»Ich dachte, ihr Typen könnt nicht schwimmen«, sagte Tracy.
»Manche können es, manche nicht«, erwiderte Justin und zuckte mit den Achseln. »Was meint ihr — beenden wir jetzt die erste Halbzeit?«
Falbo sagte: »Mit Vampis schwimm ich nicht. Ich ver schwinde von hier.«
Sobald er das tat, glitt Thornton ins Wasser.
Es war wirklich kein besonders gutes Spiel (doch das waren unsere Spiele ja nie). Aber es war eine andere Art von »nicht besonders gut«, als wir je zuvor gehabt hatten.
Die vier Jenti brachten den Ball bei so gut wie jedem Schlag ins Tor von St. Biddulph. Wenn die Jungs von St. Biddulph es einmal schafften, ihn zu uns zurückzu schicken, schnappte ihn sich immer einer der Jenti und schickte ihn mit Raketengeschwindigkeit wieder hinü ber. Für die Gadje gab es nicht mehr zu tun, als den Jenti den Ball zuzuspielen und ihnen nicht im Weg zu stehen.
Ich beschloss unser Tor zu hüten — nur für den Fall. Als ich mich umdrehte, um zu ihm zurückzuschwimmen, entdeckte ich, dass unsere Reservebank verschwunden war. Unsere unechten Ersatzspieler waren weg. Das kam mir seltsam vor. Sie hatten sonst immer bis zum Ende durchgehalten.
Ein paar Minuten später kamen sie wieder. Sie hatten ihre normale Kleidung an und führten grüppchenweise Freunde auf die Zuschauertribüne.
Die Jenti kamen so in die Schwimmhalle, wie sie auch sonst alles taten — ruhig. Sogar der Klang ihrer Schritte auf den Stufen war gedämpft. U n d niemand unterhielt sich. Sie schauten bloß zu.
Jedes Mal wenn ich aufblickte, waren mehr von ihnen da. Zuerst füllten sie die Plätze auf der einen Seite, dann die auf der anderen. Die Nachricht verbreitete sich über den ganzen Campus. Sogar kleine Jenti aus der Grund schule begannen herbeizuströmen und wurden von den Highschool-Kids auf den Schoß genommen. Am Ende der ersten Spielhälfte sah es so aus, als wäre die ganze Schule da.
Justin blickte auf die bis auf den letzten Platz besetzte Zuschauertribüne.
»Irgendwie macht mich das nervös«, sagte er. »Was ist, wenn wir nicht so toll abschneiden?«
»Es steht zweihundertundelf gegen null«, erwiderte ich.
»Ist das gut?«, fragte er.
»Selbst wenn wir jetzt aufhören würden zu spielen, könnten wir nicht mehr verlieren«, war meine Antwort.
»Ehrlich gesagt habe ich es mir schwieriger vorge stellt«, sagte Thornton. »War das wirklich alles?«
»Ah, ja«, sagte ich.
»Ich verstehe nicht, warum die staatlichen Behörden dem Ganzen so viel Bedeutung beimessen.«
»Es geht wohl um eine umfassende Ausbildung«, merk te Helen an.
»Muss wohl so sein«, stimmte Carlton ihr zu.
Ryan tobte inzwischen die Schwimmhalle rauf und runter.
»Underskinker. Wo ist Underskinker! Ich will Un derskinker jetzt sofort sehen!«
U n d dann tauchte unser Trainer auf. Er kam aus dem Umkleideraum und hielt sich am Türrahmen fest.
Ryan rannte zu ihm hinüber und fuchtelte mit dem Finger vor Underskinkers Gesicht herum.
»Du hast kein Recht, Vampire in deiner Mannschaft einzusetzen«, brüllte er. »Nur Menschen. So steht es in den Spielregeln! U n d wenn nicht, dann sollte es das ge fälligst. Ich erkläre dieses Spiel für ungültig.«
Ich ging zu ihnen hinüber.
»Heißt das, Sie geben auf?«, fragte ich. »Nebenbei be merkt — Jenti sind Menschen.«
»Wir geben nicht auf, du Flasche!«, tobte Ryan. »Wir spielen bloß nicht. Hast du das kapiert, du Flasche?«
»He!«, sagte Underskinker. »Nenn diese Flasche da nich Flasche! Ich bin hier der Einzige, der seine Flaschen Flaschen nennt!« Dann beugte er sich zu mir herunter.
»Wie is der Punktestand?«
»Zweihundertundelf zu null«, antwortete ich. »Es ist Halbzeit.«
Underskinker sah verwirrt aus.
»Ryan, warum willste denn mit so nem Vorsprung aufgeben?«
Ryan stieß einen unartikulierten Laut aus.
