Kinderunschuld, Gottestaube, heil'ger Engel Spielgenoß,
Dir ist stets der Himmel offen, den der Sünde Schuld verschloß.
G. Görres.
25. Das Bild in der Marien-Ablaß-Kapelle
Zu Köln ein junger Maler war
Marien fromm ergeben,
Er sah die Benedeite klar
Vor seinen Sinnen schweben.
Wenn er vertrauend aufgeblickt,
Hat sie ihm freundlich oft genickt
Und mild Gehör gegeben.
Da dacht' er sie aus Dankbarkeit
An eine Wand zu malen,
Wie er sie sah in Lieblichkeit
Als Magd und Mutter strahlen:
So möcht' ihr jeder gläub'ge Christ,
Der säh' wie schön und gut sie ist,
Den Zoll der Andacht zahlen.
Er malte fleißig Nacht und Tag
An ihren sel'gen Zügen,
Doch was ihm klar im Busen lag,
Will sich der Hand nicht fügen.
Und wie er bildet, sinnt und schafft,
Aufbietend alle Kunst und Kraft,
Es kann ihm nicht genügen.
Ermüdet schläft er endlich ein
Vor dem entworfnen Bilde;
Da schwebt ein Engelpaar herein:
Was führt es wohl im Schilde?
Es lächelt schalkhaft, nimmt gewandt
Palett' und Pinsel von der Hand
Dem von der Künstlergilde.
Schon malt der eine rüstig zu,
Der andre will nicht schweigen:
„Viel besser mach' ich das als du:
Gib her, ich will dir zeigen.“
So lösen sie einander ab,
Bis sich das Bild zu schauen gab,
Dem wir noch heut' uns neigen.
Als sie den Jüngling nun geweckt,
Noch lauschen sie verstohlen:
Er blickt empor, erstaunt, erschreckt
Und kann sich kaum erholen.
Das Bild ist fertig, Zug um Zug,
Wie er es längst im Sinne trug,
Vom Scheitel zu den Sohlen.
Da reden sie ihn freundlich an,
Den fast ihr Lichtglanz blendet:
„Die Mutter Gottes, junger Mann,
Hat mich zu dir gesendet.
Das Bild ist dein, du hast's gedacht:
Was wir an deiner Statt vollbracht,
Ist alles dir entwendet.“
K. S. [Karl Simrock]
„O wollte der Himmel nur blauen, die Erde nur blühn!
Ich ritt' in die Heiden rot, in die Wälder grün,
Ich gäbe dem blumigen Frühling ein einsam Geleit,
Und fände die Hütte und fände die rosige Maid.“
Leis sprach Herr Wilhelm von Holland das heimliche Wort,
Er zog nach Köln im eisigen Winter fort:
Es glänzten um ihn die Ritter, es lärmte der Troß;
Er ritt still träumend dazwischen auf prächtigem Roß.
Bald grüßte die heilige Stadt am brausenden Fluß,
Drin klingen die Glocken, dem Fürsten ein freundlicher Gruß!
Er zieht in die wogenden Straßen durchs dunkele Tor,
Laut jauchzet das Volk: kaum klingt es dem Träumer ins Ohr.
Und freudig empfängt ihn der warme, glänzende Saal,
Kronleuchter schimmern, gespiegelt viel tausend Mal,
Stolz rauscht die Musik durch des Raumes üppigen Glanz,
Und ringsum windet und bindet sich reizend der Tanz.
Es glühet und blühet der Mädchen holdselige Schar,
Im Reigen umringt und umschlingt ihn manch liebliches Paar;
Sie kommen und gehen, lächelnd in kosigem Spiel,
Sie singen der Lieder, sie bringen der Blumen ihm viel.
Die Ritter nahn in der Waffen blinkendem Strahl,
Sie heben kredenzend den schäumenden, goldnen Pokal,
Sie preisen und rühmen; doch ihm ist alles zur Last,
Er spricht erinnerungssüchtig, der fürstliche Gast:
„O wollte der Himmel nur blauen, die Erde nur blühn!
Ich ritt' in die Heiden rot, in die Wälder grün,
Ich gäbe dem blumigen Frühling ein einsam Geleit –“
Da spricht ins Wort ihm ein Greis: „Der Lenz ist nicht weit.“
Albertus Magnus ist es, er faßt ihm die Hand,
Tief glühet sein Blick, weiß wallet ihm Haar und Gewand,
Er will durch wechselnder Bilder zaubrische Lust
Befreien des Fürsten gedankenverdüsterte Brust.
