Bernhard Giersche
Das letzte Sandkorn
Das letzte Sandkorn
© 2013 Begedia Verlag
© 2013 Bernhard Giersche
Umschlagbild: Shutterstock
Layout und Satz: Begedia Verlag
Lektorat: Begedia Verlag
ISBN: 978-3-943795-74-5 (epub)
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Für Gisela und meinen Bruder Harald, die beide einfach nicht aufhören wollten, an mich zu glauben.
Bernhard Giersche, Jahrgang 1967 ist Vater von vier Kindern und hat ein bewegtes berufliches wie privates Leben hinter sich. Daraus schöpft er sein breites Spektrum an Wissen über menschliche Charaktere und menschliche Untiefen. Er arbeitet und lebt in Lippstadt/NRW.
Inhalt
Anfang
Ansage
Welt I
Adam I
Evelyn I
Laurenz I
Brigitta I
Fred I
Adam II
Welt II
Evelyn II
Brigitta II
Laurenz II
Adam III
Treffen
Adam IV
Ankunft
Showdown
Flucht
Zielpunkte
Zwischenspiele II
Willkommen
Rache
Warten
Finale
EPILOG
Er hatte sich an das Ufer der Themse gerettet. Hinter ihm splitterte und krachte es, als sich die Feuer weiter im Parlamentsgebäude ausbreiteten. Der Verkehr auf der Westminster-Bridge über ihm war völlig zum Erliegen gekommen und Menschen hasteten hin und her, in völliger Auflösung begriffen. Schüsse fielen und er konnte sehen, wie jemand getroffen zu Boden sank. Ein Touristenschiff glitt quer zum Flussbett an ihm vorbei und er nahm die schwarze Rauchwolke wahr, die aus dessen Inneren quoll.
Die Hölle war vor dreißig Minuten losgebrochen. Der brennende Big Ben schlug, aber nach dem dritten »Gong« verstummte die Turmuhr auf einmal.
Das Riesenrad, das berühmte »London Eye«, war in die Themse gekippt, nachdem jemand die Konstruktion mit einem Abrissbagger angegriffen hatte. Über ihm war ohrenbetäubender Lärm zu hören und eine dichte Rauchwolke zog vom Buckingham Palast in seine Richtung. Das herannahende Flugzeug war das Letzte, was er hörte. Der Airbus A 320 schlug mit voller Wucht in das Parlamentsgebäude ein und der Feuerball tötete ihn, bevor der Trümmerregen seine brennende Leiche bedeckte.
Ein Sergeant der Armee hatte zwei Holzkisten mit C4-Sprengstoff, die er aus dem Munitionsbunker der Armee in der Kensington Street geholt hatte, in seinen Land Rover gepackt und war direkt zur St. Pauls-Kathedrale gefahren. Kurz danach war das Chaos ausgebrochen, aber es gelang ihm, die Kisten in das monumentale Gebäude zu schaffen und dort den Inhalt zu verteilen und zu verdrahten, bevor die ersten hundert Märtyrer in die große Halle strömten. Die Detonation zerriss jeden Menschen im Umkreis von zweihundert Yards und ließ die Kuppel der Kathedrale zehn Meter aufsteigen, bevor das Gebäude in einem Feuerball verging und tonnenschwere Trümmer auf die Stadt herabregneten.
Die Königin und ihre Familie waren da bereits zwanzig Minuten tot. Förmlich zerrissen von den Märtyrern.
London ist als Regierungssitz und Heimat der königlichen Familie grundsätzlich eine militärische Bastion. Nirgendwo im Empire gab es mehr Militär, Polizei und andere Sicherheitsorgane als hier.
Und so gab es mehr Waffen und Munition als Londoner Bürger, und da jeder einen Auftrag hatte und niemand mehr zuständig war, bewaffneten sich die Menschen, die die ersten zwei Stunden überlebt hatten, und tilgten jeden vom Boden der Erde, der ihrer Mission im Wege stand oder der Teil der Mission war.
Und jeder in der großen Stadt besaß Zündhölzer oder Feuerzeuge. Und so brannte nach zwei Stunden die Stadt in voller Ausdehnung, und Feuerstürme saugten alles Leben auf und äscherten Hunderttausende ein.
Und was in London geschah, passierte in allen Städten. Nicht nur auf den britischen Inseln, sondern in allen Städten der Welt.
