Rhapsody drückte ermutigend seine Hand. »Erzähl es mir«, sagte sie sanft.
»Auf deiner Reise mit Llauron werden euch Lark und eine Bande ihrer abtrünnigen Anhänger entgegentreten. Sie wird meinen Vater zum tödlichen Zweikampf herausfordern, was durchaus zu den Gepflogenheiten in Llaurons Machtbereich gehört. Also hat er keine andere Wahl, als die Herausforderung anzunehmen, und Lark wird ihn im Kampf töten.«
Erschrocken sprang Rhapsody auf. »Was Nein. Das wird nicht geschehen, Ashe. Ich werde es nicht zulassen.«
»Du wirst es nicht verhindern können, Aria. Ein Schwur, den du meinem Vater geleistet hast, wird dich dazu verpflichten, unter keinen Umständen einzugreifen. Du wirst die Wahl haben, ihn entweder sterben zu sehen oder dein heiliges Wort zu brechen und die Tagessternfanfare zu verlieren. Es tut mir Leid, es tut mir so Leid«, fügte er mit stockender Stimme hinzu und sah, wie das Grauen sich über ihr Gesicht breitete, das noch vor wenigen Augenblicken so gestrahlt hatte.
Rhapsody wandte sich ab und schlang die Arme um sich, als wollte sie sich übergeben. Ashe spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht und ihren Händen wich, wie sie blass wurde und zu zittern begann. Schließlich drehte sie sich wieder zu ihm um, mit einem Ausdruck des Unglaubens im Gesicht, der ihm im Herzen wehtat.
»Ich weigere mich zu glauben«, sagte sie langsam, »dass du mit Lark unter einer Decke steckst und mit ihr ein Komplott zur Ermordung deines eigenen Vaters schmiedest.«
Ashe ließ den Kopf hängen. »Du hast zur Hälfte Recht«, erwiderte er leise. »Aber ich stecke nicht mit Lark unter einer Decke.«
»Mit wem dann? Mit wem hast du dich verbündet?«
Ashe wandte sich ab, denn er konnte ihrem Blick nicht standhalten. »Mit meinem Vater.«
»Sieh mich an!«, befahl Rhapsody mit barscher Stimme. Ashe blickte auf, und sein Gesicht wirkte zutiefst beschämt. »Was meinst du damit?«
»Seit du hier angekommen bist, plant mein Vater, dich zu benutzen, um seine Ziele zu erreichen. Das erste war, den F’dor zu vertreiben, obwohl ich glaube, dass dieses Ziel neben dem zweiten unwichtig geworden ist.«
»Und das wäre?«
»Llauron ist es müde, sich den Grenzen einer Existenz in menschlicher Gestalt zu beugen«, antwortete Ashe mit hohler Stimme. »Sein Blut ist zum Teil das eines Drachen, aber diese Natur schlummert noch. Nun wird er alt und hat Schmerzen, er sieht sich mit seiner Sterblichkeit konfrontiert, die ihm näher ist, als man es vielleicht glauben mag. Doch er will seine Wyrm-Identität voll ausleben. Sollte er das schaffen, wäre er so gut wie unsterblich und hätte die elementaren Kräfte, die du, deine Firbolg-Kameraden und auch ich jetzt einsetzen, nur eben auf einem wesentlich höheren Niveau. Er wird eins werden mit den Elementen, Aria; wie du das Feuer beeinflusst oder über es befiehlst, so wird er Feuer werden. Oder Wasser oder Äther, ganz nach Belieben.«
»Wie Elynsynos?«
»Genau. Und ebenso wie Elynsynos muss er, um das zu erreichen, seiner sterblichen Gestalt abschwören und eine elementare Form annehmen, aber ohne zu sterben. Erst dann kann er zu der elementaren Existenz übergehen, die er sich ersehnt. Als er vor langer Zeit entdeckte, dass sich Lark gegen ihn verschwor, schmiedete er Pläne, wie er die Situation zu seinen Gunsten ausnutzen könnte. Dieser letzte Teil deiner nämlich ist der endgültige Schritt, sein Ziel zu erreichen.«
Rhapsody riss den Blick von ihm los und schaute hinüber in den Garten und zum See, während sie aufnahm, was er sagte. »Aber du hast doch gesagt, er würde getötet werden.«
Ashe zuckte zusammen. »Alle werden es glauben selbst du, Rhapsody. Denn Llauron wird Kräuter und Tränke mitnehmen, die ihn in einen todesähnlichen Zustand versetzen, und wenn ihr du und Lark seinen Körper untersucht, werdet ihr beide überzeugt sein, dass er wirklich tot ist.«
Rhapsody ging zum Rand der Laube und setzte sich auf die oberste Stufe der Treppe, die in den Garten hinunter führte. So blickte sie über den See zum Wasserfall und versuchte, die Gedanken zu ordnen, die sich in ihrem Kopf überschlugen. »Und was soll der Sinn des Ganzen sein? Er überzeugt also Lark und mich, dass er tot ist, obwohl es nicht stimmt? Wozu soll das gut sein?«
»Lark ist mit dem F’dor verbündet, obgleich immer noch nicht ganz klar ist, wer er ist. Schon seit einiger Zeit weiß Llauron, dass der F’dor einen Komplizen in seinen Reihen hat, aber bis vor kurzem war er sich über dessen Identität noch nicht im Klaren. Wenn Lark glaubt, dass Llauron tot ist, wird sie irgendwann diese Information an den F’dor weitergeben, und ich werde auf der Lauer liegen, um ihr zu folgen. Natürlich könnten auch noch andere Überläufer bei ihr sein, und dann weiß ich, wen ich sonst noch töten muss.«
Rhapsody blickte sich über die Schulter um, und ihre Augen flammten wie ein Grasfeuer.
