„MÖBELHAUS, Herr Lauterbach!“
Die Wahrheit finde ich erst später heraus: Ihm gehört das Möbelhaus gar nicht, und man hat ihn engagiert als sogenanntes Testimonial. Auf „Nachrichten und Informationen aus der Möbelbranche“ teilt Möbelmarkt.de mit: „Für den Whos perfect Sale wirbt Heiner Lauterbach.“
Warum? Ist der Olymp einer Schauspielerkarriere der Möbel-Schlussverkauf?
Wenn große Schauspielkunst nötig ist, um Zufriedenheit mit den angebotenen Möbeln zu vermitteln, spricht das nicht für die Möbel. Vielleicht sitzt man auf oder in der Sofa-Landschaft wie ein Affe auf einem Päckchen Tabak. In der Marketingabteilung hat man gedacht, dass derlei Ungetüme sich nur verkaufen lassen mit dem leicht sardonischen Lächeln und dem Gestus eines Frauenverführers. Heiner Lauterbach sei so ein echter Sofa-Typ, nicht allein wegen geknautschter Gesichtsbezüge, sondern weil Frau potentielle Kundin dächte, „den würde ich auch nicht von der Sofakante schubsen. Also kauf ich ers ma ein Sofa.“
Conclusio: Bei der Buswerbung stimmen zwei Sachverhalte nicht: Erstens zeigt die „amerikanische Einstellung“ keine sitzende Position, aber beworben werden Sitz- bzw. Liegemöbel, zweitens sollte so ein toller Hecht wie Heiner Lauterbach doch im Porsche sitzen und um den Starnberger See kruisen und nicht mit dem Bus Linie 200 der Überlandwerke und Straßenbahnen Hannover AG (ÜSTRA) zum August-Holweg-Platz schaukeln und nur einen Stehplatz haben. Das wirkt abgehalftert. Folglich zeigt ihn die „amerikanische Einstellung“ ohne Colts.
Manchmal stelle ich mir den menschlichen Körper als Raumschiff vor. Das eigene Ich glaubt, der Kommandant zu sein, hat aber in Wahrheit keine Ahnung, was alles im Raumschiff vorgeht. Der Kommandant stolziert über die Brücke gibt Befehle wie „vorwärts“, „linksrum“, „Mach ma Kaffee!“, aber hat keine Ahnung, wer ihm das eingeflüstert hat und wer da sonst noch Befehle erteilt. Eine Ausbildung hat der Kommandant nicht, wie auch, es gibt vom Raumschiff nicht mal eine Betriebsanleitung. Ich Kommandant habe durch Versuch und Irrtum herausgefunden, welche Vorgänge ich wie beeinflussen kann. Ach, und es ist so unglaublich wenig. Gibt beispielsweise Tage, da könnte ich mich blöd schlafen, ohne erkennbaren Grund. Glücklicherweise gibt es da irgendwo ein aufmerksames Mitglied der Wartungscrew, das mich hochscheucht, bevor irreparable Schäden aufgetreten sind. Gestern war ich den Tag über so unsagbar müde, also wenn meine Müdigkeit Hunger gewesen wäre, hätte ich ein ganzes Pferd essen können. Doch dazu war ich einfach zu müde.
An solchen Tagen stehen Leute im Weg rum, bleiben vornehmlich in Engstellen stehen und erstarren in Blödheit. Du sagst jetzt, es liegt am Wetter oder an der elektrischen Ladung der Luft, und alle fühlen das ähnlich. Kann ja sein. Ich vermute, wir sind ähnlich konstruiert. Aber genausogut könnte sich ein gelangweilter Unterbeamter der galaktischen Registratur einen Spaß mit mir machen und Leute aussenden, damit sie mir im Weg stehen.
— äh, warum geht’s hier nicht weiter? —
Ach, entschuldigen Sie, ich war ganz in Gedanken. Sie wollen gewiss zum Ende dieses Textes.
So oder so, es ist ja alles unbeweisbar. Manche munkeln, die wahren Befehlshaber wären Mikroben und würden im finstersten Rohrsystem deines Raumschiffs siedeln, und wenn da gerade Kirmes ist, gehen auf der Kommandobrücke sämtliche Lampen aus. Folglich merkst überhaupt nicht, wenn du irgendwo im Weg rumstehst mit deiner blöden sperrigen Kiste.
Quatsch! So regelmäßig keucht kein Mensch, beruhige ich mich, als aus dem Dunkel des Wohnzimmers ein anhaltendes, heiseres Keuchen ertönte. Zudem, wer nächtens in dein Wohnzimmer eingedrungen wäre und etwas Unrechtes im Sinn hätte, würde jedes Keuchen vermeiden, also leise verstohlen atmen, um niemanden zu warnen. Vor allem, ergänzte ich, müsste er ja über die Außenwand durch das offene Fenster in die erste Etage geklettert sein, bräuchte also körperliche Fitness und einer, der sich derlei Kletterkünste zutraut, wäre keiner, der derart keuchen müsste.
