Amanoue stolperte hinter dem Diener her und hatte Mühe, dem zu folgen. „Jetzt beeile dich schon und trödle nicht so“, zeterte der ihn an und zerrte ihn grob weiter. „Verstehst du mich, überhaupt?“ „Ja, `err, isch verstehe“, stammelte Amanoue und lief dem Diener verstört hinterher, wieder quer über den Innenhof, bis hin zu einem Anbau. Der fremde Mann öffnete eine Tür und zog ihn in das Gebäude, das lediglich aus einem Raum bestand. „Ich bring hier einen Sklaven, der soll bei euch aushelfen“, sagte er zu einem anderen, finster dreinblickenden Mann, der hinter einem Schreibtisch saß und stieß Amanoue auch schon nach vorn. Der Mann blickte fragend auf und starrte Amanoue erstaunt an, während der Diener umgehend kehrt machte und wieder hinauseilte. „Ein Sklave? Wo kommst du denn her?“, fragte er und musterte ihn über unzählige Pergamente hinweg. „Hast du mich verstanden?“ Amanoue nickte zart, mit demütig gesenktem Haupt. „Ja, `err und isch komme aus Asconien“, antwortete er schüchtern. „Wo liegt das denn? Naja, egal!“, tat er es mit einer Handbewegung ab. „Ich bin hier der Verwalter, was die Bediensteten angeht“, sagte er und stand auf. „Bist ja unglaublich gut gewandet, für eine wie dich und ich denke, dass das wohl nicht die angemessene Kleidung ist, um damit zu arbeiten! Zieh dich schon mal aus und lege die Sachen dort auf die Bank“, ordnete er kalt an und deutete in eine Ecke. Amanoue ging zögerlich hinüber und begann sich verschüchtert auszuziehen. Er legte den warmen Umhang ab, zog die edle Tunika und die warme, weiche Hose, die ihm Henry überlassen hatte, aus und danach das feine Hemd. Darunter trug er noch das seidene Leibchen und die weiße Seidenhose und er hielt zögernd inne. „Was ist?“, fragte der Verwalter barsch und kam auf ihn zu. „Bist wohl schüchtern, hm? Na los, mach schon, geht das nicht schneller?!“, trieb er ihn an und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Amanoue wich etwas zurück, zog sich das Leibchen über den Kopf und schlüpfte schließlich verschämt aus der asconischen Hose. Beides legte er sorgsam auf die anderen Kleidungsstücke und wandte sich, nun beide Hände vor seine Scham haltend, halb ab. „Du bist ja tatsächlich ein Kerlchen“, raunte der Mann schmierig grinsend, „hätte ich nicht gedacht! Hab vorhin echt gedacht, ich hätte mich verhört! Hab dich glatt, für ein Mädchen gehalten“, sagte er, griff sich das Leibchen und befühlte es mit seinen groben, nicht gerade sauberen, Händen. „Mhm, feinste Seide“, murmelte er abschätzig und warf es zurück. Dann ging er zu einer Truhe, öffnete die und kramte darin herum. Er holte eine derbe, filzige Hose, eine ebenso derb wirkende, sackähnliche Tunika und ein paar plumpe Holzschuhe heraus und warf ihm die Sachen vor die Füße. „Hier, das ist wohl eher, die Kleidung eines Sklaven“, sagte er höhnisch. Als Amanoue sich danach bückte, fiel sein Blick auf den goldenen Armreif und seine Augen verengten sich augenblicklich. „Halt! Einen Moment noch“, sagte er schnell und machte einen großen Schritt auf ihn zu. „Was ist das?“, raunte er gierig und zeigte darauf. Amanoue zog rasch die Hose hoch und richtete sich auf. „Eine Sklavenreif“, antwortete er leise. „Ist das Gold?“, fragte der Mann und tastete mit großen Augen danach. „Mach es ab, los“, raunte er beinahe geifernd und versuchte bereits, den goldenen Armreif abzubekommen. „Isch glaube, er ist susammengeswickt, da“, sagte Amanoue leise und der gierige Verwalter nickte. Kurzerhand zog er seinen Dolch, legte die Klinge an den Verschluss und bog die beiden Enden auf. „Wirklich, pures Gold“, murmelte er beinahe ergriffen, dann erblickte er auch noch Henrys Ring, den Amanoue noch immer am Finger trug. „Ist das ein Ring? Gib ihn mir!