1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 Die angesprochenen Probleme sind einmal der Grund für das unzureichende naturwissenschaftliche Grundwissen der Gesellschaft und aber auch der Grund, warum sich für nicht sprachlich-musisch interessierte Kinder kein anderes Chancenfeld eröffnet. Während das sprachliche Feld durch 2., 3. und 4. Fremdsprache, Austauschfahrten, bilingualen Unterricht usw. verstärkt und ausgebaut wird, bleiben die Naturwissenschaften Ruinen, die auf ein paar Unterrichtsstunden beschränkt sind.
Nun noch ein Gesichtspunkt, der bei der Abschaffung von Latein als Angebot kaum bedacht wurde. Es wird immer nur der „Bildungswert“ betont - dass Latein aber eine Fremdsprache ist, die naturwissenschaftlich interessierten Schülern besonders entgegenkommt und ihnen Chancen bietet, wird übersehen.
Wer sich über die Stundentafeln wundert und sie für überholt hält, der sollte sich einmal mit den Inhalten (Bildungsstandards) beschäftigen! Sie sind haarsträubend. Aber in Deutschland findet keine Diskussion über Ziele und Inhalte der einzelnen Fächer statt. Dabei sollte das Lesen eines Fachplans den Bürgern leicht fallen und sie natürlich auch interessieren, weil es um ihre Kinder geht und weil sie - der mündige Bürger - ja das inhaltliche Ziel sind.
Stattdessen geht es um Akademikerzahlen, schichtentypische Ungleichheiten der Bildungschancen, G8, G9, Ganztagsschule, Computerausstattung ...
In Diskussionen, in den Medien geht es nie um Inhalte, sondern immer nur um Äußerlichkeiten. Eine Diskussion, wie sie in der Schweiz über den "Lehrplan 21" stattgefunden hat, scheint die deutschen Medien und die Gesellschaft zu überfordern.
Man bedenke: „schlechte“ Schule trifft nicht alle gleichermaßen.
Grund 7: Rückhalt und Geborgenheit - Unterstützung durch die Eltern
Nur Kinder und Jugendliche, die in der Familie geborgen sind und von ihr vielseitig unterstützt werden, können selbstsicher werden. Das fängt schon in den ersten beiden Lebensjahren an, wenn das Kind eine liebevolle Bindung zu Bezugspersonen aufbauen kann. Ab dem dritten Lebensjahr muss es dann konsequent angehalten werden, die Perspektive anderer Personen zu berücksichtigen und Wünsche zurück zu stellen. Immer muss ihm aber vermittelt werden, dass es geliebt und geschätzt wird. Bindung vor Bildung!
Geht man davon aus, dass der Schulerfolg von Schule / Lehrkräften, dem Kind und seinem Elternhaus abhängt, so hat man bisher immer wieder versucht, das Gesamtergebnis allein durch Veränderungen an der Schule / der Schulform zu erreichen. Die folgenden Überlegungen sollen verdeutlichen, dass auf den beiden anderen Feldern ein großes Potential brach liegt, während weitere Bemühungen der Schule nur noch geringe Effekte versprechen.
Angewandte Biologie im Gartenbaubetrieb:
Auf der x1 – Achse wird die Lichtstärke (= Kosten) in einem Gewächshaus abgetragen und auf der y – Achse das Pflanzenwachstum (Fotosyntheseaktivität = Gewinn). Mit steigender Lichtintensität wachsen die Pflanzen stärker – der Gewinn steigt.
Ab einem gewissen Punkt muss man die Kosten aber unverhältnismäßig stark steigern, um auch nur einen kleinen Zuwachs zu erreichen.
Ökonomischer ist es, den Lichtwert konstant zu halten und die Temperatur (x2 – Achse) zu erhöhen. Jetzt wird mit geringerem Einsatz eine starke Erhöhung erreicht.
Wird auch hier eine weitere Steigerung unrentabel, so kann man die Temperatur konstant halten und den CO2 – Gehalt (mit Hilfe der Abgase der Heizung, x3 – Achse) erhöhen.
Bezug zur Schule
In diesem Fall sollen auf der x1 – Achse die Anstrengungen der Schule / der Lehrkräfte abgetragen werden und auf der y – Achse der Lernerfolg des Schülers / der Schülerin. Auf der x2 – Achse werden der Einsatz des Jugendlichen und auf der x3 – Achse die Förderung durch die Familie abgetragen.
