„Du willst raus auf die Bühne“, hatte Ritchie unter Drogen mit glasigen Augen stets wiederholt. „Du willst spielen. Du willst Applaus, Applaus und nochmal Applaus. Du willst Zugabe hören. Du willst die Weiber vögeln und dich besaufen. Dafür tust du alles, wenn du am Kaybord sitzt und dir die Stimme aus dem Hasl brüllst. Du bist geil auf die Anerkennung der Mädchen. Das ist es, worum es bei einer Band geht. Weiber, Weiber und nichts als geile Weiber, die nicht genug kriegen können, wenn sie unter Drogen stehen. Das ist das was du jeden Abend willst.“
Ritchie legte flach, was er flachlegen konnte, scherte sich einen Dreck um Moral und Anstand und meinte in seinem Rausch von Drogen und Alkohol, dass man den Schnepfen nur schnell genug zwischen die Beine und an die Muschi greifen müsse, um sie rumzukriegen.
„Selbst, wenn sie dir nach der ersten Schrecksekunde eine schmieren, wollen auch sie immer nur das eine: Flachgelegt werden.“
Er war eine Negatikoryphäe die traditionell jegliche unmoralische Lebensart: Sex, Drugs, Rock ‚n‘ Roll und Alkohol in dunklen Spelunken pflegte und andererseits ein vollblütiger Musiker und erfolgreicher Geschäftsmann, der in den feinsten Kreisen der Kapstädter Hautevolee verkehrte und nach Geld stank. Aber, wenn er am Konzertflügel oder am Keyboard saß, war er unschlagbar, einfach bravourös. Tosender Applaus war ihm sicher, die Audienz verlangte mindestens zwei Zugaben. Das war seine große Zeit und die Zeitspanne seines Gastspiels am Kayboard von Bobbys kleiner Jazzband.
Starker Drogenkonsum machten Ritchie unzuverlässig, unerträglich launisch und führte letztendlich zur Trennung von der Band. Ritchie zog zu seiner reichen Witwe, der er, wie er pralte, es mindestens zweimal wöchentlich besorgt hatte. Von ihr wurde er in regelmäßigen Abständen in eine Reha geschickt, aus der er nach kurzer Zeit trocken ins normale Leben zurückkehrte, um bald wieder der alten Sucht zu verfallen.
Ritchie, seine Witwe und seine Weibergeschichten waren die Themen, über die Bobby, Robin und Gesine immer wieder in lautes Gelächter ausbrachen. Zehava war Bobbys ehemaliger Freund und dessen Frau, Gesine, unbekannt. Sie interessierte der Klatsch über Menschen nicht, die sie nicht kannte. Stattdessen kümmerte sie sich im Garten liebevoll um die vier Kinder. Als Robin mit den Steaks auf dem Grill beschäftigt war, nahm Gesine Bobby zur Seite und erzählte ihm mit knappen Worten, was sie mit ihrem Mann vor der Ehe durchgemacht hatte.
„Ich sage dir, Bobby, es war absolute Scheiße. Es war so viel Scheiße, dass ich dabei war, ihn zu verlassen. Nach der lange zurückliegenden Auflösung unserer Band saß er Freitag und Samstag am Flügel im Foyer des Baxter Theaters, hämmerte und jammerte Jazz und Soul ins Mikro, um ein paar Kröten mit nach Hause zu bringen.“
„Ich rinnere mich“, sagte Bobby. „Damals war Cool Jazz in Amerika en vogue und Robin mühte sich. den neuen Stil mehr schlecht als recht zu kopieren und hatte nach Rap und tosendem Beifall stets noch einnmal in die Tasten gegriffen. Applaus war wichtig für ihn.“
„Leider brach seine Blutkrankheit Sichelzellenanämie wieder aus“, sagte Gesine. „Eine lange Zeit konnte er kaum laufen, litt an Magengeschwüren und Depressionen. Er kämpfte wie ein Löwe, nahm seine Pillen und saß jeden Tag tapfer im Hörsaal der Uni. Nach drei Jahren bestand er die Examen, die ein Betriebswirt bestehen muss, um im Berufsleben Erfolg zu haben.“
„Ich hörte von alten Freunden, dass du eine schwierige Zeit hattest, in der Robin der Sucht zu verfallen drohte.“
„Das stimmt“, sagte Gesine. „Ich war wirklich drauf und dran, ihn zu verlassen, halte mir aber zugute, dass ich ihn aus diesem Sumpf, in dem er bis zum Hasl drinsteckte, herausgeholt habe. Er ist jetzt absolut trocken und sehr erfolgreich mit dem Verkauf von Annoncen für die Yellow Pages. Wenn er in der Provinz unterwegs ist, sehe ich ihn oft eine ganze Woche nicht. Der Erfolg ist für ihn zu einer neuen Sucht geworden, die ich unterstütze, wo immer ich kann. Er ist einfach Spitze. Er spielt erfolgreiche Konkurrenten der gleichen Branche gegeneinander aus, indem er ihnen suggeriert, dass eine größere Annonce zwar mehr Geld kostet, aber auch mehr Aufmerksamkeit erregt und zum Erfolg führt. Seitdem rollte der Rubel und ermöglichte uns den Kauf unseres Hauses. Schade, dass du erst spät in der Branche tätig wurde, sonst hättest du das Geschäft gemacht. Mir scheint, dass es bei euch nicht so gut läuft, aber das ist ja in jedem Beruf nicht so einfach.“
