»Und er sagt, es sei eine Fliegende Untertasse gewesen? Was ist aus der Besatzung geworden?«
»Er hat nichts über die Besatzung verlautbart.«
»Angenommen«, sagte Kathryn unbehaglich, »angenommen, die Mannschaft wäre abgesprungen. Ist das möglich? Ich meine, daß sie landen könnten und wie menschliche Wesen aussehen und vielleicht von uns entdeckt und in unsere Häuser kommen würden? Können Sie mir sagen, ob so etwas schon einmal vorgekommen ist?«
Sie fürchtete, daß sie zu direkt gewesen sei, und sie war darauf gefaßt, daß diese Frau sie bedrängen und verlangen würde, sofort zu dem galaktischen Besucher in ihrem Haus gebracht zu werden. Aber nein, da war kein Zeichen persönlichen Interesses, nur das Umschalten auf die Deklamation des passenden Glaubensartikels.
»Gewiß sind die Galaktiker schon viele Male auf der Erde gelandet und in menschlicher Form unter uns gekommen. Denn sie sind ja menschlich, nur weiter fortgeschritten, der Gottähnlichkeit näher, die das Endziel unseres Strebens ist. Frederic Storm würde sagen, daß eine sichere Landung der Wesen an Bord des Schiffes sehr wahrscheinlich sei. Aber wir haben nichts von ihnen zu fürchten. Sie müssen verstehen, daß diese Wesen wohlwollend sind. Aber kommen Sie jetzt, Sie versäumen sonst unseren Film. Wenn Sie anschließend in mein Büro kommen, wird Ihnen die Bedeutung dieses einzigartigen und wunderbaren Augenblicks in der menschlichen und außermenschlichen Geschichte viel tiefer bewußt sein.«
Kathryn wurde geschickt aus dem Büro manövriert und fand sich allein im leeren Vorraum wieder. Ein Wegweiser zeigte die Treppe hinauf, und sie folgte ihm in den Vorführsaal, einen großen, abstrakt aussehenden Raum. Die Rückwand bestand aus einem großen 3D-Bildschirm, davor waren etwa zwanzig Sitzreihen. Die Seitenwände waren mit den Emblemen der Vereinigung, Porträts von Frederic Storm, Himmelskarten und anderem Zubehör behängt. Vier andere Leute, alles ältere Frauen, waren anwesend. Kathryn setzte sich in eine der hinteren Reihen, und fast im gleichen Augenblick erloschen die Lichter. Auf der Leinwand wurde es lebendig.
Die Stimme eines Sprechers sagte mit unheimlich hallendem Klang: »Aus dem unermeßlichen Kosmos, durch die unvorstellbaren Tiefen intergalaktischen Raumes, kommen freundliche Besucher zu unserem bescheidenen Planeten.«
Auf der Leinwand: die Sterne. Die Milchstraße. Die Kamera richtet sich auf eine Gruppe von Sternen. Halbtotale. Plötzlich ein Blick auf unser Sonnensystem, die Planeten wie Perlen am Himmel aufgereiht. Saturn, Jupiter, Mars, Venus, die Erde mit unnatürlich hart nachkonturierten Kontinenten, ein offensichtlich zurechtgemachtes Bild, alles andere als eine echte Ansicht aus dem Raum. Und dann eine Fliegende Untertasse im Anflug auf die Erde, zuerst unendlich klein im Raum, ein bewegter Lichtpunkt, dann größer und immer größer. Kathryn mußte sich beherrschen, um nicht laut herauszulachen. Die Untertasse war ein komisches Ding mit vielen Bullaugen und blitzenden Lichtern.
»Wesen von gottgleicher Anmut, übermenschlich in ihren Fähigkeiten, wohlwollend, allwissend — besorgt um unsere von Konflikten erschütterte Zivilisation…«
Nun erschien eine Innenansicht vom UFO auf der Leinwand. Überall technologisches Spielzeug, Rechenanlagen, Armaturen, klickende Maschinerien und Meßgeräte. Und da waren die Untertassenleute: prächtige Exemplare übermenschlichen Lebens, muskulös und stattlich, mit gütigen, Weisheit ausstrahlenden Mienen.
Dann landete das Schiff auf der Erde, senkte sich wie eine Feder herab. Die Handlung wurde lebhaft: Farmer feuerten mit Schrotflinten auf die Besucher, grimmige Männer in Uniformen griffen sie an, hysterische Frauen kauerten hinter Bäumen. Und die galaktischen Besucher inmitten des Getümmels, ruhig, Geschosse und Bomben abwehrend, traurig lächelnd, die verstörten Menschen einladend, sich ein Herz zu fassen…
»In dieser Zeit der Krisen und des Zweifels trat Frederic Storm an die Öffentlichkeit, um sich als Mittler anzubieten…«
Der große Mann ging furchtlos auf die parkende Untertasse zu, lächelnd, die Hände grüßend ausgestreckt. Er zeichnete geometrische Figuren in den Sand, entbot den Fremdlingen mit lauter Stimme sein Willkommen. Ein Schnitt, und Frederic Storm war an Bord der Untertasse. Die Galaktiker schienen mindestens drei Meter groß zu sein. Feierlich drückten sie Frederic Storm die Hand.
