Die Hinrichtung
Mit dem Widerruf gelten die beiden Angeklagten als »Relapsi«, als Rückfällige, was in einem Inquisitionsprozess dieser Zeit zwangsläufig zum Tod auf dem Scheiterhaufen führen muss. Beide Männer wissen also von vornherein, was ihnen droht, doch hat Jacques de Molay schon 1307 unter Berufung auf eine zuvor erfolgte Folterung seine ersten, den Orden belastenden Aussagen widerrufen. Das bleibt ohne Folgen, und entweder hofft de Molay darauf, wieder mit dem Leben davonzukommen, oder er hat den Kampf endgültig aufgegeben. Was ihn in seinem Entschluss zu widerrufen wirklich bestärkt, ist nicht bekannt. Und zunächst scheint die Rechnung des Großmeisters aufzugehen. Die päpstliche Kommission will nach diesem überraschenden Widerruf für den nächsten Tag eine weitere Sitzung einberufen, doch König Philipp IV. nimmt den kirchlichen Würdenträgern die Entscheidung aus der Hand:
»Am selben Tag zur Vesperstunde wurden sie auf einer kleinen Seineinsel zwischen den königlichen Gärten und der Augustinerkirche zum Feuertod abgeführt… Man sah sie so entschlossen, den Feuertod zu erleiden, mit einer solchen Willenskraft, dass sie bei allen, die bei ihrer Hinrichtung anwesend waren, Bewunderung und Erstaunen wegen ihrer Standhaftigkeit im Sterben und im Leugnen im Angesicht des Todes hervorriefen.« [Continuation de Guillaume de Nangis, Bd. I, S. 402-403; zit. n. Demurger, 1992, S. 261]
Gottfried von Paris, der als Augenzeuge die Hinrichtung miterlebte, berichtet in der »Pariser Reimchronik« von den letzten Momenten im Leben Jacques de Molays:
»Der Großmeister, der das Feuer angezündet sah, entkleidete sich ohne Zögern. Ich erzähle es, wie ich es gesehen habe. Ganz nackt in seinem Hemd kam er heran, mit leichtem Schritt und froher Miene, ohne irgendwie zu zittern, trotzdem man ihn zog und stieß. Man nahm ihn, um ihn an den Pfahl zu binden, und wollte ihm die Hände fesseln, aber er sagte zu den Henkern: ›Ihr Herren, lasst mich wenigstens die Hände falten und Gott mein Gebet darbringen, es ist wohl der Augenblick dazu gekommen. Ich werde sterben. Gott weiß, dass es zu Unrecht geschieht. Ihr Herren wisst, daß alle jene, die gegen uns waren, für uns werden leiden müssen. In diesem Glauben sterbe ich. Dreht mich, bitte, mit dem Gesicht zu der Jungfrau, die unseren Herren Jesus Christus geboren hat.‹« [Gottfried von Paris, zit. n. Loos, 1997, S. 112-113]
Die Henker sind gnädig, und so darf er mit dem Blick über die königlichen Gärten und die Sainte-Chapelle hinweg auf die Türme der Kirche Notre-Dame gerichtet sterben. Der Tod kommt, wie die Reimchronik berichtet, leicht und schnell, was großes Erstaunen unter den Zuschauern auslöst.
Hugues de Pairaud und Gottfried von Gonneville haben durch ihr Schweigen ihr Leben gerettet, sie finden ihr Ende im Gefängnis. Wenn man dem Bericht des Florentiner Chronisten Guillaume Villani Glauben schenkt, wurden die Asche und die Knochen der Verbrannten von einigen Nonnen und »heiligen Menschen« eingesammelt und als Reliquien verwahrt. [Demurger, 1992, S. 261]
Philipp IV – Biografie des Tyrannen
Clemens V. überlebt die Hinrichtung des Großmeisters der Templer nicht lange. Bereits am 20. April 1314 stirbt der schon immer kränkliche Papst in dem Ort Roquemaure. Nach der Sächsischen Weltchronik gelten die letzten Gedanken des Sterbenden seiner Verwicklung in den Prozess gegen die Templer. Er beklagt, von seiner Habsucht dazu getrieben worden zu sein, die Templer zu verurteilen, und bereut.
Dem französischen König ist auch kein langes Leben mehr vergönnt. Philipp IV. der Schöne hat Anfang November 1314 während einer Jagd im Forst von Saint-Maxence einen Unfall, von dem er sich nicht mehr erholt. Am 29. November 1314 stirbt er in Fontainebleau.
