Yamanoe no Okura ist nach seinen Lebensdaten ebensowenig bekannt. Im Jahr 701 reist er als Kanzler einer Gesandtschaft nach China und hält sich da am Hofe auf. Seine zum Teil auffallend naturalistischen ganz hervorragenden Gedichte geben über des Dichters Geist weit besseren Aufschluss, so zum Beispiel die unten mitgeteilte weltberühmte Darstellung der »Armut«.
Ohtomo no Tahibito lebte in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts. Er galt für sehr klug, aber schwer zu behandeln, und überwarf sich jedenfalls mit den regierenden Hausmeiern, den Fujiwara, die ihn schließlich verbannten. Er behielt aber den Titel eines ersten Rates.
Von dessen Sohne Ohtomo no Yakomochi ist ein ältestes Jugendgedicht aus dem Jahre 736 bekannt. Kurz darauf wird er als Page genannt, dann bekleidete er hintereinander zahlreiche hohe Ämter. Das mitgeteilte schöne Gedicht von 755 drückt die Gefühle eines Sakimori aus, eines an die westliche Grenzmark, auf die Insel Tsushii entsandten Lehnsmannes. Der Charakter des Gedichtes ist um so auffälliger, als Yakamochi einer der ältesten und höchstgestellten kriegerischen Familien entstammte und auf seine Gesinnung und seinen Adel gleich stolz war, wie aus dem folgenden von Karl Florenz in seiner Literaturgeschichte inhaltlich wiedergegebenen Gedicht hervorgeht. Die Übertragung der anderen Gedichte des Manyoshu ist aus künstlerischen Gründen zumeist in dem (der japanischen Dichtung selbst nicht gänzlich unbekannten) altertümlichen Stabreim unternommen worden.
Hitomaro
Lang ist die Nacht – So lang wie der lang-hangende Schweif
Silberfasanes, und langhin stelzend
Erglänzet die Nacht dem einsamen Schläfer.
Auf den Hingang des Erbprinzen Hinami
In uralten Tagen,
Himmels wie Erde,
Der hohen Götter
Achthundert Tausende
In Hochversammlung
Versammelt rieten
Im unaustrocknenden
Glänzenden Himmelsfluss,
Festester Veste,
In hohem Rate allda sie rieten:
Erhabener Sonne,
Der sicher Glanzvollen,
Ruhvoller Himmel
Reich ruhmvoll zu reichen.
Der Grünen Ähren
Schwankschilfenes, dichtes
Delta doch zugedachten sie,
Bis zu Himmels und Erde
Endlicher Einigung,
Unserm Erhabnen Gotte,
Der dichten Wolke
Achtfachen Walles
Hehrem Durchbrecher,
Dem zu uns zu kommen
Geruhenden Gottkömmling.
Der erhabene Sonnensproß,
Hochhin-glänzend,
Von Kiyomis Schlosse
Dort zu Asuka,
Gewaltig sitzend,
Zurück gänzlich Gottgleich,
Aufstand Er,
Der Himmlische, zu seiner Himmelfahrt!
Wann unser großer Gebieter,
Der herrliche Fürste,
Herr doch zu sein geruhte
Des Landes unterm Himmel:
Wie die Blüte im Lenze
Zur Lust unsers Landes
Vollkommen wie Vollmond
Uns hätt' er geleuchtet!
Von vielen Enden
Des Lands alle Mannen
Vertraun ihm dann schenkten,
»Groß-Schiff-Vertrauen«,
Wie Wassers vom Himmel
So seiner sie warteten,
Erhebend ihr Auge.
– Er doch:
Was nur dacht' er?!
Dorten auf Mayamis Hügel-
Einsamkeit,
Dorten, auf gewaltigen
Pfeilern zum Grunde
Sich gegründet, die Göttliche
Hochburg dort hat er gebaut sich!
– Morgen ist, doch sein hohes Wort nicht vernehmen wir.
Nach Monden sind Jahre
Gar viele verflogen –
Darum
Sind die Diener im Dienste des hehren Herren
Sind sie alle noch weglos, wie geschlagen!
Abgesang (Hanka)
Die erhabene Pforte des erhabenen Herren,
Zu der hier unsere Augen
Wie zu Himmeln hoch wir wenden,
In Trümmer schon verfällt sie! – Um was noch klagen?
Abgesang, der andre
Die Sonne wohl noch leuchtet,
Kaiserkrapp.
Der Mond allein, der tollkirschenschwarzen
Nächte Wanderer
Hinweg sich wandte. Um was noch klagen?!
