Dumpf grollte der Hufschlag auf dem aufgewühlten Boden, als sich die Reitertruppen in Bewegung setzten. Dieselbe Senke, aus der sie den ersten Angriff begonnen hatten, hatte sie noch einmal vor den Blicken der Feinde verborgen. Nun trieben sie die Pferde die Böschung hinauf. Hinter ihnen erklangen die gellenden Kriegsschreie der Kentauren.
Zu ihrer Linken war die Schlacht in vollem Gange. Die meisten gegnerischen Reiter waren zurückgeschlagen, doch das Fußvolk lieferte den Elfen und Zwergen einen harten Kampf.
Ein Pfeil verfehlte Mandred nur knapp. Er beugte sich tief über den Hals seiner Stute. In gestrecktem Galopp hielten sie nun geradewegs auf den rechten Flügel der Feinde zu. Dort gab ein Offizier Mandred ein Zeichen mit seinem Schwert und deutete auf eine Lücke zwischen zwei Truppen mit Feuerrohren. Die kleine Reiterschar passierte die feindliche Kampflinie, während sich die Kentauren fluchend zurückfallen ließen und eine Salve Pfeile auf die gegnerischen Fußsoldaten abschossen.
Mandred zügelte sein Pferd. Beorn, der nicht von seiner Seite gewichen war, hob den rechten Arm und drehte sich im Sattel. »Halt!« Er stieß das Wort in merkwürdigem Singsang aus und zog es endlos in die Länge.
Besorgt blickte Mandred sich um. Niemand unter den Ordenskriegern schien Beorns Verhalten seltsam zu finden. Ein Botenreiter preschte die Schlachtlinie entlang und verschwand hinter einem kleinen Waldstück. Ob er wohl auf dem Weg zur Shalyn Falah war? Wie mochte es um Farodin stehen?
»In Zweierreihen!«, kommandierte Beorn, und die Reiter bildeten eine Marschkolonne.
Mandred deutete auf einen Hügel, der etwa eine halbe Meile entfernt hinter dem Zentrum der Schlachtlinie lag. Banner mit der verbrannten Eiche waren dort aufgepflanzt. Eine Gruppe von Offizieren beobachtete den Verlauf der Kämpfe. Ein wenig abseits hielten sich ein paar Botenreiter und ein kleiner Trupp Hellebardenträger. Die große Einheit Schwertkämpfer, die als Reserve zurückgehalten worden war, hatte wohl gerade ihren Marschbefehl erhalten. Die Zwerge im Zentrum der Schlacht wichen zurück. Mandred blieb fast das Herz stehen. Vielleicht war es zu spät für seine List. Es schien, als bräche die Schlachtlinie zusammen. Doch die Zwerge gingen nur zurück, sie flohen nicht! Die Elfen auf der linken Seite hielten stand. Gehörte dies alles zum Plan der Zwerge, um die letzten Reserven der Feinde in die Schlacht zu locken? Dann gäbe es wenigstens eine geringe Aussicht, seinen Schlachtplan zu überleben.
»Marsch!«, befahl Beorn, und der Reitertrupp setzte sich in Bewegung. Der Leibwächter lächelte. »Ich hätte niemals gedacht, dass wir so leicht durch ihre Reihen kommen.«
Mandred erwiderte das Lächeln. »Das war der einfache Teil. Das Kunststück ist, hier lebend wieder herauszukommen.«
»War das jemals wirklich Bestandteil unseres Plans?«, fragte Beorn so leise, dass die Reiter hinter ihnen es nicht hören konnten.
Mandred antwortete nicht darauf. Was sollte er auch sagen? Sie beide wussten genau, wie unwahrscheinlich es war, zu überleben.
Sie ritten an einer langen Reihe von Fuhrwerken entlang. Ein gutes Stück entfernt sammelten sich die geschlagenen Reitertruppen im Schutz eines Wäldchens.
Nach einer Weile verließ Mandreds Schar den schlammigen Weg und hielt in weitem Bogen auf den Feldherrenhügel zu. Auf der Rückseite, außer Sichtweite der Soldaten, war eine Festtafel aufgestellt. Mehrere Köche arbeiteten an großen Feuern. Dort brieten auf eisernen Spießen zwei Spanferkel und allerlei Geflügel. Mandred lief das Wasser im Munde zusammen. »Sehr zuvorkommend von ihnen, uns unser Siegesmahl zu bereiten.«
Beorn blieb ernst. Er deutete auf einen Offizier mit weißem Federbusch am Helm, der den Hügel hinab in ihre Richtung geritten kam. »Bitte lass mich mit ihm sprechen, Ahnherr.« Er winkte den Reitern, und die Männer schwenkten aus der Kolonne aus, um eine lange Linie am Fuß des Hügels zu bilden.