»Einer feindseligen, von Not und Angst bedrückten Menschheit brachte Frederic Storm die Botschaft des Friedens. Am Anfang begegnete er nur Spott und Verleumdung, verkannt wie andere große Führer der Menschheit vor ihm…«
Eine aufgebrachte Menge zertrümmert die Windschutzscheibe von Storms Wagen. Steckt ihn in Brand. Im letzten Moment rettet Polizei den Propheten. Haßverzerrte Gesichter, drohend geschüttelte Fäuste.
»Aber da gab es jene, die die Wahrheit in der Mission dieses verfolgten und angefeindeten Mannes erkannten…«
Eine Aufnahme von Frauen, die in einem Supermarkt Schlange standen, um Storms Bücher zu kaufen. Schüler und Anhänger. Storm lächelnd unter ihnen. Storm am Rednerpult im überfüllten Los Angeles Coliseum. Das Tempo wurde fühlbar schneller. Aufbruchsstimmung in einer religiösen Bewegung.
Kathryn rückte unruhig auf ihrem Sitz hin und her.
Die Ein- und Ausblendungen jagten einander mit hohlköpfiger Perfektion. Storm wieder unter den Galaktikern, Storm an der Spitze seiner Anhänger in Gebet und Meditation, Storm im offenen Wagen, umjubelt, Storm in Großaufnähme, das Wort direkt an die Zuschauer richtend, alle Menschen beschwörend, vom Mißtrauen abzulassen und die wohlwollenden Galaktiker von ganzem Herzen willkommen zu heißen. Dann eine Folge von Einblendungen anderer Untertassen-Seher: Nervös angespannte Frauen erklärten, sie hätten die Galaktiker gesehen: »Ja, ganz bestimmt, mit meinen eigenen Augen.« Und hagere, zitternde Männer verkündeten, sie seien mit den Schiffen der Untertassenleute geflogen, »wirklich und wahrhaftig«. Eine abschließende Bildfolge zeigte eine authentische Feier der Vereinigung für die Bruderschaft irgendeiner religiösen Sekte, voll von gebrüllten Segenssprüchen und ekstatischen Behauptungen, von fuchtelnden Armen, schweißglänzenden Stirnen und glasig starrenden Augen, von verzückten Berichten über Kontakte mit den galaktischen Übermenschen. Der Film endete mit einer Rhapsodie dröhnender Orgelakkorde, die das Gebäude zum Erzittern brachten. Als die Lichter angingen, saßen die vier anderen Frauen bewegungslos und wie betäubt, als sei ihnen eine überwältigende Offenbarung widerfahren.
Kathryn ging schnell hinaus, lief die Treppe hinunter und schlüpfte durch den Vorraum ins Freie, bevor jemand sie sehen konnte. Sie erkannte, daß sie mit diesem Besuch ihre Zeit vergeudet hatte. Alles, was sie über den Kontaktkult gehört hatte, war Wahrheit: Es war nichts als eine Masche zum Geldverdienen, ein Versuch, einfältige und leichtgläubige Gemüter auszubeuten. Frederic Storm war ein Großbetrüger, und seine Anhänger waren entweder verdreht oder fanatisch und borniert, wie die meisten intelligenten Menschen schon immer gesagt hatten. Kathryn fand es auf eine bittere Weise amüsant, daß Vorneen im Garten einer Skeptikerin gelandet war. Was wäre geschehen, wenn er einem wahren Gläubigen vor die Haustür gefallen wäre?
Sie lachte darüber. Sicherlich wäre Storm über Nacht erledigt, wenn einer seiner Anhänger mit einem authentischen Galaktiker im Schlepptau zur Abendfeier erschiene! Es wäre, wie wenn jemand Jesus zum Hochamt mitbrächte; eine unangenehme Lage für die kirchlichen Autoritäten.
Zu dumm, daß die Fahrt nutzlos gewesen war. In ihrer hoffnungslosen Naivität hatte sie beim Kontaktkult vernünftige Beratung zu finden erwartet. Statt dessen hatte man sie um ein paar Dollar erleichtert und einen verkaufsfördernden Hokuspokus aufgezogen, wie er dem Gehirn eines Strategen für Zigaretten- oder Waschmittelwerbung hätte entspringen können. Soviel für die Vereinigung für die Bruderschaft der Welten, dachte sie, als sie ihren Wagen in den dichter gewordenen Nachmittagsverkehr einfädelte. Der Kontaktkult hatte nichts zu bieten. Sie war auf sich selbst angewiesen.
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