Er musste schon ziemlich tief im Dreck gesteckt haben und wahrscheinlich wären seine unlauteren und kriminellen Machenschaften demnächst aufgeflogen und die Bank wäre moralisch und finanziell ruiniert gewesen.
Ich beschloss diese Gegend zu verlassen, denn ich hatte grosse Mühe mit alledem psychisch fertigzuwerden. Im Weiteren befürchtete ich ein eventuelles Nachspiel für mich, denn es war da so viel schmutzige Wäsche angefallen, dass es leicht war, dass da jemand über das eine oder andere Stück stolpern konnte.
Es fiel mir sehr schwer mich von Corinne zu trennen.
Sie meinte dazu geheimnisvoll, dass wir beide nie heiraten würden, aber dass wir aneinander gebunden seien, für immer. Sie rede aber nicht vom wenig ruhmvollen Schmierenstück, das wir hinter uns hätten. Ich verstand sie nicht, aber das ist mein Problem, dass ich Frauen oft nicht oder falsch verstehe.
Die letzten Monate hatte ich Rosetta unterrichtet, damit sie die Aufnahmeprüfung an der Hotelfachschule schaffen würde. Und sie hat bestanden, mit „sehr gut“ sogar.
Ich hatte Francesca, ihrer Mutter versprochen, dass ich mich um alles kümmern werde.
Nun bat ich Corinne, dass sie für mein Wort eintrete und sich um die Kleine kümmern werde.
Sie musterte mich mit einem scharfen Seitenblick und meinte dann: „Na ja, „Kleine“ ist da wohl untertrieben, die Dame ist sechzehn, ein verdammt hübsches Weib, das sterblich verliebt ist in den Gärtner.“
Ich musste lachen: „Eifersüchtig? Aber nicht du?“
„Doch, und du solltest stolz sein drauf,“ erwiderte sie ziemlich spitz.
Als ich ihr dann noch erklärte, dass ich mein ganzes Geld dazu verwenden werde, der „Kleinen“ ihre Ausbildung zu finanzieren, das erste Schuljahr hätte ich schon bezahlt, da begann sie zu lachen und umarmte mich und flüsterte mir ins Ohr: „Du bist ein verrückter Kerl, du würdest unsere Bank in einer Woche ruinieren mit deinem Altruismus, aber ich mag dich so wie du bist.“
Sie versprach mir, dass sie dafür sorgen werde, dass Rosetta zu ihrer Ausbildung komme, aber ich musste versprechen mit der „Kleinen“ in Verbindung zu bleiben, „denn sie macht das alles für dich.“
Am nächsten Morgen brachte mir der Postbote ein gelbes Kuvert, ohne Absender, ohne Brief sondern mit einer Gewehrkugel drin. Aber ich war schon am Packen. Morgen in der Frühe würde ich lautlos verschwinden.
Auf diese Weise verpasste mich die Briefbombe, die am übernächsten Morgen unsern Fahrer Ali an der linken Hand verletzte.
Kurz nach Mitternacht sind wir losgefahren. Corinne hatte eine Bekannte irgendwo im „Limousin“, das ist eine gottverlassene Gegend irgendwo im französischen Zentralgebirge. Dort hinten konnte ich mich verstecken bis sich der Pulverrauch etwas verzogen hatte, denn ich hatte scheinbar eine böse Hundemeute auf meinen Fersen, die ich so abschütteln konnte. Mit Wehmut verliess ich Genf aber schon jenseits der Grenze begann ich mich auf mein neues Leben zu freuen und als wir, nach langer Reise, endlich am Ziel angekommen waren hatte sich mein Blick schon gespannt nach vorne gerichtet.
Der Abschied von Corinne fiel mir dann doch schwerer als ich geglaubt hatte, aber sie versprach mit mir in Kontakt zu bleiben, denn sie hätte noch eine wichtige Mitteilung für mich, eine Weihnachtsbescherung.
Mein Aufenthalt in der Bäckerei dauerte leider nicht sehr lange, immerhin lernte ich alle Geheimnisse der „Baguette“ kennen und das ist für einen Bäckergesellen in Frankreich wichtig.
Ich arbeitete bei einem Bauern in den Bergen, als ich Corinnes Geheimnis erfuhr, nämlich, dass ich am zweiten Weihnachtstag Vater geworden sei, aber eine Rückkehr nach Genf war mir zu riskant, denn dort war mein „Fall“ noch lange nicht abgeschlossen, weder von der Polizei, die immer wieder neue Hinweise erhielt, noch vom dunklen Hintergrund des Ex der offensichtlich meinen Untergang vorantrieb.
