Plötzlich ertönte das Knallen von Radschlosspistolen. Beißender weißer Rauch wehte über den Hügel und hüllte die Kämpfenden ein. Es stank nach Schwefel, ganz so, als wäre der Devanthar wieder unter ihnen.
Mandreds Axt grub sich tief in die Schulter des jungen Offiziers, der sie den Hügel hinaufgeführt hatte. Der Mann starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Dann brach er in die Knie.
Im Pulverdampf tauchten Reiter auf. Mit ihren langen Schwertern machten sie die letzten Offiziere des Stabs nieder. Mandred sah, wie die Banner mit der schwarzen Eiche niedergerissen wurden. Beorn hatte das Horn von seinem Gürtel genommen und blies aus Leibeskräften hinein. Über den Köpfen der Reiter flatterten die entfalteten Firnstayner Banner. Sie zeigten eine grüne Eiche auf weißem Grund. Der lebende Baum hatte den toten Baum besiegt. Das ganze Heer der Ordenssoldaten würde den Pulverrauch auf dem Feldherrenhügel sehen und die Banner der Feinde! Dazu blies Beorn das Signal zum Rückzug.
Schon löste sich eine der Einheiten aus der Schlachtlinie und ließ sich kämpfend zurückfallen.
Von der Hügelflanke erklang lautes Waffengeklirr. »Die Hellebardiere greifen an«, schrie ein junger Firnstayner.
Mandred zog sich auf ein reiterloses Pferd. »Treibt sie zurück!«, befahl er scharf. Der Hügel durfte nicht wieder in die Hände der Feinde fallen. Sonst wäre alles vergebens gewesen.
Mandred riss den schwarzen Hengst herum und hielt auf die Feinde zu. Er nahm die Zügel zwischen die Zähne und zog eine der beiden Radschlosspistolen aus dem Sattelholster. Voraus erschien die Formation der Hellebardiere. Sie hatten bereits mehrere Reiter niedergehauen. Mandred drehte die Waffe in der Hand und schleuderte sie in die Formation der Feinde. Einer der Hellebardiere schrie erschrocken auf. Niemals würde er eine Waffe abfeuern, die den Atem des Devanthars in die Welt spie. Aber sie taugten als Wurfkeulen.
Mandred zog die zweite Radschlosspistole und holte aus. Noch immer erklang hinter ihm das Rückzugssignal. Andere Reiter schlossen zu ihm auf und bildeten eine Linie. Sie alle zogen ihre Sattelpistolen. Wie auf einen lautlosen Befehl feuerten die Mandriden gleichzeitig. Weißer Rauch umschloss die Reiter. Etliche Hellebardiere stürzten. Die Reihen der Angreifer gerieten in Unordnung.
»Zieht blank!«, rief Mandred über den Lärm hinweg. Schlanke Schwerter klapperten in Blechscheiden.
»Zum Angriff!« Der Jarl gab dem Hengst die Sporen. Es waren nur noch wenige Schritte bis zu den Ordenssoldaten. Mandred warf die zweite Radschlosspistole fort und hob seine Axt.
»Für Firnstayn!«
Feuerzungen leckten aus der Wand aus weißem Rauch unter ihnen am Hügel. Etwas klatschte gegen Farodins Brustpanzer. Der Elf hob das Geschoss vom Boden auf. Es war eine platt gedrückte, dunkelgraue Metallkugel. »Auf diese Entfernung vermögen sie keinen Panzer mehr zu durchschlagen«, sagte Giliath, hob ihren Bogen und schoss einen Pfeil in die Wand aus Rauch. Die Elfe und ihre Reiter waren vor einer Stunde eingetroffen, um die ausgedünnten Reihen der Verteidiger zu verstärken.
An Farodins Seite kauerte sie hinter dem großen Schild eines toten Trolls, den sie zwischen zwei Schanzpfählen verkeilt hatten. Sie zog einen neuen Pfeil aus dem Köcher, spannte mit fließender Bewegung und schoss. »Ich begreife diese Ordenssoldaten nicht. Diese Feuerrohre sind völlig widersinnige Waffen. In der Zeit, die ihre Schützen zum Laden brauchen, bringe ich fünf Pfeile in die Luft. Der Rauch nimmt ihnen spätestens nach der zweiten Salve so sehr die Sicht, dass sie gar nicht mehr wissen, worauf sie schießen. Ihre Waffen machen einen schrecklichen Lärm und verbreiten üblen Gestank. Und wenn ihnen das Pulver nass wird, dann sind sie völlig wehrlos. Ich begreife wirklich nicht, was sie an diesem Unfug finden!«
Farodin betrachtete den alten Gnom, der zu seinen Füßen lag. Blutiger Brei war aus seiner linken Augenhöhle geflossen. Wer keine Rüstung trug, dem vermochten die Kugeln der Feuerrohre durchaus etwas anzuhaben.