»Trainer, es ist unser Vorsprung«, erklärte ich. »Wir gewinnen das Spiel.«
»Hä? W i e is 'n das passiert?«, fragte Underskinker.
»Das erzähl ich Ihnen später«, antwortete ich.
»Okay«, stimmte er zu.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte Carlton. »Aber wir fangen an trocken zu werden. Wir sollten vielleicht ins Wasser zurück.«
»Nichts da! Wir verschwinden von hier.« Ryan stol zierte zu seiner Mannschaft hinüber, ließ seine Pfeife er tönen und winkte mit den Armen. »Macht schon, wir ziehen Leine!«, brüllte er. »Bewegt eure Arsche!«
»Geben Sie auf, Trainer?«, rief einer der Anzugträger von der Zuschauertribüne herunter.
»Wenn Sie jetzt gehen, müssen Sie aufgeben, Trainer«, sagte der zweite Anzugträger.
»Ja!«, schnauzte Ryan ihn an, riss sich die Baseball kappe vom Kopf und schmiss sie ins Becken.
Als er, gefolgt von seiner Mannschaft, davonschlich, erhoben sich die Jenti. Irgendwo ganz hinten auf der Zuschauertribüne begann jemand zu klatschen. Es war kein amerikanisches Klatschen, sondern ein europä isches; alle fingen langsam an, blieben im Takt, wurden schneller und schneller, bis der Applaus zum Schluss ex plodierte und es sich anfühlte, als würde der ganze Platz beben.
In der ersten Reihe, in der Nähe von Horvath, stand Gregor. Er schaute grimmig drein wie immer, aber er klatschte sich die Seele aus dem Leib. Genauso wie seine Freunde. U n d Horvath.
»He, das ist echt okay«, sagte Pyrek.
»Daran könnte ich mich gewöhnen«, meinte Tracy.
Als Justin, Helen, Carlton und Thornton sich am an deren Ende des Schwimmbeckens aufstellten und sich verbeugten, brachen die Jenti in Jubel aus.
Da kam Justin herüber und holte mich. Er führte mich zu den anderen und hob meinen Arm über meinen Kopf.
Daraufhin setzte ein Sprechchor ein und es war Gre gor, der ihn anstimmte: »Gad-jo, Gad-jo, Gad-jo, Gad-jo!«
Die ganze Zuschauermenge machte mit.
Um Justin, Carl ton, Helen und Thornton herum wim melte es von Jenti. Es war wie bei dem Tanz auf Ileanas Party. Ihre ganze kühle Distanziertheit war verflogen; wie Panther strömten sie von der Zuschauertribüne herab. In nerhalb einer Minute war jeder der Seikies von einem Kreis großer, dunkler, aufgeregter Bewunderer umgeben.
Ich hörte, wie Helen sagte: »Es war alles Justins Werk, wisst ihr. U n d Cody Elliot hat es Justin beigebracht!
Eigentlich hat er es uns allen beigebracht.«
»Er ist unser Anführer«, hörte ich T h o r n t o n sagen.
»Ich glaube, der korrekte Ausdruck ist Kapitän«, sagte Carlton. »Aber ich bin mir nicht sicher. Ich war vorher noch nie in einer Mannschaft.«
Dann drängten sich noch mehr Jenti zwischen uns und ich konnte nicht mehr hören, was sie sagten.
Horvath, Charon und die Anzugträger kamen von der Zuschauertribüne herunter. Horvath war völlig hinge rissen von Underskinker, schüttelte ihm die Hand, klopfte ihm auf den Rücken, beglückwünschte ihn.
»Komm schon«, sagte ich zu Justin. »Wir müssen hö ren, was als Nächstes passiert.«
»Wie Sie sehen können, meine Herren«, sagte Hor vath zu den Anzugträgern, »ist die Wasserballmannschaft der Vlad Dracul in Bestform und, wie ich zu behaupten wage, den anderen Mannschaften ebenbürtig. Ich hoffe, Ihr Bericht an die Schulbehörde wird diesen Sachverhalt widerspiegeln.«
»Ich bin mir da nicht so sicher«, sagte Anzugträger Nummer eins. »Es hat ein paar Unregelmäßigkeiten gegeben.«
»Ja«, sagte Anzugträger Nummer zwei. »Was sind das zum Beispiel für Dinger in Ihrer Mannschaft?«
»Kinder, meine Herren! Schüler der Vlad Dracul.
Habe ich Recht, mein Sohn?«, hörte ich die Stimme meines Vaters hinter mir.
Ich fuhr herum. Wo war der denn hergekommen?
»Mein Sohn, sind das deine Mitschüler oder nicht?«, fragte Dad noch einmal.
»Ah ... ja«, antwortete ich.
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