Karl Simrock - Das Nibelungenlied

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Das Nibelungenlied bietet eine umfassende Kulturgeschichte des Mittelalters. In den Versen geht es um Ritter, Drachen, Zwerge, Liebe, Heldentum und Verrat. Die sprachliche Meisterleistung der Verfasser hat die Nibelungensage zu einem Klassiker der Weltliteratur gemacht. Mittlerweile gehören die Sagen rund um Siegfried, Kriemhild, Brünhild und Dietrich zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Für die vorliegende werkgetreue Ausgabe wurde das Nibelungenlied unter Beibehaltung der Versform aus dem Mittelhochdeutschen übertragen.

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Inhalt

Titelseite Das Nibelungenlied Vollständige Nibelungensage Aus dem Mittelhochdeutschen ins Hochdeutsche übertragen von Karl Simrock

Erstes Abenteuer – Wie Kriemhilden träumte

Zweites Abenteuer – Von Siegfrieden

Drittes Abenteuer – Wie Siegfried nach Worms kam

Viertes Abenteuer – Wie Siegfried mit den Sachsen stritt

Fünftes Abenteuer – Wie Siegfried Kriemhilden zuerst ersah

Sechstes Abenteuer - Wie Gunther um Brunhild gen Isenland fuhr

Siebentes Abenteuer – Wie Gunther Brunhilden gewann

Achtes Abenteuer – Wie Siegfried nach den Nibelungen fuhr

Neuntes Abenteuer – Wie Siegfried nach Worms gesandt ward

Zehntes Abenteuer – Wie Gunther mit Brunhild Hochzeit hielt

Elftes Abenteuer – Wie Siegfried mit seinem Weibe heimkehrte

Zwölftes Abenteuer – Wie Gunther Siegfrieden zum Hofgelage lud

Dreizehntes Abenteuer – Wie sie zum Hofgelage fuhren

Vierzehntes Abenteuer – Wie die Königinnen sich schalten

Fünfzehntes Abenteuer – Wie Siegfried verraten ward

Sechzehntes Abenteuer – Wie Siegfried erschlagen ward

Siebzehntes Abenteuer – Wie Siegfried beklagt und begraben ward

Achtzehntes Abenteuer – Wie Siegmund heimkehrte und Kriemhild daheim blieb

Neunzehntes Abenteuer – Wie der Nibelungenhort nach Worms kam

Zwanzigstes Abenteuer – Wie König Etzel um Kriemhilden sandte

Einundzwanzigstes Abenteuer – Wie Kriemhild zu den Heunen fuhr

Zweiundzwanzigstes Abenteuer – Wie Kriemhild bei den Heunen empfangen ward

Dreiundzwanzigstes Abenteuer – Wie Kriemhild ihr Leid zu rächen gedachte

Vierundzwanzigstes Abenteuer – Wie Werbel und Schwemmel die Botschaft brachten

Fünfundzwanzigstes Abenteuer – Wie die Könige zu den Hennen fuhren

Sechsundzwanzigstes Abenteuer – Wie Dankwart Gelfraten erschlug

Siebenundzwanzigstes Abenteuer – Wie sie nach Bechlaren kamen

Achtundzwanzigstes Abenteuer – Wie Kriemhild Hagen empfing

Neunundzwanzigstes Abenteuer – Wie er nicht vor ihr aufstand

Dreißigstes Abenteuer – Wie Hagen und Volker Schildwacht standen

Einunddreißigstes Abenteuer – Wie die Herren zur Kirche gingen

Zweiunddreißigstes Abenteuer – Wie Blödel erschlagen wurde

Dreiunddreißigstes Abenteuer – Wie Dankwart die Märe seinen Herren brachte

Vierunddreißigstes Abenteuern – Wie sie die Toten aus dem Saale warfen

Fünfunddreißigstes Abenteuer – Wie Iring erschlagen ward

Sechsunddreißigstes Abenteuer – Wie die Königin den Saal verbrennen ließ

Siebenunddreißigstes Abenteuer – Wie Rüdiger erschlagen ward

Achtunddreißigstes Abenteuer – Wie Dietrichens Recken alle erschlagen wurden

Neununddreißigstes Abenteuer – Wie Gunther, Hagen und Kriemhild erschlagen wurden

Impressum

Das Nibelungenlied

Vollständige Nibelungensage

Aus dem Mittelhochdeutschen ins Hochdeutsche übertragen

von Karl Simrock

ERSTES ABENTEUER – WIE KRIEMHILDEN TRÄUMTE

Viel Wunderdinge melden · die Mären alter Zeit

Von preiswerten Helden · von großer Kühnheit,

Von Freud’ und Festlichkeiten · von Weinen und von Klagen,

Von kühner Recken Streiten · mögt ihr nun Wunder hören sagen.

Es wuchs in Burgunden · solch edel Mägdelein,

Daß in allen Landen · nichts Schönres mochte sein.

