„Habt ihr ihn gefangen…?“ fragte der Ingenieur. „Eigentlich hat er uns gefangen. Das heißt, er ließ sich freiwillig mitnehmen. Aber das ist eine lange Geschichte.
Kompliziert, obwohl wir leider nichts davon begreifen.“
„Bei uns ist es genauso!“ sagte der Kybernetiker. „Sie kamen etwa eine Stunde, nachdem ihr abgefahren wart. Ich dachte schon, das wäre das Ende“, gestand er leise. „Habt ihr keinen Hunger?“ fragte der Ingenieur. „Mir scheint, wir haben das völlig vergessen, Doktor!“ rief der Koordinator.
„Bitte kommt!“
„Eine Beratung?“ Der Doktor gesellte sich zu ihnen, behielt aber den Doppelt weiter im Auge, der unvermittelt mit einer seltsam beschwingten Bewegung aus dem Wagen sprang und langsam zu den Männern schlurfte. Kaum hatte er die Grenze des Lichtkreises erreicht, wich er zurück und blieb stehen. Sie schauten ihn stumm an. Das große Geschöpf sackte zusammen und lagerte sich auf dem Boden. Eine Sekunde lang sahen sie seinen Kopf, dann schlössen sich die Muskeln und ließen nur einen Spalt frei. Im Licht der Scheinwerfer konnten sie feststellen, dass sein blaues Auge auf ihnen ruhte.
„Sie sind also hiergewesen?“ Der Doktor war in diesem Augenblick der einzige, der den Doppelt nicht anstarrte. „Ja. Sie sind gekommen. Fünfundzwanzig wirbelnde Scheiben, die gleichen wie die eine, die wir erobert hatten. Dazu vier größere Maschinen, keine senkrechten Scheiben, sondern eher durchsichtige Brummkreisel.“
„Wir sind ihnen begegnet!“ rief der Chemiker. „Wann? Wo?“
„Ungefähr vor einer Stunde, auf der Rückfahrt! Fast wären wir mit ihnen zusammengestoßen. Was haben sie hier gemacht?“
„Nicht viel“, begann der Ingenieur. „Sie kamen in einer Reihe an, woher, wissen wir nicht, denn als wir nach oben stiegen — der Zufall wollte es, dass wir uns alle in der Rakete befanden, buchstäblich nur fünf Minuten — , da trafen sie schon nacheinander ein und umkreisten die Rakete. Näher heran kamen sie nicht. Wir glaubten schon, es sei ein Spähtrupp, eine Patrouille. Wir stellten also den Werfer unter die Rakete und warteten. Aber sie umkreisten uns nur, immer in der gleichen Richtung und der gleichen Entfernung. Das dauerte wohl anderthalb Stunden. Dann erschienen die größeren, die Brummkreisel, jeder dreißig Meter hoch! Wahre Kolosse! Aber viel langsamer. Offenbar können sie nur in den Furchen fahren, die von den anderen gezogen werden. Die wirbelnden Scheiben machten ihnen in ihrem Kreis Platz, so dass immer abwechselnd eine größere Maschine auf eine kleinere folgte. Sie umkreisten uns weiter, mal schneller, mal langsamer, einmal wären beinahe zwei zusammengestoßen. Sie berührten sich eigentlich nur mit den Rändern. Es gab ein gewaltiges Krachen, aber es geschah ihnen nichts, sie wirbelten weiter.“
„Und ihr?“
„Wir? Wir schwitzten am Werfer. Angenehm war das nicht.“
„Das glaube ich“, sagte der Doktor feierlich. „Und was weiter?“
„Weiter? Anfangs dachte ich, sie würden uns jeden Augenblick angreifen, dann, dass sie uns nur unter Beobachtung hielten. Aber ihre strenge Ordnung versetzte mich in Erstaunen, ebenso der Umstand, dass sie keinen Augenblick anhielten, dabei wissen wir doch, dass so eine Scheibe auf der Stelle wirbeln kann. Es war schon sieben Uhr durch, da schickte ich den Physiker, die Blinklampe holen. Wir sollten sie ja für euch aufhängen. Aber ihr hättet durch diese Mauer nicht durchdringen können. Erst da kam ich auf den Gedanken, dass das eine Blockade sein könnte. Nun, dachte ich, auf jeden Fall muss man erst nach Verständigung trachten, solange das möglich ist. Wir hockten nach wie vor am Werfer und fingen an, mit der Laterne Zeichen zu geben,serienweise, zuerst zwei Blitze, dann drei, dann vier.“
„Nach Pythagoras?“ fragte der Doktor. Der Ingenieur versuchte im Schein der Lampe vergebens zu erkennen, ob der Doktor ihn verspotten wollte oder nicht. „Nein“, sagte er schließlich, „ganz gewöhnliche Zahlenserien.“
„Und was haben sie getan?“ Der Chemiker blickte ihn gespannt an. „Wie soll ich dir das beschreiben… Eigentlich nichts.“
„Was heißt ›eigentlich‹? Und ›uneigentlich‹?“
„Das heißt, sie haben verschiedenes getan, die ganze Zeit, bevor wir mit dem Blinken anfingen, währenddessen und hinterher, aber sie haben nichts getan, was wie der Versuch einer Antwort oder einer Kontaktaufnahme ausgesehen hätte.“
„Was haben sie denn getan?“
„Sie kreisten entweder schneller oder langsamer, näherten sich einander und entfernten sich wieder.
