MacNeil legte die Stirn in Falten. »Na schön, ich glaube dir, Constance. Was bleibt mir auch anders übrig.
Sprich's aus, womit haben wir's zu tun? Mit einem Dämon?«
»Nein, es ist um einiges älter. Ich weiß auch nicht genau, wo es steckt, jedenfalls nicht unmittelbar unter der Falltür, sondern sehr viel tiefer.«
MacNeil nickte. »Wir müssen uns die Sache aus der Nähe ansehen. Ist es gefährlich, nach unten zu gehen?«
»Ja«, antwortete die Hexe. »Aber frag mich nicht, wie sehr.«
»Deine Hinweise sind ziemlich dürftig.«
»Besser weiß ich es nicht. Und überhaupt, warum willst du unbedingt da runter? Warum warten wir nicht einfach, bis Verstärkung gekommen ist?«
»Denk doch mal nach«, erwiderte MacNeil. »Ich habe den Auftrag, das Gold zu finden, koste es, was es wolle.
Wie würden wir dastehen, wenn herauskommt, dass wir von der Falltür wussten, aber aus Angst darauf verzichtet haben, einen Blick dahinter zu werfen? Nein, Constance, ich werde sie öffnen und nach unten steigen.
Flint, Giles, haltet euch bereit. Wenn die Tür offen ist, und es steigt etwas daraus hervor, schlagt zu und fackelt nicht lange.«
»Verstanden«, antwortete Flint. Der Tänzer schmunzelte.
An Constance gewandt, sagte MacNeil: »Sei auf der Hut und hilf uns, wo du kannst. Aber komm uns bloß nicht in die Quere. Die Kämpfer sind wir.«
Die Hexe nickte, worauf MacNeil nach dem ersten der beiden Riegel griff - und die Hand sofort wieder zurückzog, denn er hatte den Eindruck, als sei das Eisen unter seiner Berührung lebendig geworden. Er schaute es sich aus der Nähe an, konnte aber nichts Ungewöhnliches feststellen. Das sind die Nerven, dachte er, nur die Nerven, nichts weiter. Wieder packte er zu und zerrte daran. Der Riegel rutschte zur Seite, wie geschmiert und fast lautlos. MacNeil schluckte und versuchte sich an der zweiten Eisenstange. Die war sehr viel weniger leicht zu bewegen, und er musste sich mächtig ins Zeug legen, um auch sie beiseite schieben zu können. Danach nahm er den schweren Eisenring in der Mitte der Tür in beide Hände, holte tief Luft und zog mit aller Kraft, zunächst ohne Erfolg. Doch er ließ nicht locker, bis es plötzlich laut krachte und die Tür schwungvoll aufflog.
Und aus der Öffnung quoll Blut, zähflüssig und in nicht enden wollendem Strom. Es spritzte bis unter die Decke und fiel als roter, stinkender Regen zurück. Immer mehr Blut flutete aus dem Loch und überschwemmte den gesamten Keller. MacNeil und die anderen versuchten Reißaus zu nehmen, doch es gab für sie kein Entrinnen.
Unaufhörlich und unter gewaltigem Druck ergoss sich das Blut. Dann aber, urplötzlich, versiegte der Strom.
MacNeil hob den Kopf und schaute sich um. Blut tropfte vom Gewölbe und rann dampfend von den Wänden.
Der ganze Raum sah aus wie mit roter Farbe frisch gestrichen. Der Gestank war kaum auszuhalten. Vorsichtig rückte MacNeil auf die Luke zu. Die anderen taten es ihm gleich. Alle vier waren über und über mit Blut beschmiert. Flint schüttelte angewidert den Kopf.
»Auf Schlachtfeldern geht's jedenfalls weniger blutig zu«, bemerkte sie. »Wo zum Teufel kommt das ganze Blut wohl her?«
»Keine Ahnung«, sagte MacNeil. Er starrte ins dunkle Loch, konnte aber nichts sehen. Stattdessen schlug ihm noch immer der Gestank frischen Blutes entgegen. Constance reichte ihm ihre Laterne, die er vorsichtig in den Ausschnitt senkte. Im Schein des gelben Lichtes entdeckte er Stufen aus grob behauenem Holz, die in einen engen Stollen hinabführten. Weiter reichte das Licht nicht. MacNeil sah nur, dass Stufen und Stollenwände restlos mit Blut beschmiert waren. Die anderen hockten sich neben ihn und schauten hinab, als plötzlich Geräusche aus der Tiefe herauftönten, die alle vier vor Schreck erstarren ließen. Es waren schlurfende Geräusche; ob sie sich näherten oder entfernten, war nicht zu unterscheiden. MacNeil sah den Gefährten an, dass auch sie keinen Rat wussten. Plötzlich verstummten die Geräusche. MacNeil setzte die Laterne ab und zog sein Schwert.
