Maria Meyer
Mandoria - Das magische Erbe
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Inhaltsverzeichnis
Titel Maria Meyer Mandoria - Das magische Erbe Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Epilog
Impressum neobooks
Cynthia knurrte, als sie die Hufschläge auf dem Gang hörte. Ein Gesicht erschien hinter den Gitterstäben. Es war keiner der beiden Soldaten, die sie hierher gebracht hatten. Sie bewegte sich keinen Millimeter, saß nur im Schneidersitz da, den Rücken kerzengerade, und starrte den Zentauren an. Sie wusste, dass dieser Blick vielen Leuten Angst machte. Auch in den Augen des Wachmanns vor ihrer Tür flackerte Unbehagen auf, wie sie zufrieden bemerkte.
„Eine Vampirin“, stellte er fest, machte jedoch keine Anstalten die schwere Tür zu öffnen. Sie reagierte nicht. Sie hatte sich bewusst direkt auf den Steinboden gesetzt, nicht auf das Stroh oder die Decke. Sicher würden andere Wesen auf den Steinen frieren, doch das letzte Mal als sie Kälte gespürt hatte war schon so lange her, dass sie sich kaum noch daran erinnerte wie es sich anfühlte. Wer sie sah, sollte ruhig wissen, dass sie diese menschliche Schwäche nicht mehr hatte. Vampire wurden verachtet – doch sie wurden auch gefürchtet. Niemand sollte sie für eine wehrlose Gefangene halten.
„Zalador wird heute Abend noch zu unserem neuen König gekrönt“, verkündete der Zentaur. Cynthia lachte bitter. Sie konnte fast spüren wo sich das Seil, das der Zauberer heraufbeschworen hatte, um ihren Körper zusammengezogen hatte. Wenigstens hatte man ihr das wieder abgenommen. „Was?“, fragte sie spöttisch, „diese Absurdität? Ein Mensch, der zu etwas Unnormalem geworden ist? Das kommt mir so bekannt vor... Ach nein, es ist doch etwas ganz anderes. Die magische Ausbildung macht man nämlich freiwillig!“
„Du bist nicht hier, weil du ein dreckiger Halbdämon bist. Niemand hat dir und deinen Artgenossen den Krieg erklärt“, schnaubte der Zentaur. „Habt ihr etwa nicht freiwillig für Ramos gekämpft?“ Cynthia dachte an Tim, der ihr Freund gewesen war und sie dann als Bestie beschimpft hatte. Sie dachte an ihre Eltern, die mitten in der Nacht das Dorf verlassen hatten, wahrscheinlich um irgendwo hinzuziehen, wo niemand wusste, dass das Kind, das sie zurückließen einen streunenden Wolpertinger getötet hatte um sein Blut zu trinken. „Mir wurde hundertmal der Krieg erklärt“, sagte sie. „War’s das jetzt?“
Der Zentaur runzelte wütend die Stirn. „Ich bin nicht gekommen, um mich mit dir zu unterhalten. Der neue König lässt allen Gefangenen ausrichten, dass diejenigen, die einwilligen seine Fragen zu beantworten, sofort zu ihm geschickt und noch heute freigelassen werden. Cynthia musste fast lachen. „Und, wie viele haben bis jetzt eingewilligt?“ Der Zentaur schluckte. „Niemand“, antwortete er. „Die anderen Gefangenen haben sich in ihren Zellen umgebracht.“ Natürlich hatten sie das. Es waren Dämonen und zwar nicht gerade mächtige. Es würde nicht lange dauern, bis die Unterwelt sie wieder ausspuckte.
Sie hatte allerdings nur ein Leben zu verlieren. „Und was passiert wenn man sich verweigert?“, verlangte sie zu wissen. Der Zentaur schüttelte den Kopf. „Du hast keine Angst, weil du weißt, dass Zalador immer gegen Folter plädiert hat, was? Glaub mir, ein Zauberer hat andere Mittel und Wege aus dir herauszukriegen was er wissen will. Wenn du mitkommst, bist du noch heute frei – wenn du hier bleibst gewinnst du am Ende gar nichts.“
Cynthia bleckte ihre Fangzähne. Sie hatte seit zwei Tagen kein Blut getrunken. Nur zu gerne würde sie sich auf diesen arroganten Wärter stürzen. „Eine Sache werde ich dir verraten“, meinte sie. „Arkaros ist am Leben.“ Der Gedanke an ihn brachte sie selbst zum Schaudern und sie hoffte er würde auch dem Zentauren Angst machen. „Ihr könnt euch weiterhin in Sicherheit wiegen, aber er lebt und er wird dich töten. Und weißt du warum? Weil du anders bist als er. Kommt dir das bekannt vor?“
Sie lächelte, als sie den Schrecken in seinen Augen sah.
