Plötzlich zuckten die Kumpels gleichzeitig zusammen, schauten erst sich entsetzt an und dann zum Fenster hinaus. Martinshörner ertönten immer vernehmlicher und zwei Streifenwagen mit Blaulicht passierten den Bahnhof. Sie stoppten genau vor dem Neubau. Hektisch packten sie die letzten Bündel in die Koffer und klappten die Deckel zu. In der Küche wurde es muxmäuschen still. Keiner regte sich oder wagte es, ein Wort zu sagen.
„Verschwindet in die rechte obere Wohnung”, zischte Bobby vom Küchenfenster. “Mendi bleibt beit mir. Los los. Vier Bullen nähern sich mit gezogenen Mausern im Laufschritt der Haustür. Schließt die Tür ab und rührt euch nicht. Hier ist der Schlüssel. Die Koffer versteckt ihr in der Kammer und verschwindet einzeln und leise, sobald ich die Tür zugeknallt habe.”
Die Hausglocke schrillte. Das Haustelefon leuchtete.
“Hallo?”
“Polizei!“
“Sie wünschen?”
“Öffnen Sie die Tür! Wo befinden Sie sich?”
“Im ersten Obergeschoss rechts.”
“Warten Sie vor Ihrer Wohnungstür. Wir kommen!”
“Okay.”
Bobby erwartete die vier Bullen hinter der geöffneten Wohnungstür, schloss sie und stellte sich ihnen in der Diele als Makler Robert Eliot aus Kapsatdt vor. Er beantwortete wahrheitsgetreu auf Afrikaans die Frage des Colonels, dass er dem anwesenden Gentleman, Mister Vermeulen diese schön gelegene Wohnung zeigen würde. Drei weitere Termine hätte er anschließend mit weiteren Interessenten vereinbart. Seiner Bitte, die Wohnung zu besichtigen, kamen die vier Cops mit staunenden Augen nach und lobten die Aussicht auf die Valsbaai und das Bergmassiv des Tafelbergs. Bobby meinte, dass diese atemberaubende Aussicht einmalig sei und in der näheren Umgebung Seinesgleichen suchen müsse.
„Ist Ihnen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?”
„Nein“, sagte Bobby, „wieso, warum? Wir haben die Wohnung vor einer Stunde betreten. Ist was passiert?”
Mit staunenden Mienen hörten sie zu, als ihnen der Colonel berichtete, dass zwei als Maler verkleidete Gangster das Postamt in Stellenbosch mit gezogenen Kalschnikows überfallen hätten. Ein Beamter sei getötet und ein zweiter verletzt worden. In einem in einer Gasse geparkten Auto seien drei Gangster mit über einer Million Rand in zwei Säcken entkommen. Ein Truckdriver, so erzählte er, hätte die Meldung im Radio gehört und den Kollegen in Caledon berichtet, dass mehrere Männer auf dem Sir-Lowry’s-Pass Pinkelpause gemacht hätten.
Daraufhin waren die vier Cops in zwei Wagen auf den Parkplatz gefahren und hatten zwei verlassene alte Autos vorgefunden. Der VW-Variant hatte sich als einer der Malerwagen entpuppt und ist wahrscheinlich das Fluchtauto. Der Pickup der Maler würde immer noch neben der Einfahrt zur Post stehen. Diese Radiomeldung hätte auch eine Frau gehört und umgehend die Polizei angerufen. Sie gab an, dass sie gesehen hatte, wie zwei Wagen vor dem Bahnhof von Somerset West geparkt wurden und die Männer erst nach langen Minuten mit Koffern ausgestiegen und im Bahnhof verschwunden seien. Sie vermutete, dass die ihr unbekannten Männer wenige Minuten später in den einfahrenden Zug nach Caledon eingestiegen sind.
„Wenn diese Männer sowohl im Bahnhof von Somerset West als auch auf dem Sir Lowry’s Pass gesehen wurden, dann sind sie logischerweise in Richtung Caledon unterwegs”, sagte Bobby. “Zurück zum Bahnhof sind sie bestimmt nicht gefahren, das wäre doch völliger Unsinn. Darf ich mal fragen, wieso Sie bei mir geläutet haben?”
„Ich habe alle acht Klingelknöpfe gedrückt und Sie waren der einzige, der geöffnet hat. Unsere Zentrale wurde nämlich vor einer halben Stunde informiert, dass zwei Männer in diesem Haus verschwunden sind.”
„Das ist durchaus richtig”, sagte Bobby und übergab dem Colonel seine Visitenkarte. “Bei diesen beiden Herren handelt es sich um den hier anwesenden Mister Vermeulen aus Kapstadt und um meine Wenigkeit. Wie bereits erwähnt, bin ich Immobilienmakler und habe für heute drei weitere Termine mit Interessenten vereinbart.”
