Und wenn es keinen Hustensaft gab, steckte ich bei Bedarf (also häufig) den Finger in die Butter und dann rein damit in die Zuckerdose. Wir hatten keinen Kühlschrank, Essbares wurde auf einem alten Wandregal aufbewahrt, ein dicker Vorhang schützte die Esswaren vor Fliegen, aber nicht vor mir.
Hinter dem Vorhang ließ sich herrlich heimlich Zucker naschen. Danach tauchte ich mit Unschuldsmiene hinter dem Vorhang wieder hervor. Ich beherrschte diese Miene ganz prima.
Später, während der Pubertät dann, pflegte ich diesbezüglich ein Hobby (das Theaterspielen meine ich, nicht das Herumfingern in Butter und Zucker). Zu zweit, meine Freundin und ich (damals hieß es tatsächlich noch Freundin, heute würde man wahrscheinlich ‚Kollegin‘ sagen, oder ‚beste Kollegin‘), fuhren wir manchmal mit dem Bus in die Stadt, streiften staunend durch die Läden, und besuchten als krönenden Abschluss eine kleine Selbstbedienungs-Stehbar in einem Warenhaus.
Wir leisteten uns vom Taschengeld eine Cola und beobachteten die Leute, während wir sie tranken. Daheim imitierte ich, was wir Komisches gesehen hatten. Diese Stehbar im Warenhaus war eine Sammelstelle für menschliche Kuriositäten in Verhalten und Aussehen. Dass sich meine Eltern bei meiner Vorstellung vor Lachen krümmten, fand ich stimulierend, zumal in unserer Familie eher wenig gelacht wurde. Die Umstände waren etwas ernstlastig.
Unglücklicherweise wurde auch außerhalb des engsten Familienkreises mein theatralisches Talent erkannt, bei Schulaufführungen wollte man mich partout immer dabeihaben.
Natürlich wollte ich nicht, aber ich musste. Und natürlich war ich hinterher doch jeweils froh, zu meinem Glück gezwungen worden zu sein. Wenn alles prima über die Bühne ging, war ich selig und stolz – bis zum nächsten Mal, zur nächsten Aufführung und den nächsten schlaflosen Nächten davor, weil die Nerven vor unerträglichem Lampenfieber vibrierten.
Ich frage mich manchmal, wie sich mein Leben entwickelt hätte, hätte ich beruflich ganz offiziell eine Theaterlaufbahn beschritten. Hätte ich mich darauf beschränkt, Theater auf der Bühne zu spielen statt in meinem Leben? Oder wäre alles noch schlimmer geworden, weil ich das Rollenspiel kultiviert und mich darin verloren hätte? Darauf gibt es keine Antwort (Dieser Film läuft höchstens in einem Paralleluniversum.). Ich könnte mir zwar eine Antwort aus den Fingern saugen, aber ich lasse es lieber, denn, hätte ich aktiv Theater spielen wollen, würde ich es wahrscheinlich auch gemacht haben oder wäre zumindest dort hingeschoben worden, sodass ich es hätte müssen, obwohl ich vermutlich gedacht hätte, es nicht zu wollen.
Verzeiht den Satz, er rollte grad so schön durch meinen Kopf und von dort in die Finger (die frei sind, um zu tippen, weil ich nicht daran sauge).
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