„Bring uns Bier. Viel Bier, hast du verstanden!?“, Eisenwolf hob seinen Hammer vom Boden auf und ging hinüber zu dem Tisch, an dem er schon vorhin gesessen hatte.
„Nimm Platz Adelsmann. Mein Name ist Eisenwolf. Und wie heißt du?“
„Marzo.“, er setzte sich dem grauhaarigen Krieger gegenüber.
Auf dem Körper Eisenwolfs konnte der Lord kleine Kratzer, Narben und Kampfspuren erkennen. Scheinbar gehörten solche Körperertüchtigungen zum normalen Tagesverlauf eines Kriegers.
„Wie- nur Marzo? Wer ist denn dein Vater?“, bohrte Eisenwolf nach.
„Mein Vater? Mein Vater ist Kane, Hochlord des Finsterforstes, Erbe der Dynastie derer von Finsterforst.“, murmelte Marzo. „Ich schlage allerdings eher nach meiner Lehrerin Norwiga musst du wissen.“
Überrascht sog Eisenwolf die Luft ein.
„Die heilige Norwiga hat dich auserwählt? Einst traf ich sie - und muss sagen - bei Grimgard!!! Das ist mir mal ein Weibsbild! Nun gut Lord Marzo aus Finsterforst, dann erzähl doch mal was dich nach Donnerhall führt.“
„Also ich...“
„WIRT!!! Wo bleibt unser Bier? Bei Norwigas strahlender Axt, ich hab nicht vor in deiner Spelunke zu verdursten!“, donnerte Eisenwolf, „Fahrt fort.“
„Wohlan Eisenwolf, ich weiß es noch nicht. Ich bin ausgezogen, ausgesandt von Norwiga um die Welt zu erkunden, meiner Bestimmung zu folgen einst ein mächtiger Krieger zu werden.“
Vorsichtig näherte sich Sharella dem Tisch und trug drei Krüge voller Bier im Arm.
„Aye Kleine, bring auch noch ein paar für meinen Freund hier.“ Eisenwolf ergriff zwei Krüge auf einmal und schüttete den Inhalt in seinen Rachen. Staunend beobachtete Marzo die Trinkfestigkeit seines Gegenübers, er schien nicht einmal schlucken zu müssen.
Mit einem geräuschvollen Rülpser verkündete der grauhaarige Krieger, dass sich die Krüge bis zur Neige geleert hatten und führte gleich den nächsten zu Mund.
„Kämpfen macht Krieger durstig, weißt du…?“, erklärte er auf Marzos erstaunten Blick.
„Und was führt Euch hier in diese Gegend?“, fragte ihn der beeindruckte Lord.
Missmutig blickte Eisenwolf über den Rand seines Humpens und stellte ihn auf den Tisch: „Ich bin immer auf der Suche nach Vergeltung, Gold und einem stärkeren Gegner.“
„Für was sucht Ihr Vergeltung? “
„Wer bist du, das du einen Kriegsherren nach seinen Beweggründen zu fragen wagst?!“, grollte Eisenwolf.
Noch bevor Marzo darauf reagieren konnte stürmte die Stadtwache Donnerhalls mit lautem Getöse die Taverne. Die drei schwer gepanzerten Männer hatten ihre Hände an den Waffen und taxierten die Anwesenden mit finsteren Blicken.
„Schankwart, was ist bei Euch schon wieder los? Die ganze Straße schreit Zeter und Mordio."
Der Wirt winkte sofort den Kellnerinnen zu:
„Aber Therius..."
„Kommandant Therius, wenn ich bitten darf. Ich bin im Dienst."
„Ehrenwerter Kommandant, Ihr werdet diesem kleinen Zwist sicher nicht mehr Bedeutung zumessen als ihm zusteht. Eine kleine Schlägerei unter Betrunkenen. Wahrlich nichts Weltbewegendes."
„Eine Schlägerei also nur? ", der Mann betrachtete das Ausmaß der Verwüstung und schüttelte den Kopf, „Und was ist mit ihm da? ", Therius wies auf den wimmernden Gundolff mit der stark blutenden Beinwunde.
„Der arme Kerl ist einfach erschöpft Kommandant Therius. So eine Schlägerei macht müde - ebenso wie der Dienst bei der Stadtwache ungemein durstig macht." Der Wirt stellte sich vor den Trunkenbold, während die Bedienungen den Stadtwächtern volle Bierkrüge servierten.
„Ja, wirklich durstig.", stimmte Therius zu, für einen Moment schaute er hinüber zu Eisenwolf. Marzo hatte den Eindruck, dass sich die beiden Männer kannten, er fühlte den gegenseitigen Respekt in diesem flüchtigen Augenblick.
