Und mit dem Lämpchen schleichet sie von dem Kirchhof fort,
In Graus und Frost erreichet sie ihres Hauses Pfort'.
Sie pocht so wie Gespenster mit matten Händen an,
Bis endlich wird ein Fenster behutsam aufgetan.
Der Ritter war's. Der fragte: „Wer stört hier meine Ruh'
In finstrer Nacht?“ und machte das Fenster wieder zu.
Allein Richmodis Pochte von neuem mehr und mehr.
Die kalte Nachtluft mochte sie drücken allzusehr.
Der Ritter kehret wieder: „Könnt Ihr in Nacht und Graus,
Mein Ehherr und Gebieter, mich schließen vor das Haus?
O traget doch Erbarmen, viellieber Hauswirt mein!
Gönnt der erstandnen Armen Eu'r kleinstes Kämmerlein.“
So sagt die Frau. Der Ritter erschrickt ob dieser Mär',
Und spricht durchs Fenstergitter: „Mein Lieb kehrt nimmermehr!
Ist's gleich auch ihre Stimme, ist's doch nur ein Gesicht!“
Zu wehren Gottes Grimme er De profundis spricht.
Allein Richmodis weinet, hüllt sich ins Todeskleid,
Fleht, daß ihr nun erscheinet der Herr in ihrem Leid.
„So mögen denn zum Zeichen erst meine Rosse nun
Hinauf zum Boden steigen, statt in dem Stall zu ruhn!“
Sagt er. Und Gottes Güte viel Wunderding' vermag,
Zu frein ein fromm Gemüte aus schwerer Pein und Klag':
Herr Mengis hört die Gäule, wie sie mit schwerem Gang
Zum Söller ziehn in Eile schon seiner Stub' entlang.
Da greift ihn Furcht und Schauer, er rennt zu seinem Weib;
Die stand an feuchte Mauer gelernt den müden Leib.
Er weinte, fleht' und faßte sie küssend in den Arm,
Trug schnell dann die Erblaßte zum Bette sanft und warm.
Herr Mengis, seine Mägde und Diener hocherfreut,
Ein jeder ihrer Pflegte in Lust und Herzlichkeit.
Da ward von allen Seiten viel Treu' und Lieb' geübt:
Gott kann zur Freude leiten, wen er zuvor betrübt.
Auch ward in wenig Tagen Frau Richmod ganz gesund,
Und nach so vielen Klagen ward jung die Hochzeitstund'.
Oft schien noch die Geschichte der Frau und ihrem Mann,
Als hätt' sie ein Gesichte getäuscht in Trug und Wahn.
Auch scholl zu jedem Ohre alsbald die Wundermär',
Und zu des Hauses Tore drängt bunt die Menge her.
Und traun! da sehn die Pferde vom Söller stumm und starr
Hinunter auf die Erde, und sehn noch manches Jahr.
Richmodis aber spinnet still in dem Kämmerlein,
Und lacht nie mehr und sinnet dem Herrn zu Dank zu sein.
Sie weihet manche Gabe Maria und dem Kind,
Die selbst im tiefsten Grabe ihr hold gewesen sind.
Und wie drei Röslein schweben zu ihr drei Kindlein hin,
Die als drei Englein leben und für den Himmel blühn.
So ward am End' erfüllet Richmodis' heiß Begehr,
In ihrem Herzen quillet stets Gottes Lob und Ehr'.
Sie wob ein schön Gebilde mit eigner zarter Hand,
Das sie dann fromm und milde zu ihrer Kirche sandt'.
Da war es lang' zu sehen, es hing zur Fastenzeit
Im Chore von den Höhen in Pracht und Künstlichkeit.
Maria und die Jünger sah man am Kreuze stehn,
Wie sie zum starken Ringer fürs Heil der Menschheit flehn.
Am Kreuze liegt der Schädel, auf dem die Rosen blühn;
Und rechts und links hochedel die Rittersleute knien.
Und aus den Rosen heben drei Englein sich empor,
Die zu dem Heiland schweben in wundersüßem Chor.
So hat uns zum Gedächtnis Richmod das Tuch gestickt,
Und es dann zum Vermächtnis in jenes Stift geschickt.
Lang stöhnt' es auf dem Grabe, das nun das Paar vereint,
So schauerlich, als habe das Leichentuch geweint.
Allein den frommen beiden gab Gott auf seinem Thron
Nach ihren vielen Leiden der treuen Liebe Lohn.
E. v. Groote.
23. Das Kreuz in St. Marien zum Kapitol
In der heil'gen Stadt am Rhein hängt ein altertümlich Kreuz,
In der Nacht gibt's lichten Schein, Tröstung manchem Armen beut's.