Durch die vielen Veränderungen der letzten Zeit an Schule und Unterricht sind immer nur minimale Erfolge (wenn überhaupt) erzielt worden. Die Erklärung könnte ganz einfach sein – wir sind bei „der blauen Kurve“ (=Schule) in dem Sättigungsbereich und mit weiteren Anstrengungen erreicht man nur noch kaum messbare Fortschritte. D.h. jetzt müsste man prüfen, in welchem Bereich der Bemühungen sich die der Jugendlichen und deren Familien bewegen.
Für manche Familien wäre eine Beratung hilfreich. Zum Glück gibt es immer wieder Initiativen; sie werden aber zu wenig gefördert und hängen oft von Einzelnen ab.
Beispiele
Im Kindergarten ist einmal die Woche Muttertag - NZZ vom 30.07.2008
Um den vielen fremdsprachigen Kindern in Dübendorf einen besseren Start in die Schule zu ermöglichen, lanciert die Schulgemeinde einen Versuch mit Deutschkursen für Mütter und Kinder im Kindergarten. Mütter sollen vor allem lernen, ihren Kindern zu helfen.
Ohne die Eltern geht es nicht - FAZ vom 30.07.2008
Eine private Tagesstätte in Berlin-Schöneberg bereitet ausländische Kinder auf die Grundschule vor. ... Gravierend ist, dass in den meisten Familien überhaupt nur sehr wenig gesprochen wird, weder auf Deutsch noch in einer anderen Sprache. ... Kinder, die die Muttersprache schlecht beherrschen, tun sich schwer, eine Zweitsprache zu lernen (doppelte Halbsprachigkeit).
Es geht um eine Viertelstunde am Tag - FAZ vom 04.09.2011
Erst lernen die Eltern, dann die Kinder - damit dieses System klappt, kommen Hausbesucherinnen, Laien-Heferinnen, die mit den Müttern die Lektionen pauken. Die Helferinnen haben selbst Kinder und stammen aus dem gleichen Kulturkreis wie die Frauen, die sie unterrichten.
Projekt „Opstapje“ - FAZ vom 18.02.2013
Özlem H. bekommt Besuch von einer Mitarbeiterin des Programms „Opstapje“ (Schritt für Schritt). Als das erste Kind geboren wurde, sprach sie kaum Deutsch. Das hat sich geändert. Von der Förderung der Kinder profitieren auch die Eltern.
Besser in die Schulzeit starten - NZZ vom 23.03.2015
Ein neuartiges Caritas-Projekt soll bildungsferne Eltern befähigen, die Schullaufbahn ihrer Kinder zu begleiten. Bildungschancen im hiesigen Schulsystem sind stark durch die soziale Herkunft bestimmt. Deshalb will Caritas Zürich mit freiwilligen ‚Copiloten‘ benachteiligte Familien im ersten Schuljahr ihrer Kinder unterstützen.
Damit nicht die Herkunft seinen Weg bestimmt - Die Zeit vom 28.05.2015
Die Familienbesucherinnen überreichen das Begrüßungspaket mit dem schriftlichen Gruß des Bürgermeisters, versorgen die Eltern mit Informationen, wie sich ein Säugling im ersten Lebensjahr entwickeln sollte- und was man tun kann, um das Kind in dieser Frühphase zu fördern. ...
Ungesunde Armut: „Die Benachteiligung beginnt schon in der Schwangerschaft.“
Christoph Bührer, der Chefarzt der Säuglingsstation der Berliner Charité, hat beobachtet, dass fast alle Frühchen auf der Station aus bescheidenen Verhältnissen stammen. Ihre Mütter haben früh die Schule verlassen, leben in kleinen Wohnungen und beziehen Hartz IV. Es wird vermutet, dass eine Mischung aus Ahnungslosigkeit, Geldsorgen und gesundheitsschädlichem Verhalten die Frühgeburten mit verursacht.
Während die meisten anderen Schulkinder ein tadellos gepflegtes Gebiss haben, sind bei Kindern aus der Unterschicht die Zähne schlechter denn je - es gibt eine „Kariespolarisation“.
Im Laufe des Lebens summieren sich die Nachteile - Die durchschnittliche Lebenserwartung hängt von dem Einkommen ab. Bei Männern beträgt der Unterschied zwischen oberer und unterer Einkommensgruppe 10,8 Jahre. Bei Frauen sind es 8,4 Jahre.
Ann-Katrin Müller, Alexander Neubacher
Das „vietnamesische Paradoxon“ zeigt, dass hier Ressourcen ungenutzt bleiben. Vietnamesische Kinder erreichen bei vergleichbaren (schlechten) sozialen Voraussetzungen, nicht nur bessere Noten als türkische, sondern auch als deutsche Kinder - und zwar im Fach Deutsch.
Читать дальше