„Nun gut ich sehe hier keinen Verstoß gegen geltende Gesetzmäßigkeiten. Dennoch werden wir ein, zwei Stunden hier verweilen um zu begutachten, dass hier alles in geordneten Bahnen verläuft. Männer, mitkommen ! "
Die drei Stadtwachen stiefelten zwischen den Verletzen und Bewusstlosen entlang zu einem leeren Tisch und prosteten sich mit ihrem Bier zu. Langsam kehrten einige der anderen Gäste wieder zurück.
Sharella brachte drei weiter Krüge Bier an den Tisch und beobachtete neugierig wie Marzo sich mit der rechten Hand den Unterarm hielt.
„Mein heldenhafter Lord, warum bittest du mich nicht einfach um etwas Hilfe? Als Heilerin habe ich hier bei meinem Onkel in Donnerhall eine Menge lernen können, ich kann dafür sorgen, dass es dir sehr schnell, sehr viel besser geht.“, hauchte die Elfe, stellte die Krüge ab, warf Marzo noch einen verführerischen Blick zu und verschwand mit einem unverschämten Hüftschwung wieder Richtung Ausschank.
Eisenwolf lachte lauthals und Marzos Augen wurden weit.
„Hohoho kaum einen Abend in der Stadt und schon was zum Einschlafen gefunden. Nicht schlecht Herr Lord. Komm, trink mit mir!“, polterte Eisenwolf heraus.
Der Adelsmann schluckte und konnte seinen Blick nur schwer von der Elfe abwenden. Verlegen kratzte sich Marzo am Kinn und hob seinen Bierkrug:
„Na dann zum Wohle Eisenwolf.“
Derweil durchsuchte der Wirt die herumliegenden Körper der Gäste nach Geld und schleifte sie dann einfach hinaus vor die Tür. „So, das sollte wohl als Entschädigung reichen.“, meinte er zu sich selbst.
Nach dem zweiten Krug von diesem Starkbier wurde Marzos Lächeln immer breiter und seine Zunge immer lockerer. Es muss wohl gegen drei Uhr in der Frühe gewesen sein, als Sharella ihn auf sein Zimmer geleitete.
Am nächsten Tag erwachte der Adelige mit dröhnendem Schädel und einem flauen Gefühl im Magen in einem breiten Bett. Der zerschundene Körper fühlte sich herrlich vertraut an. Sein Lager hatte neben der Decke und dem Kissen sogar noch Laken und das beinahe in Weiß. Diese waren auch viel weicher und weniger stachlig als die Strohunterlagen, welche ihm in der kleinen Waldhütte als Nachtlager gedient hatten. Bei all diesem Prunk fühlte er sich schon ein bisschen schuldig, als er die hässlichen Blutflecken entdeckte, welche er auf dem Laken hinterlassen hatte.
Neben seinem Bett standen noch ein Tisch und eine Schale aus Metall. Irgendwo hier mussten doch seine Sachen liegen. Dort am Bettpfosten hing sein Hemd und unter dem Tisch lag seine Plattenrüstung. Die Stiefel standen direkt an der Tür, nur wo war seine Hose?
Mühsam kramte er in seinen verschwommenen Erinnerungen, was war bloß mit ihm passiert? Vermutlich lag es an dem nordischen Starkbier, welches Marzo gestern probiert hatte. Dieses Getränk war ja wirklich ein teuflisches Zeug. Da klopfte es an der Tür.
„Lord Marzo. Mein Herr, sind sie schon wach?“, das klang nach der Stimme des Schankwarts.
„Ähm, Herr Lord... ich, ich deponiere ihre Hose hier vor die Tür, sie lag draußen vor dem Fenster. Ich war so frei sie reinigen zu lassen. Also, ich gehe dann wieder.“, den Schritten nach zu urteilen entfernte er sich wirklich. Vorsichtig öffnete Marzo die Tür einen Spalt, der Gang war menschenleer und da lagen wirklich seine Beinkleider vor der Tür.
Schnell zog er sie zu sich hinein und kleidete sich an. Was war denn gestern nur passiert? Noch ganz in Gedanken schlenderte er den Gang entlang und die Treppe hinunter in den Schankraum. Der Geruch von warmen Essen und Bier erregte bei ihm sofort eine leichte Übelkeit.
Eisenwolf saß auf demselben Platz wie auch schon am vorherigen Abend. Ob er da nun immer noch saß - oder schon wieder - war wohl nicht herauszufinden, und eigentlich wollte er es auch gar nicht wissen. Erst einmal musste er raus aus diesem stickigen Raum. Schnellstmöglich marschierte Lord Marzo durch den Slalom aus Tischen und Stühlen ins Freie und sog die frische Luft ein. Das tat richtig gut. Diese roch zwar nicht annähernd so belebend wie im Dunkelwald, aber alles schien erträglicher als der abgestandene Kneipendunst.
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