“, zischte er und packte Amanoues zierliche Hand. „Aber, diese Ring, `abe isch von die König persönlisch. Er `at ihn mir geschenkt“, widersprach der nun doch und zog seine Hand schnell zurück. „Na dann, ist es wohl umso besser, wenn ich ihn für dich aufbewahre, so wie alles andere auch“, raunte der Verwalter schleimig und streckte seine rechte Hand aufhaltend aus. „Du willst ihn doch sicher nicht verlieren oder beschädigen, hm?“ Amanoue kniff misstrauisch die Augen zusammen, doch dann gab er nach und legte den kostbaren Rubinring in die Hand des Mannes, der die sofort darum schloss. Eilig zog Amanoue sich weiter an und die derben Kleider fingen umgehend an, auf seiner zarten Haut zu kratzen. „Gut und nun melde dich in der Küche!“, brummte der Mann und winkte ihn fort. „Was ist? Worauf wartest du noch?“ „Ich soll mit bloßen Füßen ge`en? Aber es ist so kalt, draußen“, antwortete Amanoue fassungslos. Der Verwalter lachte prompt auf. „Du bist ein Sklave! Und dieser Stiefel wohl kaum würdig! Was willst du, du hast doch die Holzschuhe und selbst die, sind noch zu gut, für einen, wie dich! Scher dich fort!“ „Isch weiß nischd, wohin? Wo, ist die Küsche?“, fragte Amanoue, den Tränen nahe. „Fängst du etwa an zu heulen?“, spottete der gemeine Mann herzlos und schubste ihn Richtung Tür. „Einfach, über den Hof! Wirst du wohl finden und jetzt verschwinde, oder ich mach dir Beine!“, rief er und kickte die Holzschuhe zu ihm hin. Amanoue schlüpfte schnell hinein und stolperte unbeholfen damit hinaus. Er schlurfte humpelnd zurück über den Hof, blieb orientierungslos stehen und zitternd, vor Kälte. Sich mehrmals suchend umdrehend, schlang er sich beide Arme um den Leib und versuchte so, sich wenigstens etwas zu wärmen, was allerdings wenig brachte. Bibbernd und zähneklappernd, stand er da und leise hallte das heitere Lachen seiner Kameraden zu ihm herüber, die in der warmen Wachstube saßen, bei Bier und gutem Essen und ausgelassen feiernd. Selbstverständlich hatte Herrik Falco nicht festgenommen und auch nur widerwillig dessen Abzeichen entgegengenommen, rein der Form halber. Bald schon waren Amanoues Hände und Füße taub, vor Kälte und selbst die Tränen, die ihm vom Gesicht tropften, gefroren auf dem kalten Boden, zu Eis. Gerade, als er schon aufgeben und sich einfach fallen lassen wollte, kam ein Mann über den Hof, blieb stehen und entleerte seine Blase, an Ort und Stelle. Nachdem er fertig war, ordnete er kurz sein Gewand, drehte sich um und wollte wieder zurück in die warme Halle gehen. Amanoue zögerte kurz und rannte ihm nach, so schnell er mit den klobigen Schuhen laufen konnte. „Bitte, `err“, rief er laut, „könnt Ihr mir sagen, wo isch die Küsche finde?“ Der Mann blickte sich verdutzt nach ihm um und nickte. „Gleich, da drüben! Die Treppe runter, immer dem Lichtschein nach und der Nase“, antwortete er lachend und wandte sich wieder um. „Vielen Dank, `err“, rief Amanoue ihm nach, lief erleichtert zu der ihm angewiesene Treppe und stieg langsam hinab. Angenehm warme, nach köstlichem Essen duftende Luft, strömte ihm entgegen und er blieb zögernd auf der untersten Stufe stehen. Die Türe war geöffnet und so blickte er verstohlen hinein. In der Küche herrschte noch immer geschäftiges Treiben und allerlei Köche und Küchenhilfen liefen hin und her, laut miteinander redend oder schimpfend. Ein Küchenjunge wurde schließlich auf ihn aufmerksam und kam neugierig auf ihn zu. „Wer bist denn du?“, fragte er und musterte ihn eingehend. „Isch bin“, Amanoue zögerte verschüchtert, „eine Sklave und man `at mir aufgetragen, misch `ier su melden“, antwortete er leise. „Was bist du? Eine Sklavin? Ich hab` dich nicht richtig verstanden“, erwiderte der Junge und kam näher heran. Als Amanoue schüchtern nickte, nahm er verdutzt den Kopf zurück. „Eine richtige Sklavin?