„Verehrte Anwesende, bitte erheben sie sich!“ Eine laute Fanfare ertönte und das Tor des Thronsaals wurde von zwei Zentauren mit wallenden roten Umhängen aufgerissen. Ruckartig erhob ich mich von dem aufwendig verzierten Stuhl. Gleichzeitig sprangen überall im vollbesetzten Saal Leute auf und wandten ihre Gesichter dem Tor zu. Während die Trompeten eine majestätische Melodie spielten, die den ganzen Saal erfüllte, begann eine Prozession langsam ihren Weg, zwischen den beiden Blöcken von Stuhlreihen hindurch, auf uns zu.
Vorneweg schritt ein Soldat in reich geschmückter, goldener Rüstung und mit einer Vielzahl von glänzenden Orden an der Brust. Ihm folgte ein alter Feenmann mit gütigem Gesicht und einem schlichten, schwarzen Anzug, in dem am Rücken zwei Spalte für seine schmetterlingsähnlichen Flügel waren. Beide wurden von Elfen mit einer roten Kappe über den spitzen Ohren und einem purpurfarbenen Kissen in den Händen begleitet.
Überall im Saal wurden die Köpfe gereckt. Auch ich lehnte mich nach rechts und schob Danny ein Stück zur Seite, um einen Blick auf die goldene Krone und das reichverzierte Schwert zu erhaschen, die auf den Kissen thronten.
Aber dann wurde die Aufmerksamkeit der Gäste auf etwas anderes gelenkt. Hinter dem Feenmann und dem Elf folgte ein weiteres Paar: Tom, der einen schwarzen Anzug mit dunkelbraunem Einstecktuch trug, das zu seiner dunklen Haut und dem braunen Edelstein in seinem goldenen Amulett passte, und neben ihm ein weiterer Elf mit roter Kappe. Mein Herz machte einen kleinen Freudensprung, als ich Finn erkannte. Er hielt den Kopf hoch erhoben und schaute sowohl aufgeregt, als auch ziemlich selbstzufrieden drein. Auf dem Kissen, das er trug, lag ein goldenes Amulett mit einem makellosen, funkelnden Diamanten, der den ganzen Saal in matten Glanz tauchte – das Amulett des Lebens.
Ich schaffte es nicht, das Lächeln von meinem Gesicht zu wischen. Finn sah so stolz aus. Und er hatte es wirklich verdient. Ich wusste, dass so sein Mut und seine Aufopferungsbereitschaft geehrt wurden. Auch Lucy neben mir hatte den Elfen erkannt. Sie fing meinen Blick auf und lächelte.
Lucy sah wunderschön aus. Sie trug ihre schwarzen Haare in einer lockeren Hochsteckfrisur und das blassblaue, knielange Kleid passte perfekt zu ihren Augen. Eigentlich sahen alle Amulettträgerinnen unglaublich aus. Während die männlichen Amulettträger schwarze Anzüge mit unterschiedlichen Einstecktüchern trugen, hatte man uns in extra für diesen Anlass gefertigte Kleider gesteckt. Hier im Palast waren wir eingekleidet worden. Als ich mich danach im Spiegel gesehen hatte, hatte ich mich selbst kaum wiedererkannt. Ich trug ein bodenlanges Kleid aus silbrig-weißem, unglaublich leichtem Stoff, in dem sich das Licht in den Regenbogenfarben brach, genau wie in dem Edelstein auf meiner Brust. Meine hellbraunen Haare, die von Natur aus ein wenig lockig waren, waren mit silbernen Spangen verziert. Selbst die hässliche Wunde an meinem Arm war dank der Heilkunst der Elfen und Feen inzwischen nicht mehr als eine feine, weiße Narbe. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl atemberaubend schön zu sein.
Eine weitere Fanfare ertönte und hinter Tom und Finn erschien Zalador, flankiert von der königlichen Leibwache, vier Männern mit dunklen edelsteinbesetzten Brustpanzern. Seine weißen Gewänder waren mit goldenen Mustern verziert. Ein Edelstein – ein Diamant – wiederholte sich hier immer wieder. Das Symbol für das Amulett des Lebens – das Symbol des Königs von Mandoria.
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