„Aber ich kam ja da noch gar nicht darauf! Ich nahm einen Becher und kehrte zum Lager zurück.
Dass die Schuhsohlen klebrig waren, fühlte ich, aber ich beachtete es nicht. Ich trank das Wasser, und als ich zurückging, fiel mir ein, mal in der Bibliothek nachzusehen. Warum, weiß ich selbst nicht.
Etwas unruhig war ich ja, aber daran habe ich nicht im geringsten gedacht. Ich mach die Tür auf, leuchte hinein, und da ist es sauber. Keine Spur von Sand! Ich hatte den Sand doch selbst hineingeschüttet, deshalb stieß mir das gleich auf, und auch, dass welcher im Steuerraum gewesen ist!“
„Und was weiter?“ fragte der Koordinator.
„Nichts, dann lief ich her.“
„Er ist vielleicht noch da, im Navigationsraum oder in dem anderen Lager“, sagte der Kybernetiker leise. „Glaub ich nicht“, murmelte der Koordinator. Die Taschenlampe, die der Doktor nach unten hielt, erhellte ein Stück Boden. Sie standen um den Physiker herum, der noch immer heftig atmete.
„Ob wir hingehen?“ überlegte der Chemiker laut, aber es war zu sehen, dass es ihn nicht sonderlich danach drängte. „Zeig doch noch mal deine Schuhe“, bat der Koordinator. Er betrachtete aufmerksam die eingetrocknete glänzende Schicht, die an dem Leder klebte. Fast wäre er mit dem Kopf des Doktors zusammengestoßen, als sich der ebenfalls bückte. „Wir müssen etwas unternehmen“, sagte der Kybernetiker verzweifelt.
„Es ist ja nichts geschehen. Irgendein Vertreter der lokalen Fauna ist in das Raumschiff gekrochen und dann verschwunden, nachdem er nichts gefunden hat, was für ihn von Belang sein könnte“, entschied der Koordinator. „Wohl ein Regenwurm, was? Ungefähr so groß wie ein Hai oder wie zwei Haie“, spottete der Kybernetiker. „Was ist mit dem Sand geschehen?“
„Das ist tatsächlich sonderbar. Vielleicht…“ Ohne den Satz zu beenden, begann der Doktor die nächste Umgebung abzusuchen. Sie konnten seinen Schatten im Schein der Taschenlampe verfolgen. Der Lichtstrahl beleuchtete den Boden oder huschte blaß in die Finsternis. „He!“ rief er plötzlich. „He, kommt mal her! Ich hab's.“
Sie rannten zu ihm hin. Er stand vor einem mehrere Meter langen Erdwall, der hier und da von Fetzenglänzender dünner Haut bedeckt war. „Scheint tatsächlich irgendein Regenwurm zu sein“, stammelte der Physiker. „Demnach müssen wir also doch in der Rakete übernachten“ entschied der Koordinator plötzlich. „Zuerst durchsuchen wir sie, um Gewißheit zu haben, dann schließen wir die Klappe.“
„Mann, das wird die ganze Nacht dauern“, stöhnte der Chemiker. „Wir haben noch kein einziges Mal in alle Räume geschaut.“
„Es muss sein!“ Sie überließen das aufgeblasene Zelt seinem Schicksal und tauchten in den Tunnel.
Lange suchten sie im Schiff umher, leuchteten in alle Winkel und Ecken. Der Physiker glaubte zu bemerken, dass im Steuerraum die Bruchstücke der Schalttafeln umgestapelt seien, aber keiner wusste das mit Sicherheit zu sagen. Dann zweifelte wieder der Ingenieur, ob er das Werkzeug, das er zur Anfertigung der Hacken gebraucht hatte, in der Ordnung liegengelassen habe, in der es sich nun befand.