Bobby wurde notgedrungen gezwungen, neue Kontakte zu knüpfen und wurde nicht müde, alte Freundschaften aufleben zu lassen und erkaltete Kontakte wieder aufzufrischen. Mit großem Hallo wurde er von Ritchie Rickloff in seinem Autosalon in der Burg Street willkommen geheißen. Sein alter Freund wollte ihm gleich einen Neuwagen verkaufen, registrierte aber instinktiv, dass die Agentur nicht so lief, wie Bobby es sich als Makler wünschte. Nichtsdestotrotz versprach er, mit ihm in Kontakt zu bleiben, seine Fühler auszustrecken und ihn zu benachrichtigen, wenn einer seiner Freunde sein Haus oder seine Wohnung veräußern will. Bevor sie sich verabschiedeten, führte Ritchie seinen alten Freund in sein elegant möbliertes Apartment über dem Autosalon und machte den Vorschlag, die alten Mitglieder der damaligen Band zum Kaffee einzuladen. Bobby war sofort Feuer und Flamme, dachte laut darüber nach, ob sie nicht wieder zusammen jazzen sollten. Er erzählte von seinem Besuch bei Robin Rain und Gesine und versprach, den von ihm organisierten und voraussichtlich wieder lustig werdenden Nachmittag in Ritchies Apartment so bald wie möglich über die Bühne gehen zu lassen. Auch er brauchte wieder Abwechslung für die Augen und Musik in den Ohren.
Jeden Morgen grübelte Bobby über Möglichkeiten, wie er seine in den Kinderschuhen steckende Agentur populär machen konnte, wie er Kontakte zu Eigentümern von Grundstücken, Häusern und Wohnungen knüpfen konnte, die planten, ihre Immobilie in naher Zukunft zu Bargeld zu machen, oder zum Tausch für eine größere wertvollere anzubieten. Er hatte Vermittlungsprovisionen in beiden Tageszeitungen, im Argus und in der Cape Times in teuren Annoncen angeboten, aber niemand schien davon Gebrauch machen zu wollen, kein Besitzer meldete sich. Es vergingen Wochen und Monate, bis endlich der Eigentümer eines alten Hauses im östlich der City gelegenen Vorort Wynberg anrief und mit Zehava einen Termin an einem Samstag vereinbarte, den Bobby wahrnehmen konnte und es mit groß aufgemachten Annocen schaffte, mit drei interessierten jungen Ehepaaren einen Besichtigungstermin zu vereinbaren. Erst nach weiteren vier langen Wochen meldete sich wieder ein Hausbesitzer und ermöglichte es Bobby, in seinem anvisierten Beruf wieder tätig zu werden. Er war frustriert und wollte sich von seinem Maklerdasein verabschieden. Die Provisionen deckten nicht einmal die Werbungskosten und zwangen ihn, seine Kündigung bei der SA-Navy zurückzuhalten. Letztendlich waren er und Zehava froh, dass er einen festen Job in Simonstown hatte und seiner kleinen Familie ein adequates Zuhause bieten konnte. Er verdiente kein übermäßges, aber regelmäßiges Gehalt, mit dem Zehava ihren Haushalt führen und eine kleine Summe beiseite legen konnte.
Bereits nach Rupperts Geburt überkam sie der Wunsch, nicht nur etwas Geld dazu zuverdienen, oder einen Job auszufülllen, sondern mehr aus sich zu machen. Sie wollte nicht nur Ehefrau, Mutter, Gärtnerin und Telefonistin ihres Mannes zu sein. Dr. med. Thomas Baker, Chefarzt am Vincent-Pallotti-Hospital in Pinelands und langjährige Freund ihres Vaters brachte sie auf die Idee, sich zur Krankengymnastin ausbilden zu lassen und Abendkurse zu besuchen, in denen sie als Masseuse ausgebildet wurden. Das sei ein Job, den sie nach Abschluss der Ausbildung in freier Entscheidung zu jeder Zeit auch zu Hause ausführen könnte, während die weiter Telefondienst für Bobby machen konnte. In eigener Praxis würde sie später nebenbei, oder sogar hauptsächlich nicht üppig, aber immerhin für den eigenen Bedarf gutes Geld zu verdienen.
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