So zieht er den Kreis, so spricht er ein flüsterndes Wort,
Er schlägt mit dem Stab: da wandelt sich plötzlich der Ort,
Ein Blühen hebt an, der Frühling feiert sein Fest,
Hoch blauet der Himmel, warm treibet die Wolken der West.
Aus zackigen Bergen ergießt sich der Ströme Lauf,
Die Bronnen rauschen aus Felsen kühlig herauf,
Bunt grünen Wälder und Wiesen und Fluren umher,
Es lieget das Land ein jubelndes Frühlingsmeer.
Dazwischen erhebt sich der Städte betürmte Pracht,
Mit Bannern halten die Burgen auf Bergen Wacht,
Die fliegenden Reiter blinken im Sonnenstrahl,
Die Herdenglocken ertönen im duftigen Tal.
Still zieht durch den klingenden Frühling der fürstliche Held,
Ihn grüßt in den Lüften der Vogel, die Blume im Feld,
Er zieht nach der Heide und schwindet im Waldesraum;
Da fliehet das Bild und des Lenzes goldener Traum.
Und wieder umrauscht ihn im Saal die glänzende Pracht,
Er hat nicht der Schar, nicht des mächtigen Zauberers acht,
Denn Tänze, Musik und Tänze sind ihm zur Last,
Er bleibt traumselig und spricht, der fürstliche Gast:
„Wohl mochte der Himmel blauen, die Erde blühn,
Ich ritt in die Heiden rot, in die Wälder grün,
Ich gab dem blumigen Frühling ein einsam Geleit;
Doch fehlte die Hütte, es fehlte die rosige Maid.“
Wolfgang Müller.
27. Der Löwenkampf am Dom zu Köln
Zu Köln am Domhof saßen
Die würd'gen Herrn vom Stift,
Verdrossen über die Maßen
Vor lauter Gall' und Gift.
Es mocht' auch keiner dreister
Auf sie zu sprechen sein,
Als Grijn, der Bürgermeister
Der reichsgetreusten Stadt am Rhein.
Der wahrte jedem Bürger
Sein wohlverbrieftes Recht,
Daß auch der ärmste Schürger
Nicht würd' ein Pfaffenknecht;
Des bosten sich am meisten
Ein Knünch und ein Kaplan,
Die hätten dem Überdreisten
Doch gar zu gern ein Leids getan.
Am Domhof lag im Zwinger
Ein Löwe grauenhaft,
Dem kein Athlet und Ringer
Gewachsen war an Kraft.
Den plagten sie mit Fasten
Und luden dann gleißnerisch
Den Mann, den bestgehaßten,
Auf guten Imbiß ein zu Tisch.
Der hat's wohl angenommen,
Und als er dort erschien,
Da hieß es: „Schön willkommen
Seid Ihr, Herr Herman Grijn!“
Doch als er stand im Saale –
Sie ließen ihn just allein –
Da brach mit einem Male
Das Löwenungetüm herein.
„Ha! Bin ich so zu Gaste
Geladen an diesen Herd?“
Er rief's voll Zorn und faßte
Sein doppelschneid'ges Schwert.
„Komm her, Gesell! Maskiere
Dich auch, da man's erlaubt!“
Er rief's und warf dem Tiere
Den seidnen Mantel übers Haupt.
Eh' noch der Leu begriffen
Den kölnischen Maskenscherz,
Da fuhr ihm scharfgeschliffen
Der Stahl ins wilde Herz.
Er sank mit Wutgebrülle,
Getroffen auf den Tod;
Da lag, mit seidner Hülle
Bedeckt, das arge Gastgebot.
Und als nun tief erschrocken
Das Pfaffenpaar erschien, –
„Ihr hofftet zu frohlocken,“
So sprach Herr Herman Grijn;
„Ihr hattet mich dem Leuen
Zum Imbiß zugedacht;
Das wird euch schwer gereuen,
Ihr sollt noch sterben diese Nacht.“
Da half kein Drohn und Bitten,
Bald war der Spruch getan,
Den Henkertod erlitten
Der Knünch und der Kaplan.
Am Rathaus sieht man heuer
Gemeißelt noch in Stein
Das Löwenabenteuer:
Zur Lehre soll's dem Enkel sein.
So geht die köln'sche Sage
Vom Löwenkampf am Dom;
Drum gilt noch heutzutage
Das Wort am deutschen Strom:
„Ob süß es fall', ob sauer,
Es sei dir beides gleich;
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