1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 „Hahhh!“, machte sie und schlug die Decke zurück, kletterte zum Fenster und öffnete es. Sie hielt die Nase aus dem Schrägfenster, atmete die feucht - kühle Nachtluft ein und aus. Die Unruhe, die sich nach dem Bad gelegt hatte, begann wieder aufzuflammen. Sie schloss die Augen.
„Nicht schon wieder!“ Sie presste eine Hand auf den Bauch. „Nicht schon wieder!“
Das nervöse Flattern wurde stärker, breitete sich aus. Charlotte rutschte auf dem Bett hin und her, fest entschlossen auszuharren, bis eine kühle Brise sie zittern ließ. Sie griff sie nach der Decke und wickelte sich darin ein. In der Wärme der Bettdecke begannen ihre Beine zu jucken, als würden tausende von Ameisen darüberlaufen. Langsam aber sicher wurde der Drang sich bewegen, aufspringen zu müssen immer stärker.
„Aua! Verdammte Schräge!“, fluchte Charlotte, als sie sich den Kopf an der Dachschräge anstieß. Schnell rieb sie über die heiß - schmerzende Stelle, bis eine andere Beobachtung sie überrascht innehalten ließ.
„Es ist weg.“
Der pulsierende Knoten in ihrem Bauch, das flaue Gefühl, die Anspannung, sie waren weg. Seit eben, seitdem ihr Kopf brummte, war das Kribbeln im Bauch weg. Charlotte runzelte die Stirn. Sollte das bedeuten, dass sie sich einfach nur den Schädel anstoßen müsste und sie wäre ihren nervösen Magen los? „Das ist doch keine Lösung!“, sagte sie zu ihrem Bauch, der prompt mit einem weiteren Ausstoß an Ameisen reagierte.
Charlotte krallte die Hände in die Decke.
„So nicht!“, zischte sie und warf einen sehnsüchtigen Blick durch das Fenster auf die verlassen daliegende Straße.
Was wäre, wenn sie doch noch joggen gehen würde? Regan schlief seit Stunden selig und zufrieden. Sie würde nicht mal mitbekommen, dass sie weg war. Und immerhin wollte sie sich doch bewegen. Eine Runde um den Block wäre doch eine Lösung, ohne, dass sie am kommenden Morgen überall Beulen hätte.
Aber es ist mitten in der Nacht! Da geht man nicht joggen!, warnte eine Stimme in ihr. Außerdem wäre Regan allein. Egal ob sie schläft oder nicht. Das kannst du nicht machen!
Charlotte zerrte das Fenster zu und warf sich zurück auf ihre Seite des Bettes. Sie verschränkte die Arme auf der Decke, blieb eine Weile so liegen. Als das nichts half, griff sie nach ihrem Anhänger, rieb ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. Sie presste die Augen fest zusammen.
„Schlaf Kindchen schlaf! Dein Vater ist ein Schaf! Deine Mutter ist ein Trampeltier, was kannst du armes Kind dafür? Schlaf Kindchen schlaf!“, zischte sie. Aber auch das wirkte nicht. Wütend zog sie das Kissen über ihren Kopf, verharrte einige Minuten so und zog das Kissen wieder herunter. Sie warf sich auf den Rücken, starrte minutenlang die Decke an. Es brachte alles nichts. Wütend strampelte sie die Bettdecke weg und stapfte zu ihrer Handtasche hinüber, kramte darin, bis sie gefunden hatte, was sie suchte. Mit einem Tablettenstreifen in der Hand ging sie in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen. Nachdem sie die Tablette geschluckt hatte, sank sie auf das Sofa. Sie wusste, es würde es noch eine Weile dauern, bis die Wirkung einsetzte. Gelangweilt griff sie nach der Fernbedienung und zappte durch die Kanäle.
❄❄❄
„Warum ist das so hell?“ Charlotte und stemmte sich auf ihre Unterarme. Sie schob die Augenbrauen zusammen und blickte an sich herab.
Wann hatte sie sich hingelegt?, fragte sie sich.
Endgültig in eine sitzende Position gekommen, wischte sie sich mit einer Hand über die Augenbrauen und schluckte ein paar Mal, um den metallenen, etwas an Lavendel erinnernden Geschmack, aus dem Mund zu bekommen. Neben ihr schmatzte etwas.
„Regan, bist du das?“ fragte Charlotte und rieb sich die Augen. „Es ist mitten in der Nacht. Was machst du hier? Und warum ist das so hell?“
„Nö“, sagte Regan und Charlotte sah verschwommen, wie sie etwas hob, was vermutlich ein Löffel war und es in den Mund schob.