»Flint, du bleibst mit Constance hier und hältst Wache. Tänzer und ich steigen nach unten. Mal sehen, was sich hinter dem Tunnel verbirgt.«
Grinsend zückte der Tänzer seine Klinge.
MacNeil fuhr fort: »Wenn was schief geht, macht die Tür zu und legt die Riegel vor, gleichgültig, ob wir wieder draußen sind oder nicht. Falls da unten Gefahr lauert, will ich nicht, dass sie sich auch noch auf das ganze Fort erstreckt. Seht also zu, dass die Falltür sicher verschlossen ist, und meldet der Verstärkung, die hoffentlich bald eintrifft, was geschah.«
»Wir können dich und den Tänzer doch nicht einfach im Stich lassen«, meinte Constance.
»Doch, das können wir«, entgegnete Flint. »Er hat Recht, Constance. Unsere Pflichten als Ranger gehen vor. Wir haben unseren Job zu tun.«
Die Hexe wandte sich ab. Mac Neil sah sie einen Augenblick lang an, nahm dann die Laterne zur Hand und schlüpfte vorsichtig durch die Türöffnung. Die schmalen Holzstufen knarrten unter seinem Gewicht, hielten aber stand. Die Laterne am langen Arm vor sich herführend, stieg er langsam hinab ins Dunkle. Der Tänzer folgte dichtauf, das Schwert in Bereitschaft. Schatten trudelten an den Wänden bedrohlich umeinander.
MacNeil zählte dreizehn Stufen, bis er an einen Stollen kam, der kaum zwei Schritt breit war. Er rückte ein Stück zur Seite, duckte sich, um den Kopf nicht anzustoßen, und ließ den Tänzer zu sich aufschließen. Schulter an Schulter rückten sie nun weiter vor. Die Tunnelwand war wie abgezirkelt, so rund gewölbt, zeigte aber keinerlei Spuren menschlicher Werkzeuge. Über den glatten, festen Lehm rann Blut, das auch in glitschigen Pfützen den Boden bedeckte. MacNeil hatte den Eindruck, er schliche durch die Eingeweide eines Riesen. Der Gestank war so entsetzlich, dass es ihm den Atem verschlug. Er hielt einen Augenblick lang inne und lauschte, doch das Geräusch von vorhin war nicht mehr auszumachen. Zögernd setzte er sich wieder in Bewegung. Der Tänzer tappte leise nebenher. Ihn an der Seite zu wissen beruhigte MacNeil. Dunkelheit, Stille und Gestank wären für ihn sonst kaum auszuhalten gewesen; allzu sehr erinnerten sie ihn an seine Zeit im Finsterholz. Er hielt das Schwertheft fest in der Hand, die, wie er spürte, trotz der Kälte zu schwitzen anfing.
Gleichgültig, auf was er stoßen mochte, er würde sich mit der Waffe durchsetzen. Er war Gardist und Ranger; durch nichts in der Welt ließ er sich aufhalten.
Und doch ist es schon vorgekommen, dass du am liebsten Reißaus genommen hättest. Die Dämonen tauchten auf aus der langen Nacht, so zahlreich, dass du mit dem Töten nicht schnell genug nachgekommen bist. Da wolltest du schon kehrtmachen und davon rennen. Und fast wär's so weit gewesen, aber da setzte zum Glück die Dämmerung ein. Die Sonne ging auf und trieb die Dämonen ins Dunkle zurück. Dich hat gerettet, dass es Tag wurde. Ob du damals weggelaufen wärst oder nicht, wird somit immer eine offene Frage bleiben.
MacNeil blendete die mahnende Stimme aus und konzentrierte sich auf das, was vor ihm lag. Der Tunnel war anscheinend leicht abschüssig und er fragte sich beklommen, wie tief er wohl reichen mochte. Immer wieder rutschte er mit den Sohlen auf dem blutverschmierten Grund aus. Die Schatten buckelten und huschten so sehr umher, wie die Laterne in seiner Hand auf und ab wippte. Er warf dem Tänzer einen Blick zu und sah, dass der ganz und gar unbeeindruckt zu sein schien. Seine Miene wirkte so ruhig und entspannt wie immer. Plötzlich hob er eine Hand und blieb stehen. MacNeil hielt gleichfalls an.
»Was ist?«, flüsterte er.
Der Tänzer schüttelte den Kopf. »Hör doch mal.«
MacNeil krauste die Stirn und lauschte. Aus der Tiefe des Tunnels vernahm er ein leise schleppendes Geräusch, das allmählich näher kam. Da schien etwas herbeizurutschen, etwas, das wohl ziemlich schwer war. MacNeil setzte die Laterne in sicherer Entfernung auf dem Boden ab. Mit einem Blick auf den Tänzer sah er, dass der Partner schmunzelte. Die beiden Männer standen mit blankem Schwert in Erwartung dessen, was da auf sie zukam.
Читать дальше