In den Gondeln bewegte sich irgend etwas.“
„Haben die großen Brummkreisel auch Gondeln?“
„Du sagtest doch, ihr hättet sie gesehen?“
„Es war dunkel, als wir ihnen begegneten.“
„Sie haben keine Gondeln. Mittendrin ist überhaupt nichts. Sie sind einfach leer. Dafür läuft, besser, schwimmt an der Peripherie ein großer Behälter, außen gewölbt, innen eingebuchtet, und der kann verschiedene Stellungen einnehmen. An den Seiten hat er eine Reihe Hörner, kegelartige Verdickungen. Völlig sinnlos, natürlich von mir aus gesehen. Also was sagte ich, ach ja, diese Brummkreisel verließen manchmal den Kreis und wechselten mit den kleineren Scheiben die Plätze.“
„Wie oft?“
„Das war verschieden. Jedenfalls konnten wir daraus keine Zahlenregel ableiten. Ich sage euch, ich habe alles registriert, was irgendeinen Zusammenhang mit ihren Bewegungen haben konnte, denn ich erwartete ja Antwort. Sie vollführten sogar einen komplizierten Wechsel. Zum Beispiel wurden in der zweiten Stunde die großen so langsam, dass sie fast stillstanden. Vor jedem Brummkreisel war eine kleinere Scheibe, die allmählich auf uns zukam. Aber sie bewegte sich vielleicht nur fünfzehn Meter in dieser Richtung, gefolgt von dem großen Brummkreisel, dann begannen sie wieder Kreise zu ziehen. Inzwischen waren es schon zwei, ein innerer, in dem vier große und vier kleinere kreisten, und ein äußerer mit dem Rest der flachen Scheiben. Ich hatte schon vor, etwas zu unternehmen, um euch die Rückkehr zu ermöglichen, doch da bildeten sie plötzlich eine lange Reihe und zogen ab, anfangs in einer Spirale, dann geradeaus nach Süden.“
„Um welche Zeit mag das gewesen sein?“
„Einige Minuten nach elf.“
„Das bedeutet, dass wir anderen begegnet sein müssen“, sagte der Chemiker zum Koordinator.
„Nicht unbedingt. Sie können ja irgendwo gehalten haben.“
„Jetzt erzählt ihr“, sagte der Physiker.
„Mag der Doktor berichten.“ Der Koordinator nickte ihm zu. „Gut. Also…“ Der Doktor schilderte in kurzen Zügen den Verlauf der Expedition und fuhr dann fort: „Beachtet bitte, dass alles, was hier geschieht, uns teilweise an verschiedene Dinge erinnert, die uns von der Erde bekannt sind, aber nur teilweise. Es fehlen immer ein paar Steinchen in dem Mosaik. Das ist sehr bezeichnend. Ihre Fahrzeuge sind hier in Schlachtordnung erschienen. Vielleicht war das ihr Spähtrupp, vielleicht die Spitze einer Armee, vielleicht auch der Beginn einer Blockade. Sozusagen von allem etwas, aber am Ende ist nichts daraus geworden, und wir wissen nicht weiter. Diese Lehmgruben, natürlich, sie waren gräßlich. Aber was haben sie eigentlich zu bedeuten? Sind es Gräber? Es sah so aus. Dann die Siedlung oder wie man sie bezeichnen soll. Völlig unwahrscheinlich! Ein Alptraum. Und die Skelette? Ein Museum? Ein Schlachthaus? Eine Kapelle? Eine Fabrik biologischer Exponate? Ein Gefängnis? Alles möglich, selbst ein Konzentrationslager! Aber wir trafen dort niemanden an, der uns angehalten hätte oder Kontakt mit uns knüpfen wollte! Das ist das Unbegreiflichste, jedenfalls für mich. Die Zivilisation ist auf diesem Planeten zweifellos hoch. Die Architektur ist technisch sehr entwickelt. Der Bau solcher Kuppeln, wie wir sie gesehen haben, wirft schwierige Probleme auf. Und daneben die steinerne Siedlung, die an eine mittelalterliche Stadt erinnert. Eine erstaunliche Mischung von Zivilisationsstufen! Dabei müssen sie über ausgezeichnete Kommunikationen verfügen, wenn siedie Lichter in ihrer alten Stadt buchstäblich eine Minute nach unserer Ankunft löschen können. Wir sind sehr schnell gefahren und unterwegs niemandem begegnet… Zweifellos sind sie mit Intelligenz begabt, aber die Menge, die uns überfallen hat, verhielt sich in ihrer Panik wie eine Herde Schafe.
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