Zwei Angriffe auf ihre Stellung hatten die Verteidiger der Shalyn Falah zurückgeschlagen, doch der Preis dafür war schrecklich gewesen. Mehr als die Hälfte der Krieger war tot.
Die Trolle standen nun gemeinsam mit den Bogenschützen in der vordersten Linie und versuchten die Elfen mit ihren mächtigen Schilden vor dem Beschuss zu schützen.
»Wenn das hier vorbei ist, dann würde ich dich gern zu einem Kampf mit Übungsschwertern herausfordern, Farodin. Es wäre sehr zuvorkommend, wenn du dabei die Freundlichkeit besitzen würdest, nicht deinen Ring zu tragen.«
Der Elf sah die Kriegerin verwundert an. »Bist du mir immer noch böse?«
»Es war ein Schlag von ausgesprochen unelfischer Tücke, mit dem du unser Duell beendet hast.«
»Ich konnte es mir damals nicht leisten, verwundet zu werden«, entgegnete er knapp, in der Hoffnung, damit das Gespräch zu beenden. Er fand weder den Ort noch die Zeit angemessen, um über kriegerische Tugenden zu streiten.
»Ich würde dir gern Gelegenheit geben, dein Ansehen bei mir wiederherzustellen.«
Das konnte nicht wahr sein, dachte Farodin. Sie standen mitten im Hagel feindlicher Geschosse, und Giliath wollte ihn zum Duell fordern. »Du hast ein Auge verloren. Dadurch hätte ich einen großen Vorteil.«
»Ich hatte seit unserem letzten Duell sehr viel Gelegenheit zu üben. Ich bin überzeugt, dass ich damals schon besser war als du. Es wäre sicherlich interessant festzustellen, ob auch du dich entsprechend verbessert hast.«
Farodin rollte mit den Augen. Fast sehnte er den nächsten Angriff herbei, damit dieser Unsinn endlich ein Ende nähme. Krachend feuerten die Ordenssoldaten die nächste Salve ab. Der Elf duckte sich hinter den großen Schild.
»Was hältst du davon, wenn wir uns morgen bei Sonnenaufgang auf der Wiese vor der Burg treffen?«, fragte Giliath.
Farodin seufzte. »Du gehst also davon aus, dass wir morgen noch leben?«
»Ich bestimmt«, sagte die Elfe mit überraschender Zuversicht. »Und ich werde gut auf dich aufpassen, damit auch du noch unter den Lebenden weilst. Schließlich erzählt man sich, dass du morgen für immer in die Welt der Menschen gehen willst. Ich wäre sehr erfreut, wenn wir unsere Angelegenheiten vorher klären könnten.«
»Warum ist dir dieses Duell so wichtig?«
Die Elfe sah ihn überrascht an. »Es ist eine Frage der Ehre. Du bist meine einzige Niederlage.«
Farodin sah sie zweifelnd an. Der dunkle Tuchstreifen über ihrem zerstörten Auge ließ sie verwegen aussehen. Manche Siege haben einen zu hohen Preis, dachte er.
Ein Gnom mit einem großen Weidenkorb auf dem Rücken kauerte sich keuchend in die Deckung ihres Schutzschildes. Dann nahm er zwei Bündel mit Pfeilen aus dem Korb und legte sie vor Giliath auf den Boden. »Es fehlt uns an Kriegern, aber an Munition fehlt es uns wenigstens nicht«, erklärte er mit meckernder Stimme. »Ich soll euch von Ollowain ausrichten, dass es für jeden Schützen noch mehr als hundert Pfeile gibt. Er erwartet, dass ihr sie alle zu den Feinden hinunterschickt.« Der Gnom zuckte zusammen, als das Donnergrollen einer neuen Salve den Hügel hinaufrollte. Ohne ein weiteres Wort lief er davon, um die nächsten Schützen zu versorgen.
Giliath zerschnitt den Lederriemen eines der Pfeilbündel und füllte ihren Köcher auf. »Die Überlebenden von Valemas sind dir und deinen Gefährten sehr dankbar, dass ihr Yulivee gerettet habt«, sagte die Elfe unvermittelt. »Yulivee ist ganz vernarrt in diesen Nuramon. Seinetwegen hat sie sich sogar gegen die Befehle der Königin aufgelehnt.«
»Wovon redest du?«
Giliath blickte auf und lächelte kalt. »Ich dachte mir schon, dass sie euch davon nichts erzählt hat. Sie war sehr niedergeschlagen, als sie euch nicht befreien konnte.«
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