1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 „Vor vier Jahren, am 8. August 1963 hatten zwölf kühne Männer dank präziser Vorbereitungen und ohne einen Tropfen Blut zu vergießen, der Welt gezeigt, wie Millionen britischer Pfunde den Besitzer wechseln können. Die gewitzten Räuber hatten einen Postzug auf freier Strecke angehalten, hatten die mit Geldscheinen vollgestopften Säcke aus einem Wagon in zwei unter der Brücke wartenden Lastautos geworfen. Ohne eine Spur zu hinterlassen, verschwanden sie im Dunkel der Nacht.“
„Das war ein tolles Ding“, erinnerte sich Pit. „Die Gangster hatten an alles gedacht. Nachdem sie das von ihnen genau platzierte Signal auf Rot gestellt hatten, hielt der Wagon mit den gefüllten Postsäcken exakt über der Brücke, unter der ihre Lastwagen warteten. In wenigen Minuten war alles umgeladen und ehe jemand einschreiten konnte waren sie auf und davon. Das war echt super.“
„Das war nicht nur super, das war irre“, sagte Ritchie. „Mit gelben Umleitungsschildern und rot-weiß lackierten Brettern hatten sie den Verkehr umgeleitet und verhindert, dass ihre Aktion gestört wurde. Einfach genial.“
„Das Witzige daran war“, sagte Robin, der ebenfalls den Postraub erinnerte, „dass der Coup so lautlos über die Bühne ging, dass die Wachmänner im letzten Wagen den Coup erst nach zwanzig Minuten bemerkten.“
„Aber, meine lieben Freunde“, sagte Mendel, „das hat den schlauen Dieben nichts genutzt. Nach wenigen Tagen hatte die Kripo alle Gangster am Arsch.“
„Nicht nicht lange“, ergänzte Ben. „Der Anführer der Gang, dieser Biggs und sein Komplize, Miller, sind in einer Nacht- und Nebelaktion über die Mauer entkommen.
„Was mich wundert“, stellte Mendi in den Raum, „dass seitens der Mehrheit der Bevölkerung Sympathie und Anerkennung für die Räuber bekundet wurden. Der Raub war dreist, aber bis auf den Lokomotivführer wurde niemand verletzt. Das hat man den Gangstern hoch angerechnet und das Strafmaß gemildert.“
„Stimmt“, murmelte Robin. „Sie waren bewaffnet, aber keiner hatte einen Schuss abgegeben. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Alles, jeder Schritt war präzise geplant und ausgeführt worden. Ohne Kenntnisse der örtlichen Situation wäre der Coup in die Hose gegangen.“
„Die Kerle bewundere ich heute noch für ihren Mut und ihre starken Nerven“, meinte Bobby und blies den Rauch seiner Zigarre in Richtung offenes Fenster. „Nur der in allen Details geplante, oft geprobte und blitzschnell ausgeführte Coup ist der Schlüssel zum Erfolg.“
„Keine Sau hat die geflüchteten Obergangster bis heute entdeckt. Niemand weiß, wo sie stecken“, sagte Mendi.
„Vielleicht hatten sie ihre Flucht aus London bereits im Vorfeld geplant und saßen im Flieger, bevor die Kripo Wind von der Aktion bekam“, meinte Ben. „Vielleicht leben sie sorglos und glücklich irgendwo mit ihren Frauen und Kindern in Südafrika? Vielleicht leben sie in Amerika oder in Kanada. Vielleicht ist Biggs unser Nachbar.“
„Lass gut sein Ben“, flüsterte Ritchie. „Auf jeden Fall sind sie nicht dumm und hüten sich davor, in Saus und Braus zu leben, wie einst König Krösus in Lydien.“
„Bescheidenheit ist nicht jedermanns Sache“, sagte Robin. „Wenn die Taschen voller Geld sind und lang gehegte Träume nicht in Erfüllung gehen dürfen, ist das nicht lustig. Wenn du plötzlich reich wie Krösus bist und keiner an der Rechtmäßigkeit deines Vermögens zweifeln darf, kann dir viel Geld die Lust auf Luxus vermiesen.“
„Lust auf Luxus ist ein unabdingbares Motiv für jeden Raub“, sagte Mendi. „Ich mache nicht mit, wenn nicht jeder von euch dieses Motiv vor Augen hat und sich vornimmt, entsprechend skrupellos zu sein. Wir müssen es wollen, sonst klappt es nicht.“
„Es wird schon klappen“, sagte Bobby. „Ich habe auch schon eine Idee. Nur weiß ich noch nicht wann wir das Ding durchziehen. Meine Fühler habe ich bereits ausgestreckt und mich schlau gemacht. In wenigen Tagen bekomme weitere Planunterlagen von dem Objekt meiner Begierde. Dass es sich lohnt, weiß ich allerdings heute schon. Trotzdem dürfen wir nicht unvorbereitet an die Sache rangehen. Wenn wir so schlau wie die Posträuber von Glasgow aggieren, kann nichts in die Hose gehen.“
