»Schon gut. Du hilfst mir doch auch immer.«
»Ach! Du weißt, dass ich das gern mache. Und wie geht es dir sonst?«
»Ganz gut und dir?«
»Na ja, wenn das mit Sandra nicht wäre, würde es mir besser gehen.«
»Mm, das verstehe ich.«
»Wie heißt sie eigentlich?«
»Hä, wer?«
»Die Frau, wegen der du so glücklich bist.«
»Ach so. Sie heißt Elena.«
»Ist sie hübsch?«
»Ja, das ist sie.«
»Das dachte ich mir. Ich hätte nicht gedacht, dass du es irgendwann noch mal schaffst, von Lucy wegzukommen.«
»Ich auch nicht.«
»Wo habt ihr euch kennengelernt?«
»Bei einem Fall.«
»Wo auch sonst? Du arbeitest bestimmt immer noch so viel, wie früher, oder?«
»Ja. Das heißt, wenn es Aufträge gibt. Im Moment ist es eher ruhig. Und du? Gibt es in deinem Leben mal wieder einen Mann?«
»Nein, im Moment nicht. Ehrlich gesagt habe ich auch keine Nerven dafür. Sandra und der Job lasten mich schon genug aus.«
»Es ist bestimmt nicht so leicht für dich, alles unter einen Hut zu bekommen!«
»Das ist es wirklich nicht.«
Beide schwiegen sich an. Nun hatte Edgar endlich wieder einen Fall. Auch wenn es ihm nicht einen müden Euro einbrachte, war er froh, für den nächsten Tag eine Aufgabe zu haben. Elena würde sowieso den halben Tag auf ihrer neuen Arbeit sein und Edgar hätte nicht allzu viel Zeit zum Nachdenken. Morgen, am ersten Oktober wäre Max, sein ehemaliger Kollege und gleichzeitig bester Freund, siebenundvierzig Jahre alt geworden. Seine letzten drei Geburtstage erlebte er nicht mehr mit. Edgar dachte jedes Jahr an ihn. An diesem Tag holte ihn die Erinnerung an ihre gemeinsame Zeit und ihren letzten Einsatz jedes Jahr aufs Neue ein. Er hoffte, es würde irgendwann aufhören. Gleichzeitig wusste er, dass es niemals endete.
Als ob Ella seine Gedanken lesen konnte, sagte sie: »Ach Edgar, es tut mir leid! Morgen ist doch der Geburtstag von Max. Daran hatte ich nicht gedacht.«
»Ist schon gut, ein wenig Ablenkung wird mir gut tun.«
Sie redeten noch eine Weile und schwelgten in längst vergangenen Erinnerungen.
Irgendwann schaute Ella auf die Uhr und sagte: »Meine Güte, wie die Zeit vergeht. Ich muss zum Dienst!«
»Ist es tatsächlich schon so spät?«
Edgar schaute ebenfalls auf seine Uhr und sah, dass es bereits halb zwei war. In einer halben Stunde hatte Ella Dienstantritt und Elena in einer Stunde Feierabend. Zur Feier des Tages wollte er ihr einen Strauß Blumen kaufen, bevor er sie abholte.
Ella verabschiedete sich und verließ das Café.
Edgar blieb noch einen Moment sitzen, rief die Kellnerin zu sich und bezahlte das Frühstück der beiden. Anschließend verließ auch er das Café. Auf dem Weg zum Auto wollte er nach einem Blumenladen Ausschau halten. Obwohl er in Wernigerode geboren und aufgewachsen war, hatte er keinen Schimmer, wo es hier Blumengeschäfte gab. Den letzten Strauß rote Rosen kaufte er, als er frisch mit Lucy zusammen war. Das war über zwei Jahrzehnte her. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wo er die Blumen damals gekauft hatte.
Es war kurz vor halb drei, als Edgar seinen Wagen auf dem Parkplatz des Supermarktes abstellte. Er war froh, dass Elena in einer Bäckerei in einem Einkaufsmarkt arbeitete. So fiel jetzt wenigstens die lästige Parkplatzsuche weg. Der Gang vom Café bis zu seinem Wagen hatte ihn viel Zeit gekostet. Immerhin hatte er einen Blumenstrauß bekommen. Eigentlich wollte er rote Rosen kaufen. Leider passten sie nicht mehr in sein Budget. Also hatte er sich für einen bunten Herbststrauß entschieden und hoffte, er würde Elena gefallen. Nun wusste er, wo es Blumen zu kaufen gab. Um genau zu sein, war er bei seinem Fußmarsch an drei Blumenläden vorbei gekommen. Wie oft war er in den letzten Jahren schon durch die Innenstadt gelaufen, aber noch nie war ihm einer, dieser Läden aufgefallen.
Er griff nach dem Strauß auf der Rücksitzbank, stieg aus seinem Wagen und ging in den Supermarkt hinein. Den Blumenstrauß versteckte er hinter seinem Rücken, damit seine Überraschung perfekt war.