Der Vorsichtige wandte ein: „Und wenn das Wesen im Wohnzimmer völlig durchtrieben ist, bei Kräften und voll böser Absichten und würde einfach keuchen, um dich einzuschüchtern, wohl wissend, dass der Furchtsame kaum in der Lage ist, sich angemessen zu verteidigen?“
„Wie könnte er oder es denn ahnen, dass hier ein Hasenfuß lebt?“, entgegnete mein Widerspruchsgeist. „Genauso gut könnte ich einer sein, der den Stier bei den Hörnern packt, in jeder Sekunde also ins Wohnzimmer stürmen und mit den Worten: ‚Ich gebe dir gleich einen Grund zu keuchen!‘ der ganzen Keucherei ein gewaltsames Ende bereiten.“
„Da hat’s einen Widerspruch“, sprach der Klugscheißer, „wer Keuchen beenden will, sollte tunlichst kein neues Keuchen hervorrufen.“
„Diese ganze Diskussion ist doch müßig und hilft nicht weiter“, sagte ich, „es sei denn, ihr wolltet den Urheber des Keuchens totquatschen. Dieses Unterfangen jedoch könnte scheitern, wenn nämlich der Keucher über größere Vitalität verfügen würde als ich. Dann wäre ich längst verröchelt, er aber nicht und könnte weiter keuchen noch über mein Grab hinaus.“
„Da erhebt sich die Frage, was überhaupt daran verwerflich ist, im Wohnzimmer zu keuchen, zumal es ein offenes, ehrliches Zeichen ist. Seht her, ich bin zwar verbotener Weise in eine fremde Wohnung eingedrungen, aber das einzige, was ich hier will, ist in Ruhe eine Runde zu keuchen“, warf das übersteigerte Gerechtigkeitsempfinden ein.
„Hier ist Nichtkeucher!“, rufe ich ungeduldig, „und wenns ein Igel wäre.“
„Igel keuchen nicht, sie schnaufen!“, weiß der Biologe.
„Ich würde noch gerne über das Regelmaß des Keuchens nachdenken“, sagte der Bedachtsame. „Kaum zu glauben, dass ein Lebewesen dermaßen keuchen könnte, jedenfalls keines diesseits von Beteigeuze. Es klingt wie die Äußerung einer Maschine, wobei dann noch zu klären wäre, ob wir es mit einer analogen oder einer digitalen Lautäußerung zu tun haben.“
„Wo läge denn der Unterschied, wenn mans nicht hört?“, fragte der Zweifler.
Der wäre gewaltig. Denn das erste digitale Keuchen wäre ja völlig identisch mit allen folgenden, und weil es aus elektronischen Zuständen gemacht wäre, bestünde es quasi aus nichts, wäre aber beliebig oft zu reproduzieren. Jeder digitale Keucher wäre also eine exakte Kopie von nichts. Ein analoges Keuchen, etwa hervorgebracht von einer Keuchmaschine, hingegen wäre durchaus als einzelne Äußerung anzusehen. Jeder Keucher ein Original.“
„Alles müßige Spekulationen!“, rief der Neugierige, der nachgesehen hatte, „Es keucht das Dampfbügeleisen!“
Ich bin schon wach, ein Glück. Gegen Morgen ging mir nichts anderes als dieses Lied durch den Kopf. Ich wollte es nicht einmal kennen, aber seine albernen Verse werden beständig in meinem Kopf gesungen. In einer gerechten Welt wäre der Schöpfer dieses Schlagers erst gar nicht geboren worden. Eine winzige Unwucht im Bett hätte beim Zeugungsakt ein anderes Spermium obsiegen lassen. Nicht der Liedermacher, sondern sein Bruder wäre geboren und der wäre meinetwegen Herrgottschnitzer in Hinterzarten, ein schweigsamer Mann, der seine schöpferischer Kraft stumm ins Schnitzwerk einfließen lassen würde.
Aber es gibt so viele üble Lieder. Grundsätzlich ist es ja eine schöne Einrichtung der menschlichen Natur, dass ich mit einem Lied aufwache, obwohl man ja nicht am Morgen schon singen soll, weiß der Volksmund: „Den Vogel, der morgens singt, holt abends die Katz.“ Andererseits ist es die Art der Vögel, morgens zu singen. Ihr Lied zu singen, das ihnen genetisch eingeprägt ist und sie unverkennbar macht.
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