Aus der Wand hervorgesprossen, wie die alte Kunde sagt,
Ist es schwarz ins Holz geschossen, das zu rühren keiner wagt.
Christus traurig niederblickt, tief das Haupt in Schmerz gesenkt,
Wer ihn ansieht, der erschrickt, wenn er seiner Schuld gedenkt.
Beugt er doch sich ob den Sünden dieser lasterhaften Welt,
Wie fein Spruch einst wird verkünden, wenn das All in Staub zerfällt.
Weit die Arm' am Kreuzesstamm breitet er, wie Gnade flehnd,
Weil auf sich die Schuld er nahm, liebreich nach den Kindern sehnd.
Doch stets neue Sünden mehren seine, des Erbarmers, Last,
Lasten drücken und beschweren ihm das Haupt zur Erde fast.
Und wenn müd' er sich einmal ganz bis auf den Boden neigt,
Reif ist dann die Saat im Tal, die aus Totengräbern steigt.
Und bei der Posaunen Schalle öffnet sich der Grüfte Schoß,
Legt die Taten, Täter alle vor dem ew'gen Richter bloß.
Wird der Herr dann zum Gerichte kommen mit der schweren Last,
Ruft der Sünder: O vernichte, Herr, die du gebildet hast!
Fallet über mich, ihr Berge! ew'ge Nacht, bedecke mich,
Daß ich mich vor ihm verberge, denn sein Zorn ist fürchterlich! –
Nahm ein Maler einst sich vor abzufein das heil'ge Kreuz;
Doch das Aug' umzog ein Flor, und den Kecken bald gereut's.
Denn die freche Hand verdorrte, löste sich und fiel herab,
Wahnsinn wurden Tat und Worte, und er sank ins frühe Grab.
I. Kreuser.
Kinderunschuld, Gottestaube, heil'ger Engel Spielgenoß,
Dir ist stets der Himmel offen, den der Sünde Schuld verschloß.
Kinderunschuld, Himmelsblume, die auf öder Erde blüht,
Eine Rose auf der Heide, die der kalte Wind umzieht.
Jung noch war St. Herman Joseph, in die Schule noch er ging,
Und ein Knabe unter Knaben noch am Kinderspiel er hing.
Doch es schien der Zukunft Klarheit dämmernd schon aus ihm hervor,
Gleich den bildbemalten Scheiben, wenn der Morgen graut empor.
Gleich der silberklaren Quelle, die im Fels ruht unbekannt,
Gleich der Harfe voll der Lieder, unberührt noch von der Hand.
Goldner Sprüch' aus Christi Lehre hörte viel das gute Kind,
Wie die Demut und die Liebe schönster Schmuck der Weisheit sind.
Hörte von dem Gotteslamme, das für die am Kreuze starb,
Die ans Kreuz die Liebe schlugen, die den Mördern Heil erwarb.
Wie von tausend Silberstimmen hell erklinget Berg und Tal,
Wenn auf Blumen und auf Baume fällt der Sonne erster Strahl:
Also ward von dieser Lehre hell erweckt des Kindes Brust,
Ward zum reichen Gottesgarten voll Gesang und Himmelslust.
Und so oft er ging zur Schule, eilt' er zu der Kirche hin,
Vor dem Bild der Mutter Gottes und dem Jesuskind zu knien.
Betend blickt er dort zur Mutter und erzählt dem Kindlein viel,
Streut ihm seine schönsten Blumen, ladet's ein zum Kinderspiel.
Lange trieb es so der Knabe, wie ein Engel fromm und rein,
Als der Frohe froher einstens eilte in die Kirch' hinein.
Einen Apfel in der Rechten, kniet er nieder ganz geschwind,
Und es lacht der rote Apfel und es lacht das frohe Kind.
Und es mußte jeder lachen ob so heil'ger Unschuld Bild,
Ob dem Knaben mit dem Apfel vor der Jungfrau hehr und mild.
Und er reichet ihr den Apfel, bittet sie gar ernst und heiß,
Daß sie gnädig nehmen wolle seinen Apfel rot und weiß.
Siehe! was er also flehet vor dem Bild von hartem Erz,
Laut erklang's im Himmel wieder, rührte tief der Jungfrau Herz.
Freundlich blickt sie auf den Knaben, und das starre kalte Bild
Nimmt des Kindes fromme Gabe, lächelt hold und dankt ihm mild.
Und es hat die Gnadenreiche freundlich stets auf ihn geblickt,
Große Gnade dem verliehen, der so hoch ihr Herz entzückt.
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