Der Bäckerstand befand sich gleich auf der linken Seite hinter der Eingangstür. Vom Eingangsbereich aus konnte er Elena bereits sehen. Sie hingegen war noch mit der Bedienung der Kunden beschäftigt und sah ihn nicht sofort. Erst, als er sich ans Ende der Kundenschlange reihte, nahm sie ihn wahr und lächelte ihn an. Ihre Kollegin, die ebenfalls Kunden bediente, bemerkte den Blickkontakt und musterte den Detektiv von unten bis oben. Davon bekam Edgar allerdings nichts mit. Viel zu sehr war er damit beschäftigt, Elena bei der Arbeit zuzuschauen. Dabei nahm er im Hintergrund Bewegungen wahr. Bei genauerem Hinsehen sah er zwei weitere Kolleginnen im Hinterzimmer, die sich gerade ihre Verkaufsschürzen anzogen. Das musste die Ablösung für Elena und ihre Kollegin sein.
Nachdem die beiden Frauen die letzten Kunden abgefertigt hatten, kam Elena hinter dem Tresen vor und stürmte auf Edgar zu. Er holte den Strauß hinter seinem Rücken mit einem Schwung hervor und hielt ihn Elena hin. Sie lächelte und fiel ihm um den Hals.
»Danke, das ist so süß von dir. Ich hole nur schnell meine Sachen und dann können wir los.« Sie küsste ihn und verschwand wieder hinter dem Tresen im Hinterzimmer.
Inzwischen hatten die beiden anderen Kolleginnen, die sich bis eben noch umzogen, ihren Platz am Verkaufstresen eingenommen. Die Dame mit der Elena zusammengearbeitet hatte, stand noch immer an ihrem Platz. Sie hatte eine Tasse Kaffee in der Hand und beobachtete abwechselnd den Privatdetektiv und Elena. Der Detektiv dachte sich nichts dabei und verbuchte es unter Neugier. Schließlich war heute Elenas erster Arbeitstag und da war es wenig verwunderlich, dass ihre Arbeitskolleginnen neugierig waren und sich für alles interessierten, was die neue Kollegin betraf.
Elena kam aus dem hinteren Raum und verabschiedete sich von den drei Damen: »Tschüss, bis morgen.«
Alle drei erwiderten fast zeitgleich ein »Tschüss«.
Dann kam Elena erneut hinter dem Tresen vor, nahm Edgar den Herbststrauß ab und hakte sich in seinem rechten Arm ein. Anschließend verließ das Paar den Supermarkt.
»Und wie war dein erster Arbeitstag? Deine Kolleginnen scheinen ja ganz nett zu sein.«
»Es war super, viel besser als ich es mir vorgestellt hatte. Christa, das ist die Frau, mit der ich heute zusammenarbeitete, ist total nett. Wir verstehen uns gut. Nachdem ich ihr erzählt hatte, dass ich heute verschlafen habe und keine Zeit zum Frühstücken hatte, hat sie mir eine extra Frühstückspause eingeräumt. Die anderen beiden, Peggy und Ilona sind eben erst gekommen. Sie scheinen aber auch ganz in Ordnung zu sein. Ach, ich bin ja so glücklich.«
»Das freut mich für dich. Da hast du dir also umsonst Sorgen darüber gemacht, dass deine neuen Arbeitskollegen unfreundlich sein könnten.«
»Ja, das habe ich wohl. Und wie war dein Tag? Wie war das Treffen mit dieser Ella?«
»Es war schön, sie wieder zu sehen.«
»Läuft da was zwischen euch?«
»Nein! Sie ist einfach nur eine gute Freundin. Im Moment macht sie sich Sorgen um ihre Tochter und hat mich gebeten herauszufinden, was mit ihr los ist. Sandra verhält sich komisch und soll sich wohl den ganzen Tag irgendwo herumtreiben.«
»Aha. Ich nehme an, dass du dafür kein Honorar bekommst?«
»Stimmt. Ich kann von Ella kein Geld nehmen. Sie setzt jedes Mal ihren Job aufs Spiel, wenn sie mir Infos besorgt.«
»Das verstehe ich. Ohne sie hätten wir Sarah und Paul womöglich auch nicht so schnell gefunden.«
»Ja, und ich habe endlich wieder etwas zu tun. Jetzt, wo du arbeitest, fällt mir allein zu Hause die Decke auf den Kopf.«
»Dann bist du also morgen abgelenkt?«
»Ja.« Edgar hatte Elena vor einigen Tagen die Geschichte von Max erzählt und auch von seinem Geburtstag. Es tat ihm gut, endlich mit einer vertrauten Person darüber zu reden. Elena war sehr verständnisvoll und machte sich große Sorgen, ihn ausgerechnet an dem Geburtstag von Max alleine zu lassen. Nun war sie wenigstens ein bisschen beruhigt.
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