“, fragte er erstaunt. Amanoue zwinkerte verwirrt, dann schüttelte er zaghaft seinen hübschen Kopf. „Eine Sklave“, sagte er schluckend. Nun schien der Junge noch erstaunter zu sein. „Du bist ein Junge?“, fragte er ungläubig nach und Amanoue nickte zart. „Hätte ich echt nicht gedacht! Naja, also, hier gibt’s sonst gar keine Sklaven, du bist der erste überhaupt, den ich je gesehen habe“, meinte er etwas irritiert und sah ihn erneut neugierig an. „Wie wird man denn ein Sklave?“ Amanoue zuckte ahnungslos die Schultern. „Isch weiß nischd? Isch bin einfach verkauft worden.“ „Du redest vielleicht lustig! Und wie du aussiehst! Warum ist deine Haut so braun? Wo kommst du her?“, sprudelte es weiter aus dem Jungen heraus. Amanoue war völlig verwirrt und hob nur wieder die Schultern. „Isch weiß nischd“, stammelte er schluckend, „von gans weit weg?“ Der Küchenjunge kicherte erheitert und drehte sich, ihn am Arm fassend, um. „He, Alma! Hier ist ein Neuer!“, rief er in die Küche und eine kleine, dickliche Frau kam umgehend auf sie beide zu. Auch sie musterte Amanoue eingehend, von Kopf bis Fuß. „Er sagt, er wäre ein Sklave und soll sich hier melden“, sagte der Junge zu ihr und zog Amanoue dabei nach vorn. Die Frau hob überrascht ihre Augenbrauen. „Du sollst hier helfen?“, fragte sie, nicht unfreundlich, doch Amanoue nickte dennoch eingeschüchtert. Wie ein Häufchen Elend, stand er vor der fremden Frau und wagte es nicht, sie anzusehen. „Na, hab keine Angst, ich fresse dich schon nicht“, meinte sie beruhigend, „wie ist denn dein Name?“ Amanoue trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. „Manou?“ „Das klang ja eher, wie eine Frage“, sagte sie schmunzelnd, fasste ihn am Kinn und hob es sachte an. „Also, wie nennt man dich?“, fragte sie sanft. „Sie nennen misch, Manou“, antwortete Amanoue, sie schüchtern ansehend und die Frau lächelte. Sie hatte ein gutmütiges, rotwangiges Gesicht und durchaus hübsche, sehr wache, blaue Augen. Ihr Haar war von einer weißen Haube verdeckt, doch am Ansatz konnte man erkennen, dass es wohl blond war. „Wer, nennt dich so?“, wollte sie wissen. „Isch weiß nischd?“, stammelte Amanoue restlos überfordert und senkte schnell wieder seinen Blick. „Ha!“, machte der Junge höhnisch, „der sagt dauernd, dass er nichts weiß!“, lachte er ihn aus, „bist wohl ein bisschen dumm, was?“ „Sei still, Matthias! Und mach, dass du an die Arbeit kommst!“, herrschte die Frau ihn sofort an und der Junge trollte sich augenblicklich. „Und du, kommst erst einmal, mit mir mit“, sagte sie wesentlich ruhiger, nahm Amanoues Hand und zog ihn sanft aber bestimmt, mit sich. Vor einem etwas abseitsstehenden Tisch, blieb sie stehen und deutete auf eine Bank. „Setz dich! Mein, Name, ist, Alma“, sagte sie langsam und erklärend, so als ob sie nun doch nicht mehr sicher wäre, ob er sie verstehen würde. Amanoue setzte sich, mit demütig gesenktem Blick und legte seine zarten Hände in den Schoß. „Bist du hungrig?“, fragte sie und er nickte vorsichtig. „Durstig“, antwortete er leise und wagte es nicht aufzublicken, da sie nun vom ganzen Küchenpersonal umringt waren, denen der Junge nun auch gleich hämisch lachend erzählte, wie dumm Amanoue wäre, als Alma sich plötzlich pfeilschnell umdrehte und ihm eine ordentliche Ohrfeige verpasste. „Hier wird niemand ausgelacht, der mir anvertraut wurde!“, stellte sie unmissverständlich klar. „Und nun, verschwindet! Aber plötzlich oder soll ich euch Beine machen?!“, rief sie energisch und scheuchte die Meute davon, bevor sie sich erneut milde lächelnd an Amanoue wandte, der völlig zusammengesunken, vor ihr saß. „Lass dich nicht von denen beeindrucken! Ich, bin die Köchin des Herzogs“, sagte sie, nicht ohne Stolz und mit einer Hand auf ihrer Brust, „und das hier, ist mein Reich!“
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