»Danke für das wunderbare Essen«, sagte sie, entzog sich seiner Umarmung und lächelte ihn an. »Wenn ich gewusst hätte, dass du so gut kochen kannst, hätte ich dir öfter aufgetragen, das Essen zu bereiten.«
Er lachte und fuhr mit dem Zeigefinger über ihre Wange. »Nein, zusammen macht es viel mehr Spaß«, entgegnete er, legte ihre Hand in seine Armbeuge und wanderte mit ihr den Gartenweg entlang. »Das bezieht sich übrigens auf alle meine Lieblingsbeschäftigungen mit dir. Eine hervorragende Leistung in irgendeinem Bereich ist nicht viel wert ohne einen Partner, der sie zu schätzen weiß.« Er sah, wie ihre Porzellanhaut rosiger wurde, und staunte wieder einmal darüber, dass eine Frau, die so irdisch, so unbeeindruckt von anstößigem Humor und Verhalten war, dennoch so leicht errötete, wenn sie mit ihm allein war. Er liebte den Gedanken.
»Komm in meine Arme und tanz mit mir«, meinte er leichthin. Um nicht an den Gefühlen zu ersticken, die in seinem Herzen aufwallten, zog er sie wieder an sich und drückte ihren Kopf an seine Schulter. »Wir sollten üben, denn das nächste Mal treffen wir uns heimlich beider königlichen Hochzeit in Bethania. Wenn wir tanzen und (nicht auffallen wollen, dann wäre es nicht gut, wenn ich dir auf die Füße träte.«
Aber Rhapsody wich so plötzlich zurück, dass er zusammenzuckte. Vor seinen Augen wurde das rosige Gesicht alabasterblass. Ihre Augen suchten in seinem Gesicht nach etwas und füllten sich mit einer alten Traurigkeit, die sie jedoch gleich darauf wieder abschüttelte.
»Es wird spät«, sagte sie ein wenig nervös. »Wir sollten uns unterhalten und dann mit der Benennungszeremonie beginnen.«
Ashe nickte, wenn auch ein wenig traurig, denn beim Tanzen hätte er sie noch ein wenig länger im Arm halten, das Glück ein wenig ausdehnen können. »Bist du bereit?«, fragte er und zeigte zur Laube hinüber. Sie hatten vereinbart, dass er dort seine Geheimnisse offenbaren und ihr dann die Erinnerung nehmen würde. Doch nun senkte sie die Augen und spürte ihre Anspannung stärker werden, als sie den Kopf schüttelte.
»Noch nicht«, sagte sie und wandte sich zu einer kleinen Bank in einem verborgenen Winkel des Gartens. »Können wir uns einen Augenblick dort hinsetzen? Ich habe dir etwas zu sagen, und ich möchte mich gern daran erinnern können, dass ich es gesagt habe.«
»Selbstverständlich.« Ashe half ihr über eine kleine Steinmauer, und sie schlenderten Hand in Hand zu der Bank. Sie strich sich den Rock glatt, während er sich neben ihr niederließ und wartete, was sie ihm zu sagen hatte.
»Ehe du mir die Erinnerung an den Rest der Nacht wegnimmst, möchte ich dir sagen, dass du Recht hattest«, erklärte sie, und ihre Augen funkelten ihn in der Dunkelheit an.
»Rhapsody, du bist unglaublich«, sagte Ashe scherzhaft. »Gerade als ich dachte, es wäre nicht möglich, da fällt dir eine neue Methode ein, wie du mich sexuell erregen kannst. Sagst du das bitte noch einmal?«
»Du hattest Recht«, wiederholte sie und erwiderte sein Grinsen. »Muss ich mich jetzt ausziehen?«
»Bring mich nicht in Versuchung«, entgegnete er und fragte sich, ob das vielleicht ein Trick war, nicht mit ihm zur Laube zu gehen. Er wusste, dass sie nicht glücklich war über das, was sie dort vorhatten, und obgleich sie ihm vertraute, war sie bestenfalls mit Vorbehalten dazu bereit. »Tut mir Leid; also, was hast du gesagt?«
Jetzt wurde ihr Gesicht ernst, und ihre Augen verdunkelten sich im matten Licht der Papierlaternen, die er überall im Garten aufgehängt hatte. »Alles, was du gesagt hast, als du das erste Mal nach Elysian gekommen bist, war richtig, obwohl ich es damals nicht wusste.«
Einen Augenblick starrte sie auf ihre Hände, dann hob sie den Kopf, und ihre Augen glänzten von tiefen Gefühlen oder auch von Tränen, während sie ihn ansah.
»Ich möchte, dass du weißt, wie viel mir die Zeit mit dir bedeutet hat. Ich bin ... ich bin froh, dass wir zusammen waren. Und du hattest Recht es war genug.« Ashe sah, wie eine Träne zwischen ihren Wimpern hervorquoll und ihr langsam übers Gesicht rollte.