Die Rolle der Bank wurde überhaupt nie in Frage gestellt.
Manchmal wünschte ich wirklich ich hätte Saupatronen statt Schrotkugeln verwendet.
Wir hatten uns verabredet im Chalet der Familie irgendwo in den Savoyer Alpen in der dritten Februarwoche, Ich freute mich auf unser Wiedersehen, vor allem war ich gespannt auf meinen Sohn, der war ja bereits zwei Monate alt und ausser einem nichts sagenden Foto konnte ich mir das kleine Wesen nicht vorstellen.
Für Säuglinge habe ich nun mal nichts übrig, das schaut so zerbrechlich aus, man wagt sie kaum anzufassen vor Angst es könnte zwischen den groben Fingern Schaden nehmen. , Die kleinen Dinger sind meist hässlich, schreien viel und den Rest der Zeit schlafen sie.
Nun, lassen wir das.
Der Empfang in den Bergen stand unter keinem guten Stern. Dicker Nebel, dann Schneegestöber, rutschige Strasse und schliesslich verfehlte ich die richtige Einfahrt und mein Auto versank regelrecht im Tiefschnee.
Zu Fuss und schweissnass erreichte ich schliesslich eine Häusergruppe. Ich wurde nicht besonders freundlich empfangen, aber als ich sagte, wohin ich wolle, wurden die Leute überaus nett und hilfreich. Der junge Bauer fuhr mich dann mit dem Traktor zum Chalet, wo ich, tiefgefroren von Francesca, der Köchin herzlich in Empfang genommen wurde.
Ausser der Bedienung war noch niemand da, man erwartete Corinne erst am nächsten Tag.
Francesca steckte mich erst mal in ein heisses Bad und anschliessend ins Bett. Mir war hundeelend und die Welt drehte sich um mich herum.
Was hatte Francesca erzählt von ihrer Tochter? Sehr fleissig, hübsche junge Frau, sie spreche immer von mir, ob ich sie vergessen werde, Rosetta, Rosetta … wie sah sie eigentlich aus? Ich versuchte sie mir vorzustellen, aber ich sah eine Kugel, die sich mir näherte, Rosetta … Rose?
Nach einem heissen Punsch liessen die Gespenster von mir ab und ich schlief.
Als ich erwachte, sass Corinne an meinem Bett und hielt meine Hand. „Du hast ja recht hohes Fieber mein Schatz,“ hörte ich sie sagen. Ja, es war kein Traumgebilde.
Ich schloss die Augen für einen Moment, dann beugte sich jemand über mich, ich schaute um mich, es war Abend und ein Arzt untersuchte mich.
Er diagnostizierte eine starke Halsentzündung, verschrieb viele Medikamente und empfahl mir warme Milch mit Honig zu trinken. Ausgerechnet Honigmilch! Ich bevorzugte Francescas heissen Punsch, Glühwein mit Zimt und einem rechten Schuss Grappa.
Zwei Tage später war ich wieder auf den (wackeligen) Beinen. Mich fror trotz der Hitze im Raum und trotz all der Decken um mich herum.
Aber da war ja noch mein Sohn, ein wackerer Kerl wie mir schien, munter und interessiert schaute er in die Welt, nein, der war kein hässlicher Schrumpfkopf wie es die meisten Säuglinge sind. Leider konnte ich ihn nur aus der Ferne sehen, denn man wollte wegen meiner Erkältung kein Risiko eingehen, aber die Säuglingsschwester, die ihn betreute gab da schon acht.
Mit Corinne gab es viel zu besprechen. Sie hatte bei der Geburt mich als Vater angegeben und nun musste ich eine Menge von Papieren und Erklärungen unterschreiben und meine Vaterschaft bestätigen. Ich unterschrieb den ganzen Papierkram ohne ihn zu lesen, zum hellen Entsetzen von Corinne. Man signierte doch kein Papier ohne es vorher genau gelesen zu haben. Das habe mit Vertrauen rein gar nichts zu tun, sondern mit naivem Glauben an das Gute im Menschen, das es aber leider nicht gebe.
Ich vernahm noch, dass sie jetzt in Genf wohne und dass die Eltern den Landsitz in Corsier verkaufen und nach Südfrankreich ziehen wollten.
Die Leitung der Bank sei zu hundert Prozent in ihren Händen. Sie war dauernd auf Trab. Für den Kleinen hatte sie eine Säuglingsschwester angestellt, eine Haushälterin sorgte fürs allgemeine Wohlbefinden und ein Dienstmädchen für den Rest.
Während sie sprach schaute ich in ihre Augen. Ihr Blick hatte sich verändert.
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