Akahito: Auf den Fuji
Vom An-Beginn,
Da die Himmel sich schieden,
Erd und Himmel,
Die Hochverehrlichen,
Von da, gotteinsam
Im Gau Suruga
Raget der Fuji.
Mag ich beschauen
Den Hart-am-Himmlischen,
Vom Rade der Sonne
Das Licht zumeist löscht er.
Vom Mond im Rücken
Der Glanz wird glanzarm.
All weiße Wolken
Wagen kein Wandern.
Alle Zeit ewig
Der Schnee still stöbert.
Alle Zeit fürder
Zu rühmen vermöcht' ich
Den ragenden Fuji.
Abgesang
Verlaß meinen Sitz ich
Zu schauen gen Tago:
Der Schnee wiedrum wirbelte
Altweißem Fuji
Schneeweiße Haube.
Okura: Der Arme
Die Nacht, weil der Regen
Im Sturmwind regnet,
Die Nacht, weil der Regen
Regnet im Schneefall,
Diese Nacht, was beginn ich,
Weil Frost mir ans Bein friert?
– Zu kauen beginn ich
In kleinen Bissen
Althärtesten Salzfisch.
Zu schlucken beginn ich
In kleinen Schlucken
Altfusligen Aufguß.
Husten, der rührt mich,
Ich huste und schnupfe
Derweil meinen Bart,
Den dünnen, ich klimpre:
»Aus der Welt, wenn ich wandre,
Welcher Weise bleibt übrig?«
So heiz ich mit Hochmut,
Der Frost doch mich fröstelt.
Vergeblich Gebinde
Von Hanf mir umhüll ich
Meinem hutlosen Haupte.
Mein Mantel ward ärmellos, loses Leinen
All meine Kleidung
Mit Klugheit mir häuf ich.
– Die Nacht, weil der Grimm friert,
Doch gibt es Frierende,
Noch frostiger denn ich Frostmann:
So Vater wie Mutter
Der Ärmsten hungern.
Es hungern und klagen
Gemahl und Kinder.
»Die Nacht, da der Frost friert,
Was beginnestu, Lieber?«
Himmel und Erde
Die hohen Weiten,
Wie engen sie ein mich!
Sonne und Mond,
Die lichten Leuchten,
Mir liefern sie Licht nicht.
Geht drauß es so allen?
Geht (hauß) es nur mir so?
Man nennt mich doch Menschen,
Gezeuget von Mannheit,
Doch armlose Mäntel,
Ohne Futter Fahrhabe,
Wie Tand mir von Schultern
Das Trödelgut schlenkert!
Zwischen Balken, bröckelnd,
Auf bloßen Boden
Das Stroh mir schütt ich.
Vater und Mutter
Beide zu meinen Häupten,
Kinder und Gattin,
So viele zu meinen Füßen,
Sind stiernack und stöhnen.
Dieweil von dem Herde
Kein Feuer mir hochfliegt,
Im Kochtopfe kalt
Die Spinn' ihr Gespinst zieht.
Arm Reiskorn selber
Nicht kochen mehr kann ich,
Ein Kauz mit den Käuzchen.
– Und (noch nicht zu Ende!)
Die Frone zu heischen,
Kommt – krach! – der Dorfvogt.
Er erschlug meinen Schlummer,
In den ich mich einschlug.
– Der Welt Wege
Sie verweigern den Ausweg!
Nachgesang
Zu oft nur spricht man:
»Die Welt bleibt doch Wirrwarr.«
– Kein Wille drum entflog ihr
Noch jemals. Wir sind nicht Vögel!
Tahibito: Strophen auf den Reiswein
nach einem chinesischen Vorbild
Statt Sorgen sich zu machen
Um das, was doch nicht Nutzen bringt,
Wär's besser, daß voll Sake
Man einen Becher trinkt.
Ein trefflich Wort fürwahr
Sprach jener große Weise
Der alten Zeit,
Als einen Weisen
Den Sake er geheißen.
Was die alten
Sieben Weisen
Männer auch
Am liebsten hatten,
Soll der Wein gewesen sein.
Wenn ich nicht wäre
Was ich nun einmal bin, ein Mensch,
Möcht ich am liebsten
Wohl eine Sake-Flasche sein,
Um mich recht vollzusaugen am Wein!
Und wär's der Schatz sogar,
Den man den unschätzbaren nennt,
Wie könnt' er zu vergleichen sein
Mit einem einz'gen Becher Wein.
Читать дальше