»Aber ich war schon lange vorher gern mit dir zusammen, und ich denke, wir waren unter anderem deshalb ein gutes Liebespaar, weil wir vorher schon gute Freunde waren. Und da Freundschaft letztlich das ist, was uns erhalten bleibt, möchte ich auch weiterhin gern mit dir befreundet sein, wenn die Umstände es erlauben. Ich habe mich nie zwischen einen Mann und seine Frau gestellt, und ich habe nicht vor, ausgerechnet jetzt damit anzufangen. Wenn es dir also keine Probleme macht und ... und wenn die cymrische Herrscherin auch nichts dagegen hat, dann denk bitte daran, dass ich für dich da bin, wenn du mich brauchst um dir zu helfen, meine ich.« Verlegen stockte sie und blickte kurz zur Laube hinüber. Ashe tat das Herz weh. Er streckte die Hand aus und fing die Träne auf, als sie Rhapsodys Kinn erreichte; dann legte er sanft die Hand auf ihre Wange. Vorsichtig deckte sie ihre darüber.
»Ich liebe dich, Gwydion ap Gwylliam und so weiter, ich werde dich immer lieben«, sagte sie und sah ihn an. »Aber diese Liebe wird niemals dein Glück bedrohen, sie wird dich auf jede mögliche Art unterstützen Danke, dass du mir diese Zeit und diese Gelegenheit geschenkt hast. Es hat mir mehr bedeutet, als du jemals ermessen kannst.«
Jetzt hielt Ashe es nicht mehr aus. Er nahm ihr schönes Gesicht in die Hände und küsste sie, mit all dem wortlosen Trost, den er in seinen Kuss legen konnte. Ihre Lippen waren warm, aber sie erwiderten den Kuss nicht; sanft zog sie seine Hände von ihrem Gesicht und drückte sie freundlich.
»Bist du jetzt bereit?«, fragte er und nickte zur Laube hinüber. Rhapsody seufzte. »Ja, ich denke schon«, antwortete sie und stand auf. »Lass mich nur schnell meine Harfe holen, die brauche ich für die Zeremonie.«
»Das kann warten«, entgegnete Ashe. »Zuerst unterhalten wir uns. Dann machen wir die Benennungszeremonie. Ich muss dir etwas sagen, und eine Bitte habe ich dann auch noch.«
»Sehr gut«, meinte sie. »Ehrlich gesagt geht es mir genau so.«
Von der Laube aus hatte man einen atemberaubenden Blick über ganz Elysian, und von den kühlen Marmorbänken konnte Rhapsody nicht nur ihren gesamten Garten sehen, der sich auf den langen Schlaf des nahenden Winters vorbereitete, sondern auch die Hütte mit dem wuchernden Efeu, der sich allmählich zu einem düsteren Braun verfärbte, und in der Ferne den rauschenden Wasserfall, der stärker wurde, weil die Regenfälle die Bäche anschwellen ließen. Der See, der ihre geliebte Insel wie mit einer Umarmung umschloss, brodelte unter der Heftigkeit des herabstürzenden Wassers.
Zum ersten Mal dieses Jahr spürte Rhapsody Kälte in der Luft; der Winter nahte. Bald würde der Garten still sein, und die Vögel, welche einen Weg nach hier unten gefunden und in den Bäumen genistet hatten, würden wieder verschwinden. Das verborgene Paradies würde seine Farbenpracht einbüßen und sich zum Überwintern bereit machen. Rhapsody fragte sich, wie viel von dem Wärmeverlust in Land und Luft dem jährlichen Klimawechsel zuzuschreiben war und wie viel davon an dem verlöschenden Feuer in ihren Seelen lag, in denen die Liebe starb. Bald schon würde Elysian in seinen Winterschlaf versinken und dort, wo einst Pracht und Überfluss geherrscht hatten, würde es nur noch um die schlichte Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen gehen. Genau wie bei ihr selbst.
»Rhapsody?« Ashes Stimme holte sie aus ihrer Grübelei in die Wirklichkeit zurück. Sie blickte auf. »Ja? Oh, entschuldige. Was muss ich jetzt tun?«
Ashe setzte sich neben sie auf die Steinbank und streckte die Hand aus. In ihr lag eine gigantische Perle, wässrigweiß wie Milch, von opaleszentem Schwarz umgeben. »Das ist ein alter Kunstgegenstand aus dem Land deiner Geburt, das jetzt unter den Wogen des Ozeans liegt«, erklärte er mit ehrfürchtiger Stimme. »Früher hat die Perle die Geheimnisse des Meeres enthalten, und auch an Land ist ihr ein solches anvertraut worden. Benenne diese Perle, Rhapsody, und sag ihr, sie soll die Erinnerung an diese Nacht für dich aufbewahren, bis es für dich sicher ist, sie zurückzuerhalten.«
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