Und selbst im All wurde gestorben, als der russische Kosmonaut, der im Team der internationalen Raumstation ISS diensthabender Offizier war, sämtliche Steuerdüsen aktivierte, um die Station auf einen neuen Kurs zu bringen. Er lebte jedoch nicht lange genug, um den Erfolg seiner Bemühungen zu sehen, denn der Rest der Besatzung hatte ebenfalls Pläne mit der Raumstation und so driftete die ISS auf ihrer unheilvollen Umlaufbahn um die Erde, bis sie nach weniger als zwei Stunden als spektakuläre Sternschnuppe am Himmel über Wyoming verging. Dort tötete allerdings jeder Jeden in jenen Minuten, und so blieb kein Raum für romantische Gedanken.
Oh ihr Menschen, fürchtet Euren Herrn, denn das Beben der Stunde ist wahrlich etwas Gewaltiges. An dem Tage, an dem ihr es seht, wird jede Stillende ihren Säugling vergessen und jede Schwangere ihre Bürde abwerfen.
Und du wirst die Menschen trunken sehen, obwohl sie nicht trunken sind. Aber die Strafe Allahs ist gewaltig.
Koran
Hallo, ich bin es, Gott (Allah, Jahwe, Mami Wata, Manitou).
Keine Sorge, ich spreche jetzt so wie du sprichst, damit du mich verstehen kannst. Das ist wie im wahren Leben, meine Lieben. Auf den Inhalt kommt es an, nicht auf die Sprache. Du solltest wissen, dass genau jetzt in dieser Sekunde in jedem menschlichen Hirn auf diesem Planeten dasselbe passiert. In Australien, in Afrika auf den Bahamas und im tiefsten Dschungel des Kongo. Es gibt keinen Menschen auf diesem Planeten, in dessen Hirn jetzt etwas anderes dominiert als meine Worte. Nehmt es hin, nimm du es hin und akzeptiere es.
Die Sätze trafen mich wie ein Hammerschlag direkt auf den Hinterkopf. Ich dachte, mein Hirn würde zerspringen und ich war geschockt und wie gelähmt.
Diese Stimme war absolut präsent, laut wie eine donnernde Rede in einer Kathedrale und glasklar und irgendwie ohne Stimme ... ich konnte nicht sagen, ob sie männlich oder weiblich war ... welche Stimme haben die Gedanken die wir denken?
Ich stand in der Küche und war gerade dabei, mir einen Tee zu kochen, als diese Worte in meinem Hirn explodierten. Sofort, als die Stimme verstummte, war ich davon überzeugt, dass ich völlig den Verstand verloren hatte.
Ich hatte schon oft von Leuten gehört, die Stimmen hören, welche ihnen irgendwelche Teufeleien einflüstern, und die dann wegen geistiger Unzurechnungsfähigkeit nach einem dann angerichteten Blutbad freigesprochen und in die Nervenheilanstalt gebracht wurden. Aber das, was ich erlebte in dieser schrecklichen Minute ... Sekunde ... Millisekunde, war mit dem, was ich über »Stimmen hören« zu wissen glaubte, nicht vereinbar. DIESE Stimme war für mich ein Zeichen meines völligen geistigen Zusammenbruchs.
Dabei gab es für mich keinerlei Symptome vorher, ich war ein ganz normaler Mittvierziger aus dem Mittelstand, geschieden und solo, beruflich erfolgreich und auf keinen Fall geisteskrank, und doch ... hallten die Worte noch nach, als es wieder losging.
Wie ich erkenne, kannst du nicht glauben, dass dies hier wirklich geschieht. Das erstaunt mich nicht, denn es gibt nichts, was nicht sein darf in Deinem Denken. Dabei birgt diese Sekunde für dich eine große Offenbarung, denn nun ist bewiesen, dass es jedem Menschen auf dieser Welt, ganz gleich wo, wann und wie er lebt, genauso geht.
Ihr könnt einfach nicht akzeptieren, dass etwas geschieht, was mit eurer sogenannten Vernunft und Logik nichts zu tun hat. Selbst meine größten Geschenke und Gaben habt ihr erst dann akzeptiert, als ihr sie mit Euren Geräten messen und sie beweisen konntet. Erst hat mich das amüsiert, aber jetzt nicht mehr.
Ihr erfahrt jetzt ... du erfährst jetzt, warum ich zu dir spreche.
Das menschliche Hirn ist doch ein wirklich sonderbares Organ. Nach diesem zweiten Angriff auf meinen Verstand hatte ich es einfach begriffen.
Na klar, da spricht Gott zu mir, und er hat das jetzt nicht, wie sonst zu früheren Gelegenheiten bei irgendwelchen Hirten oder jungfräulichen Bauerstöchtern als Exklusivauftritt gebracht, sondern er hat, schwuppdiwupp, alle Menschen auf Empfang geschaltet.
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