länder zu tragen.
Begleitet wird er von dem Ägypter Ayman al Sawahiri, welcher als die Seele des Islamischen Dschihad gesehen wird.
Mit unserem Treffen heute ist etwas initiiert worden, was die westliche Welt, aber auch fast alle unserer moslemischen Brüder niemals für möglich gehalten haben: Sunniten und Schiiten sitzen vereint an einem Tisch und wollen ihre Auseinandersetzungen begraben, kooperieren in ihrem gemeinsamen Kampf gegen das Böse, gegen die Ungläubigen.
Auch, dass unsere Länder Iran und Irak den ausschließlich durch die USA und die Zionisten geschürten, gegenseitigen Zorn und Krieg jetzt in brüderlicher Zuneigung beenden wollen, zeigt die unermessliche Güte und Weisheit Allahs.
Wenn dann Al-Kaida noch ihre mächtige Hand der jetzt entstehenden Allianz leiht, werden wir es mit vereinten Kräften schaffen, endlich den Islam und sein Recht, die Scharia, über diese Welt zu verbreiten.
Durch al-Libi, den Emissär von Osama, habe ich erfahren, welcher wundervoller Angriff auf die Ungläubigen derzeit von Al-Kaida vorbereitet wird und dass Al-Kaida als mächtiges Schwert des Propheten hier unserer Sache beitreten wird, erfüllt mich mit großer Hoffnung.
Der Erfolg dieses Angriffes auf die USA, an welchem ich nicht zweifle, würde uns alle hier Versammelten noch besser in die Lage versetzen, einen zweiten, und dann vernichtenden, Schlag gegen die Andersgläubigen binnen 24 Monaten folgen zu lassen.
Denn der von Al-Kaida geplante Schlag gegen den großen Teufel, nämlich die Zerstörung des World Trade Center, des Pentagon und als donnerndes Finale des Weißen Hauses ist würdig des Gedankengutes, des Mutes des 10. Imam, jenes Imam Ali al-Hadi al-Naqi.
Wenn dieser stolze und kühne Plan umgesetzt ist, werden der böse Teufel USA und seine westlichen Verbündeten von Zorn und Angst geblendet sein. Und wir würden hierdurch in die Lage versetzt, in aller Stille und unbemerkt unsere Planung und dann die Durchsetzung des zweiten, die Welt der Ungläubigen unterwerfenden Schlages, durchzuführen.
Читать дальше