„Was isst du da?“
„Gummibärchen.“
„Mit nem Löffel?“ Charlotte kniff die Augen zusammen, als das Licht aus dem Garten sie blendete. Von wegen mitten in der Nacht! Es musste bereits heller Morgen sein, denn so ein Licht hätte man nicht mal mit einer ganzen Batterie an Flakscheinwerfern hinbekommen.
„Gott, ist das hell!“ Sie hob den Arm vor das Gesicht und blinzelte. „Wie spät ist es eigentlich?“
Regan zuckte die Schultern. „Keine Ahnung“, sagte sie und stopfte noch einen Löffel in den Mund.
„Hast du Tom gesehen?“
„Nö.“
„Ist der immer noch nicht da?“ Charlotte seufzte, tastete nach der Fernbedienung, die ihr schmerzhaft in die Seite stach.
„Kann ich Cartoons sehen?“
Charlotte unterdrückte einen Fluch und warf ihrer Tochter die Fernbedienung zu. „Hier. Aber nur weil ich heute Morgen keine Lust auf Streit habe! Und wenn ich sage du sollst ausmachen, dann machst du aus. Ist das klar?“
Regan nickte.
„Und hör auf das Zuckerzeug zu essen!“
Immer noch schläfrig erklomm Charlotte die Stufen in den ersten Stock. Als sie in ihr Schlafzimmer kam, entdeckte sie Thomas. Er saß auf dem Bett und knotete gerade die Schnürsenkel seines rechten Sportschuhs.
„Hey!“, sagte er, als er aufblickte und Charlotte entdeckte.
„Hey“, gab Charlotte matt zurück und musterte sein Outfit. „Du siehst gerade zu unnatürlich wach aus. Wie machst du das? Und was ist das für ein lächerliches Outfit?“
Thomas grinste. „Mein Sportoutfit. Ich geh ne Runde laufen. Das macht fit. Willst du mitkommen, dann warte ich noch.“
„Laufen? Vor dem Frühstück?“ Charlotte blinzelte. „Nein danke. Sag mal, wann bist du eigentlich gekommen?“
„Ähm... Heute Morgen irgendwann.“ Thomas stopfte sein Handy in die Tasche seiner Laufhose.
„Na klasse. Ich hab auf dich im Wohnzimmer gewartet.“
„Gewartet!“ Thomas lachte. „Wohl eher vorm Fernseher geschlafen!“
„Und da hast du mich nicht geweckt?“
Thomas zuckte nur die Schultern.
„Du lagst gut da, wo du warst und ich wollte nur noch ins Bett, also ...“ Thomas gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze und lief zur Schlafzimmertür, zog Kopfhörerkabel aus seiner Hosentasche und steckte sie in seine Ohren. Er winkte noch mal und dann hörte Charlotte ihn im Laufschritt die Treppe hinunter poltern.
„Nur nicht so motiviert! Man könnte meinen, du läufst vor mir davon.“
„Was zupfst du die ganze Zeit da rum?“ Thomas bekam Charlottes Hand zu fassen und hielt sie fest, bevor sie ein weiteres Mal an ihrer sehr kurzen Tunika ziehen konnte.
„Es hat geheißen, ich bekomme ein grauen Rock und nun das! Ich versuch das nur zurechtzuziehen! Ich habe keine Lust mich morgen halb nackt in der Zeitung bewundern zu können!“ Charlotte riss sich aus seinem Griff los. „Außerdem wollte ich noch mit dir über gestern reden. Kannst du mir bitte mal sagen, wo du die ganze Zeit über warst?“
„Ehrlich? Darüber willst du reden? Jetzt?“
„Ja.“
Thomas gab nur ein Schnauben von sich. „Lotte, bei aller Liebe, aber ich glaube, wir haben jetzt wichtigere Probleme.“
„Das sagst du heute schon den ganzen Tag, sobald ich versucht habe mit dir zu reden! Immer warst du mit irgendwas beschäftigt! Entweder warst du Joggen, oder am Telefon, dann kam Gwen und hat sich für eine satte Stunde mit dir zu irgendeiner Besprechung im Arbeitszimmer eingeschlossen und dann ...“ Charlotte zog an ihren Haaren. Thomas griff nach ihren Händen.
„Wenn du nicht damit aufhörst, siehst du aus wie ein gerupftes Huhn!“
Charlotte nahm die Hände herunter und verschränkte sie hinter ihrem Rücken. Langsam folgte sie Thomas, der vor ihr her über den roten Teppich flanierte.
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