Als sich die vier Cops verabschiedeten, sagte Bobby zum Colonel: „Ich glaube, dass sich die Gangster in östlicher Richtung aus dem Staub gemacht haben. Sie sollten veranlassen, dass alle Autos, die von Kapstadt kommen in Caledon kontrolliert werden. Außerdem sollten Ihre Kollegen die Passagiere im Zug kontrollieren.”
Beim Verlassen des Neubaus versprach Mendi den Streifenbeamten, dass er Augen und Ohren offen halten würde. Er wünschte ihnen viel Erfolg und gesellte sich zu seinen Kumpels in der kleinen Bahnhofshalle. Einige Passagiere warteten bereits auf den Zug nach Kapstadt.
Vorsicht war geboten.
Ritchie verabschiedete sich und verließ den Bahnhof mit dem Koffer in Richtung Parkplatz. Ben und Robin wünschten Pit und Mendi lautstark eine gute Fahrt und schlenderten gemeinsam die Straße herunter, bis auch sie sich trennten.. Ben verschwand in der Toilette und Robin ging langsam zum Neubau zurück. Im Fünfminutentakt betraten sie das Haus, verabschiedeten sich in der Haustür von Bobby und schlenderten unbekümmert mit ihren Koffern zu ihren beiden Autos und warteten. Zwanzig Minuten später, nachdem Bobby alle Spuren beseitigt hatte, rollte der Crysler vom Parkplatz und folgte dem Ford in Richtung D. C. Malan Airport. Pit verstaute seinen Geldkoffer und die Segeltuchtasche mit der Kalaschnikow im Audi und startete in Richtung City.
Jetzt war er endlich reich wie Krösus, durfte sich aber den Mammon nicht anmerken lassen, geschweige denn, darüber reden. Niemand, auch Birgit durfte niemals von diesem Coup erfahren. Absolutes Schweigen war angesagt. Ihren einfachen Lebensstiel mussten sie beibehalten und trotz fetter Beute mit dem Erwerb eines Grundstücks in Camps Bay oder dem Kauf eines Hauses in Green Point so lange warten, bis er glaubhaft machen konnte, dass er die notwenigen Rand ehrlich verdient und beiseite gelegt hatte. Den Alukoffer wollte er in der Garage verstecken.
Bobby, so sann Pit, hat die Möglichkeit gestiegene Haus- und Immobilienpreise für seinen plötzlichen Wohlstand anzuführen. Auch Robin hatte keine Probleme, Mehreinnahmen zu beweisen und könnte mit dem Verkauf teurer Annoncen in den Yellow Pages seinen Reichtum erklären. Mendi würde mit Versicherungsabschlüssen prahlen und Ritchie könnte behaupten, mehrere teure Sportwagen verkauft zu haben. Nur der alte Ben könnte mit den nagelneuen Bündeln nichts anfangen und musste sie im Bungalow verstecken. Das hatte er auf jeden Fall so laut von sich gegeben, dass alle es hören konnten. Er selbst würde nach und nach ein paar Randnoten aus dem Koffer nehmen und Birgit erzählen, dass wieder ein nobler Gast ein nobles Trinkgeld über den Tresen geschoben hatte. Langsam würde sich in seinem Geheimfach im Schlafzimmerschrank ein hübschen Sümmchen anhäufen und anschließend auf der Bank Zinsen bringen. Kommt Zeit, kommt Rat. Wie gewonnen, so zerronnen war nicht seine Devise, sondern: Wer wagt gewinnt.
Wie der alte Ben so hatte auch Pit keine Möglichkeit, seine erbeuteten Randscheine ohne Wissen seiner Frau in Bobbys anvisierte Küstenprojekte zu stecken und den reichen Investor zu spielen. Birgit würde ihm nicht abnehmen, dass großzügige Zecher ihren Bakschisch verdoppelt hätten und stutzig werden, wenn er aus heiterem Himmel mit Spendierhosen herum läuft.
Er durfte sie auf keinen Fall einweihen und musste sein Geheimnis vor jedermann hüten. Wenn er als Barkeeper im Ritz ins Auge fasste, ein Baugrundstück in Camps Bay zu kaufen, müsste er sich einigen unangenehmen Fragen stellen und sich etwas Glaubwürdiges einfallen lassen. Seine Miene erhellte sich, als er die Lösung seines Problems in Form eines Glücksritters vor sich sah und sich eingestand, dass Bobbys Idee, hohe Summen auf Außenseiter zu setzen und auf dem Kenilworth-Race Cours jeden Samstag Dreierwetten abzuschließen, gar nicht so abwegig war. Gewinne beim Pferderennen wären eine glaubwürdige Antwort auf Birgits berechtigte Fragen.
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