„Willst du damit sagen, dass du dir bereits konkrete Gedanken über einen Raubüberfall gemacht hast?“ Ben lehnte sich zurück, um hinter Robins Rücken, Bobby zu fixieren. „Willst du mit uns einen Postzug überfallen, oder einen Geldtransporter entführen?“
„Mehr oder weniger“, antwortete Bobby. „Ich bin mir nur noch nicht ganz sicher, aber ich bin mir sicher wo und wie wir die erbeuteten Randscheine investieren.“
„Du mit deinen Ferienorten gehst mir langsam auf den Sack. Vor den Toren Kapstadts gibt es Grundstücke mit Seeblick in Hülle und Fülle. Da wird keine Sau in die Wildnis ziehen, wo kein Schwein wohnt und keine Sau mit sagen kann, wo der nächste Bäcker seinen Laden hat und ein Schlachter Würstchen und Steaks verkauft. Der nächste Supermarkt ist fünf Meilen entfernt, wenn es in der Bundu überhaupt eine Geschäft oder einen kleinen Schnapsladen gibt. Das alles ist eine Schnapsidee.“
„Der Meinung bin ich auch“, sagte Ritchie. „Außerdem bin ich bin mir sicher, dass du nicht mehr alle Tassen im Schrank hast. Wir sind durch die Bank erfolgreiche Geschäftsleute und haben es nicht nötig Posträuber von Glasgow zu spielen. Schuster bleib bei deinen Leisten.“
„Wie gesagt, ich bin mir noch nicht sicher“, sagte Bobby. „Was haltet ihr davon, wenn wir uns Dienstag die Post in Stellenbosch von außen und innen anschauen?“
„Die Postbank in Stellenbosch?“ Mendi schaute Bobby ungläubig an. „Ich glaub, du tickst nicht mehr richtig. Ein Banküberfall egal auf welche Bank ist zu groß für uns. Wir haben null Erfahrungen, null Ortskenntnisse, Nichts.“
„Deswegen will ich mich am Dienstag mit euch in dem verschlafenen Städtchen umschauen und die Post noch einmal etwas genauer in Augenschein nehmen. Wir gehen anschließend ins Lanzerat und lassen es uns bei einem saftigen Steak und einem edlen Tropfen schmecken.“
Mit diesen Worten stand Bobby auf und kam mit einer Aktentasche an den Tisch zurück. Aus ihr zog der zwei Pläne heraus und legte sie auf den Tisch.
„Das sind zwei alte Grundrisse, die ich im Bauamt von Stellenbosch entdeckt hatte“, sagte er und erzählte, wie er zufällig die alten Zeichnungen gefunden hatte. Er gab zu bedenken, dass diese alten Pläne möglicherweise nicht dem letzten Stand entsprächen und deswegen die tatsächliche Situation vor Ort überprüft werden müsste. Von einem alten Postler hätte er Informationen über den Tagesablauf erhalten, sei sich aber auch dieses Mal nicht sicher, ob der Ablauf heute noch eingehalten wird. Auch das müsste am Dienstag überprüft werden. Danach sollten sie in aller Ruhe im Lanzerat entschieden, ob und wann der Coup über die Bühne gehen soll.“
Seine Kumpels erklärten sich trotz einiger Vorbehalte damit einverstanden, das morgendlich Treiben in der Stadt unter die Lupe zu nehmen. Am Nikolaustag fuhren sie im Konvoi nach Stellenbosch, stiegen auf dem der Post gegenüberliegenden Parkplatz aus ihren Autos und schauten sich in der Nachbarschft der Post um. Pit hatte eine Kleinbildkamera und einen Straßenplan dabei. Er schoss einige Aufnahmen von der Post, der City Hall und den Häusern an der Bird- und Plein Street und Bobby nummerierte die Standorte auf dem Straßenplan. Im Lanzerat besprachen sie während des Essens in groben Zügen ihre Vorgehensweise und kehrten noch einmal zum Objekt ihrer Begiede zurück. Viele Geschäfte waren während der Mittagspause geschlossen, einige Autos fuhren vorbei und nur wenige Passanten waren unterwegs und nahmen von ihnen keine Notiz.
Sie vereinbarten, am Dienstag nach Sylvester noch einmal zur gleichen Zeit hierher zu kommen, um das Treiben in und um die Post unter die Lupe zu nehmen. An den weiteren drei Dienstagen verschafften sie sich Klarheit und verinnerlichten die Situation vor Ort.
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