Er hat den Thron Frankreichs 1285 als Nachfolger seines Vaters Philipp III. bestiegen. Es heißt von Philipp IV. er starre die Menschen nur an, ohne etwas zu sagen. Wenn er auch vieles von Menschen seines Vertrauens erledigen lässt, bleibt er dabei doch nicht abseits, sondern verfolgt aufmerksam den Verlauf der Vorgänge anhand der Akten. Entscheidungen trifft er gestützt auf die Vorarbeiten seiner Helfer. Der Jagd ist der König mit Leidenschaft zugetan. Durch seine Ehe mit Johanna von Navarra, die er aufrichtig liebt, hat er auch das spanische Königreich Navarra und die Champagne seinem Herrschaftsbereich hinzufügen können. Die Besetzung der englischen Besitzung Guyenne endet mit dem Vertrag von Paris im Jahr 1303, in dem der Friede mit England wiederhergestellt wird. Aber noch gehören Teile Frankreichs zu England. Auch Flandern okkupiert und konfisziert Philipp IV. Doch den Widerstand der Flamen kann er nicht brechen. Die flämischen Stadtmilizen siegen in der »Sporenschlacht« am 11. Juli 1302 über die französischen Truppen. In den folgenden Verhandlungen, die bis zum Tode des Königs andauern, wird keine Einigung erzielt. Dagegen gelingt es Philipp IV, die Fürstgrafschaft Burgund, die bisher zum deutschen Kaiserreich gehört hat, zu erhalten.
Ein schwerer Konflikt entsteht zwischen dem König und Papst Bonifaz VIII. Mit einem Verdikt hat der Papst jegliche Besteuerung des Klerus ohne seine Zustimmung verboten. Eine Einigung der beiden Parteien ist nicht möglich; schließlich fordert im März 1303 die königlich-französische Partei die Absetzung des Papstes wegen seines Beharrens auf dem Herrschaftsanspruch der Kirche. Dieser Konflikt findet seinen Höhepunkt und sein Ende im »Attentat von Anagni«. Guillaume de Nogaret, Thiery di Hirecon und Jacques de Jasseines nehmen den Papst im Auftrag des Königs gefangen, doch die Bürger der Stadt Anagni befreien Bonifaz VIII. wieder. Infolge einer Verletzung, die er sich während der Kämpfe zuzieht, stirbt der Papst wenig später. Das Konzil wählt einen Kandidaten, der sowohl der Partei Frankreichs wie den Feinden des französischen Königs genehm ist, Clemens V.
Seine ständige Geldnot versucht Philipp IV. zunächst durch Münzverschlechterungen, dann durch die Vertreibung und Ausplünderung zunächst der italienischen Bankiers, der »Lombarden«, und dann der Juden Frankreichs zu beheben. Verschiedentlich wird vermutet, auch die Vernichtung des Templerordens sei in der Hoffnung auf den Besitz des Ordens in die Wege geleitet worden. Doch kann sich der König nie die Hoffnung gemacht haben, die Besitztümer des Ordens, über die allein die Kirche bestimmen darf, in seine Hand bringen zu können.
Oder glaubt er, dass er Clemens so beherrscht, dass ihm das Geld zufallen wird? Sein Grab findet Philipp IV. in der Kirche Saint Denis in Paris, es ist von einer Steinskulptur des Königs gedeckt.
Die Aufnahme in den Templerorden
Der Orden der Templer war ein so genannter Ritterorden, der sowohl kämpfte wie betete. Seine Hauptaufgabe war der Schutz der Pilgerstraßen im Heiligen Land. Weil die Tempelritter in ihren Niederlassungen, den Komtureien, Wechsel für hinterlegtes Geld ausstellten, die der Besitzer dann in einer weiteren Templer-Niederlassung am Zielort wieder gegen Bares einlösen konnte, beherrschte der Orden den innereuropäischen Geldverkehr. Da er zudem als Inbegriff des christlichen Rittertums galt, vermachten viele Adlige den »armen Rittern« Land und Besitz. Tempelritter zu sein war eine ehrenvolle und erstrebenswerte Laufbahn.
Die Aufnahme in den Templerorden folgt einem genau festgeschriebenen Ritus. Der Kandidat hat nur eine Bedingung zu erfüllen: Er musste ein freier Mann sein. Das Hauptinteresse des Ordens liegt insbesondere darin, waffenfähige Mitglieder aufzunehmen, die im Heiligen Land gegen die Heiden kämpfen können. Wenn auch formal jeder beitreten darf, rekrutiert sich der Großteil der Mitglieder aber aus dem niederen und mittleren Adel. Die Bewerber müssen zunächst eine Probezeit hinter sich bringen, in der ihre Eignung zum Dienst für den Orden geprüft wird.
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