»Was tut ihr hier?«, rief der Offizier aufgebracht und deutete zum Wald. »Alle Reitertruppen haben Befehl, sich dort hinten zu sammeln. Wenn unsere Fußtruppen die gegnerischen Linien durchbrechen, erhaltet ihr Gelegenheit, die Schmach eurer fehlgeschlagenen Attacke zu sühnen.«
»Ich habe dringende Nachricht für den Großmeister Tarquinon«, entgegnete Beorn ruhig.
»Dann sage mir, was du zu berichten hast!«
»Bei allem Respekt schätze ich, dass der Großmeister in diesem Fall die Nachricht lieber aus erster Hand erhalten möchte. Ich bin mit meinen Reitern in den Rücken des Feindes vorgedrungen. Wir haben eine riesige Streitmacht von Trollen entdeckt, die sich in einer Bodensenke verborgen hält, um unseren Truppen in die Flanke zu fallen, wenn wir weiter vorrücken.«
Der junge Offizier starrte ihn erschrocken an. »Es hieß doch, wir hätten das Heer der Trolle bis auf ein kleines Kontingent zerschlagen! Folge mir!« Er wendete sein Pferd und trieb es den Hügel hinauf.
Der Großmeister und sein Stab standen bei einem schweren Eichentisch. Darauf entrollt lag eine Karte des Schlachtfeldes. Bunte Holzklötzchen schienen die Positionen verschiedener Truppenteile zu markieren.
Mandred und Beorn saßen ab und gingen der Versammlung der Offiziere entgegen. Ein großer, hagerer Mann drehte sich zu ihnen um. Seine Brustplatte glänzte, als wäre sie aus poliertem Silber. Ein weißer Umhang ruhte auf seinen Schultern. Die Arroganz der Macht spiegelte sich in seinen asketischen Zügen. Er hatte langes, weißes Haar, das ihm offen auf die Schultern fiel. »Ich halte nicht viel von Offizieren, die auch auf der Flucht an der Spitze ihrer Truppen reiten, Hauptmann …«
»Balbion, Eminenz. Hauptmann Balbion.«
Der Großmeister runzelte die Stirn. »Dieser Name ist mir nicht geläufig.«
»Ich wurde erst vor vier Tagen nach den Kämpfen bei der weißen Brücke befördert, Eminenz.«
Mandred hasste aufgeblasene Wichtigtuer wie diesen Tarquinon. Beorn sollte endlich zur Sache kommen und nicht so viel Zeit mit nutzlosem Geschwätz vergeuden.
Als hätte der Großmeister seine Gedanken gehört, wandte er sich halb um und blickte ihn an. »Was hat Euer Adjutant denn da? Das Reglement für die Bewaffnung von Panzerreitern sieht keine Äxte vor. Die hat er wohl einem dieser Barbaren entrissen. Wie ist sein Name?«
»Sein Name ist Mandred Torgridson«, entgegnete Mandred ruhig und ging auf den Großmeister zu. »Er ist der Befehlshaber der Fjordländer, der Jarl von Firnstayn. Und er ist hier, um mit dir darüber zu verhandeln, für heute die Waffen ruhen zu lassen.«
Ein Lächeln spielte um die schmalen Lippen des Großmeisters. Die anderen Hauptleute starrten Mandred verwundert an. Einige griffen nach ihren Schwertern. Tarquinon neigte sein Haupt. »Ich verbeuge mich vor solch tollkühnem Mut, Jarl.« Er griff nach einer Radschlosspistole auf dem Kartentisch. »Zugleich verachte ich so außergewöhnliche Dummheit.«
Beorn sprang vor und schlug nach dem Arm des Großmeisters. Beißender weißer Qualm quoll aus der Waffe. Ein Schlag traf Mandred an der Hüfte. Doch er fühlte keinen Schmerz. Der Jarl blickte kurz an sich herab. Die Platte des Brustpanzers schien keinen Schaden genommen zu haben. Rings herum zogen die Offiziere ihre Schwerter.
Mandred machte einen Satz nach vorn. Seine Axt beschrieb einen weiten Halbkreis. Feine Bluttröpfchen spritzten über die Karte, die das Schlachtfeld zeigte. Dann fiel polternd der Kopf des Großmeisters auf den Tisch und brachte die Formationen der Holzklötzchen durcheinander.
Beorn parierte einen Schwerthieb, der auf Mandreds Kopf zielte. Rücken an Rücken stellten sich die beiden Nordmänner den angreifenden Offizieren. Mandred zerschlug eine dünne Schwertklinge und stieß einem der Angreifer den Dorn seiner Axt durch den Harnisch. Ein Schlag glitt scheppernd von der Schulterplatte des Jarls ab. Er drehte sich halb und zerschmetterte einem Angreifer die Beine.
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