Robert Korn - Aufstiege

Kaum hatten seine Schmerzen nachgelassen, sah er zu seiner Verwunderung seine Füße in einer durchsichtigen Masse stehen. Schon bald fiel ihm auf, dass von einem dunklen Winkel der Höhle aus noch mehr von dieser Masse zu ihnen hineindrang. „Um zu wissen“, sagte er sich, „was es mit dieser auf sich hat, muss ich herausfinden, woher sie kommt.“

Erst nachdem er sich tief nach unten gebeugt hatte, gelang es ihm, sich mit den Händen auch von seinen Beinfesseln zu befreien. Freudig stand er von seinem Sitz auf und durchquerte vorsichtig die Höhle. Nicht weit entfernt von dem Winkel, wo jetzt nur noch wenig von der durchsichtigen Masse ankam, entdeckte er schon bald den Aufgang und ging ihn mit gesteigerter Neugier hinauf.

Schließlich oben angelangt, glaubte er seinen eigenen Augen nicht zu trauen. Direkt vor sich sah er einen großen Regenbogen.

Gerade erschien ein weiterer Schatten auf der erleuchteten Höhlenwand. Doch dann, plötzlich, passierte etwas, was sich in der Höhle noch nie zuvor ereignet hatte: Von einem Augenblick auf den anderen wurde es völlig dunkel.

Alle Gefangenen gerieten sofort in Panik: außer einem, der schon etwas älter war. Dadurch, dass er einen kühlen Kopf bewahrte, konnte er kurz nach Beginn der hereingebrochenen Dunkelheit die Stimme desjenigen Schattens fluchen hören, der eben erst an der Höhlenwand aufgetaucht war. Noch während er sich fragte, wie dies möglich sei, hörte er die Stimme trotz der nach wie vor anhaltenden Angstrufe seiner Mitgefangenen noch einmal.

Zu seiner großen Verwunderung kam es dem älteren Gefangenen jetzt so vor, als wäre die Stimme zugleich hinter und oberhalb von ihm laut geworden. Nach kurzem Überlegen fasste er plötzlich einen ihm geradezu tollkühn vorkommenden Entschluss. „Ich muss mich“, dachte er, „in den rückwärtigen Teil der Höhle begeben. „Nur so kann ich herausfinden, was es mit der Stimme und dem Schatten auf sich hat.

Während seine Mitgefangenen inzwischen dazu übergegangen waren, erregt miteinander zu reden, sprengte er mit aller Kraft seine Ketten und tat im Dunkeln vorsichtig mehrere Schritte nach vorn, bis er an die Höhlenwand stieß. Von da an tastete sich der ältere Gefangene an ihr entlang und gelangte so nach einiger Zeit zum Aufgang. In der Hoffnung, dieser könne ihn in den hinteren und auch höher gelegenen Teil der Höhle führen, ging er ihn zügig hinauf.

Oben angekommen, erblickte er erstmals die Sonne. Ihr Anblick begeisterte ihn so sehr, dass er darüber vergaß, weiter nach dem Schatten zu suchen.

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