Kriemhild war sie geheißen · und ward ein schönes Weib,

Um die viel Degen mußten · verlieren Leben und Leib.

Die Minnigliche lieben · brachte keinem Scham;

Um die viel Recken warben · niemand war ihr gram.

Schön war ohne Maßen · die edle Maid zu schaun;

Der Jungfrau höf’sche Sitte · wär’ eine Zier allen Fraun.

Es pflegten sie drei Könige · edel und reich,

Gunther und Gernot · die Recken ohne Gleich,

Und Geiselher der junge · ein auserwählter Degen;

Sie war ihre Schwester · die Fürsten hatten sie zu pflegen.

Die Herren waren milde · dazu von hohem Stamm,

Unmaßen kühn von Kräften · die Recken lobesam.

Nach den Burgunden · war ihr Land genannt;

Sie schufen starke Wunder · noch seitdem in Etzels Land.

Zu Worms am Rheine wohnten · die Herrn in ihrer Kraft.

Von ihren Landen diente · viel stolze Ritterschaft

Mit rühmlichen Ehren · all ihres Lebens Zeit,

Bis jämmerlich sie starben · durch zweier edeln Frauen Streit.

Ute hieß ihre Mutter · die reiche Königin,

Und Dankrat ihr Vater · der ihnen zum Gewinn

Das Erbe ließ im Tode · vordem ein starker Mann,

Der auch in seiner Jugend · großer Ehren viel gewann.

Die drei Kön’ge waren · wie ich kund getan,

Stark und hohen Mutes · ihnen waren untertan

Auch die besten Recken · davon man hat gesagt,

Von großer Kraft und Kühnheit · in allen Streiten unverzagt.

Das war von Tronje Hagen · und der Bruder sein,

Dankwart der schnelle · von Metz Herr Ortewein,

Die beiden Markgrafen · Gere und Eckewart,

Volker von Alzei · an allen Kräften wohlbewahrt,

Rumold der Küchenmeister · ein auserwählter Degen,

Sindold und Hunold · die Herren mußten pflegen

Des Hofes und der Ehren · den Kön’gen untertan.

Noch hatten sie viel Recken · die ich nicht alle nennen kann.

Dankwart war Marschall · so war der Neffe sein

Truchseß des Königs · von Metz Herr Ortewein.

Sindold war Schenke · ein waidlicher Degen,

Und Kämmerer Hunold · sie konnten hoher Ehren pflegen.

Von des Hofes Ehre · von ihrer weiten Kraft,

Von ihrer hohen Würdigkeit · und von der Ritterschaft,

Wie sie die Herren übten · mit Freuden all ihr Leben,

Davon weiß wahrlich niemand · euch volle Kunde zu geben.

Es träumte Kriemhilden · der ehrenreichen Maid,

Einen wilden Falken · zöge sie lange Zeit;

Den griffen ihr zwei Aare · daß sie es mochte sehn:

Ihr konnt’ auf dieser Erde · größer Leid nicht geschehn.

Sie sagt’ ihrer Mutter · den Traum, Frau Uten;

Die wüßt’ ihn nicht zu deuten · als so der guten:

„Der Falke, den du ziehest · das ist ein edler Mann:

Ihn wolle Gott behüten · sonst ist es bald um ihn getan.“

„Was sagt ihr mir vom Manne · vielliebe Mutter mein?

Ohne Reckenminne · will ich immer sein;

So schön will ich verbleiben · bis an meinen Tod,

Daß ich von Mannesminne · nie gewinnen möge Not.“

„Verred’ es nicht so völlig“ · die Mutter sprach da so,

„Sollst du je auf Erden · von Herzen werden froh,

Das geschieht von Mannesminne · du wirst ein schönes Weib,

Will Gott dir noch vergönnen · eines guten Ritters Leib.“

„Die Rede laßt bleiben“ · sprach sie, „Herrin mein.

Es hat an manchen Weiben · gelehrt der Augenschein,

Wie Liebe mit Leide · am Ende gerne lohnt;

Ich will sie meiden beide · so bleib’ ich sicher verschont!“

Kriemhild in ihrem Mute · hielt sich von Minne frei.

So lief noch der guten · manch lieber Tag vorbei,

Daß sie niemand wußte · der ihr gefiel zum Mann,

Bis sie doch mit Ehren · einen kühnen Recken gewann.

Das war derselbe Falke · den jener Traum ihr bot,

Den ihr beschied die Mutter · Ob seinem frühen Tod

Den nächsten Anverwandten · wie gab sie blut’gen Lohn!

Durch dieses Einen Sterben · starb noch mancher Mutter Sohn.

ZWEITES ABENTEUER – VON SIEGFRIEDEN

Da wuchs im Niederlande · eines edeln Königs Kind,

Siegmund hieß sein Vater · die Mutter Siegelind,

In einer mächt’gen Veste · weithin wohlbekannt,

Unten am Rheine · Xanten war sie genannt.

Ich sag’ euch von dem Degen · wie so schön er ward.

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