»Aber warum ich, Ashe? Warum muss Llauron ausgerechnet mich täuschen? Warum höre ich das von dir, wenn ich dazu verurteilt bin, die Erinnerung daran zu verlieren? Warum hast du mich nicht einfach um Hilfe gebeten? Ich habe die Wiedervereinigung der Cymrer unterstützt, bis Achmed und Grunthor mir gedroht haben, mich aus dem Berg zu werfen, wenn ich nicht damit aufhöre. Bei den Göttern, habe ich meine Freundschaft und meine Loyalität diesem Mann gegenüber nicht schon reichlich bewiesen?«
Ashe duckte sich fast unter ihrem Blick. »Natürlich hast du das. Aber es gibt zwei Gründe. Der erste ist, dass sie beide von dir erwarten werden, dass du als Herold fungierst, als Sängerin, als Benennerin. Sowohl Llauron als auch Lark wissen, dass du die Wahrheit sagst, wie du sie gesehen und erkannt hast. Wenn du nun glaubst, dass Llauron tot ist, dann wird es der Rest der Welt ebenfalls glauben. Man wird die Nachricht nicht anzweifeln, wenn sie aus deinem Mund kommt. Darauf zählen Lark und auch Llauron Lark, um ihr Recht als neue Herrin der Filiden zu untermauern, und Llauron, um seine Charade glaubhaft erscheinen zu lassen. Wenn du nicht so ehrlich wärst, hätte er es dir vielleicht erzählt, in der Hoffnung, dass du trotzdem bei seinem Plan mitmachen würdest. Aber ich fürchte, dein Ruf eilt dir voraus, mein Schatz.«
Bissige Erwiderungen lagen Rhapsody auf der Zunge, denn sie musste daran denken, wie sie vor langer Zeit die gleichen Worte aus Michaels Mund gehört hatte. Aber sie verbiss sich ihre Kommentare, sah weg und bemühte sich, ihre Wut vor Ashe zu verbergen. »Und was ist der zweite Grund?«
Ashe schluckte. »Aria, wenn du mich liebst, dann frage mich bitte nicht danach. Glaube mir einfach, dass du nichts damit zu tun haben wolltest, wenn du es wüsstest.« Er fuhr sich mit den Fingern durch sein metallisch glänzendes Haar, das jetzt nass war von Schweiß. Langsam stand Rhapsody auf, verschränkte die Arme und wandte sich um. »Nun gut, Ashe, da ich dich wirklich liebe, werde ich dich nicht fragen. Aber ich glaube, du wirst es mir trotzdem sagen. Angesichts dessen, was wir einander versprochen haben, kann ich mir nicht vorstellen, dass du mir dergleichen vorenthältst, zumal du doch weißt, dass es mich in beiden Fällen verletzten wird. Dann kannst du es mir auch sagen.«
Endlich begegneten sich ihre Blicke, und hinter ihrer Wut spürte er Mitgefühl; sie verstand, wie schwierig die Situation für ihn war. Und sie vertraute ihm, obwohl es genügend Gründe gab, es nicht zu tun. Er schloss die Augen.
»Bevor der Kampf beginnt, wird Llauron dich bitten, falls er stirbt...« Seine Stimme versagte.
»Mach weiter«, drängte sie ungeduldig. »Was soll ich für ihn tun?«
»Du wirst ihm versprechen, seinen Scheiterhaufen anzuzünden, wenn du ihn für tot hältst, und zwar, indem du mit der Tagessternfanfare das Feuer von den Sternen herabrufst. Die Flammen werden seinen Körper verzehren, und das ist der wichtige erste Schritt auf seinem Weg zur elementaren Unsterblichkeit. Ohne das kommt er nicht weiter. Llauron braucht die beiden Elemente Feuer und Äther, um ein vollständiger Drache zu werden. Er weiß, dass du ihn nicht im Stich lassen wirst, wenn du ihm dein Wort gegeben hast.«
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