„Das ist nicht so wichtig“, sagte der Doktor ungeduldig. „Spielen wir doch jetzt nicht die Detektive, es ist gleich zwei.“ Erst um drei legten sie sich zum Schlafen auf die Matratzen, die sie aus den Kojen geholt hatten, und das auch nur, weil der Ingenieur beschloss, in den beiden Etagen des Maschinenraums nicht nachzusehen, sondern die Tür im stählernen Schott, die dorthin führte, von innen abzuriegeln. Die Luft in dem abgeschlossenen Raum kam ihnen stickig vor. Ein unangenehmer Geruch hielt sich darin. Sie fielen um vor Erschöpfung, und kaum hatten sie die Kombinationen und die Schuhe abgelegt und das Licht gelöscht, sanken sie auch schon in einen schweren, unruhigen Schlaf.
Der Doktor schrak in völliger Dunkelheit auf und war gleich hellwach. Er hielt die Uhr vor die Augen. Eine Weile konnte er nicht erkennen, wie spät es war. Die Zeit wollte nicht zu der herrschenden Dunkelheit passen. Er hatte vergessen, dass er sich in der Rakete unter der Erde befand.
Schließlich entzifferte er auf dem Kranz der grünen Fünkchen, dass es schon acht war. Er wunderte sich, dass er nur so kurz geschlafen hatte, und wollte sich schon auf die andere Seite legen, da stutzte er. Im Raumschiff ging etwas vor. Er konnte das eher spüren als hören. Der Fußboden war von einem leichten Zittern erfaßt. Weit weg klirrte etwas kaum hörbar. Sofort setzte er sich auf. Sein Herz schlug wild. Es ist wieder da! Er dachte an das Geschöpf, dessen Schleimspuren der Physiker entdeckt hatte. Es versucht, die Eingangsklappe einzudrücken, war sein nächster Gedanke. Die Rakete erbebte plötzlich, als wollte eine gewaltige Kraft sie noch tiefer in die Erde stoßen. Einer der unruhig Liegenden stöhnte im Schlaf auf. Der Doktor hatte einen Augenblick lang das Gefühl, als ob sich seine Haare in glühende Drähtchen verwandelten. Das Raumschiff wog sechzehntausend Tonnen! Der Fußboden bebte. Es war ein ungleichmäßiger, reißender Schauer. Plötzlich begriff er: Das war eines der Antriebsaggregate! Jemand versuchte es in Gang zusetzen!!
„Auf!“ schrie er und suchte im Dunkeln nach der Taschenlampe. Die Männer fuhren hoch, rempelten einander in der ägyptischen Finsternis an, schrien laut durcheinander. Endlich hatte der Doktor die Taschenlampe gefunden und knipste sie an. Mit wenigen Worten erläuterte er, was los war.
Schlaftrunken lauschte der Ingenieur den fernen Geräuschen. Erschütterungen schüttelten den Rumpf, lautes Heulen erfüllte die Luft. „Die Kompressoren der linken Düsen!“ zischte der Ingenieur. Der Koordinator knöpfte wortlos seine Kombination zu. Die anderen zogen sich ebenfalls schnell an. Der Ingenieur rannte so, wie er war, in Hemd und Turnhose, in den Gang. Im Laufen riss er dem Doktor die Taschenlampe aus der Hand. „Was hat du vor?“ Sie rannten hinter ihm her zum Navigationsraum.
Der Fußboden unter ihnen dröhnte und bebte immer stärker. „Er kann die Schaufeln abbrechen!“ stöhnte der Ingenieur und stürzte in den Navigationsraum, den der Eindringling gesäubert hatte. Er sprang zu den Hauptklemmen, warf den Hebel herum. Ein Licht flammte in der Ecke auf. Der Ingenieur und der Koordinator zerrten einen Elektrowerfer aus dem Wandverschlag, befreiten ihn von dem Futteral und schlössen ihn mit größter Eile an die Ladeklemmen an. Die Kontrolluhr warzerschlagen, aber das längliche Röhrchen am Lauf leuchtete blau auf: Ladestrom war vorhanden!
Der Fußboden bebte. Alles, was nicht befestigt war, hüpfte. In den Regalen rasselte das Metallwerkzeug, ein gläserner Gegenstand fiel herunter und zersprang. Die Reste des Plastikumbaus dröhnten mit lauter Resonanz, dann brach Stille herein, gleichzeitig erlosch das einzige Licht. Der Doktor schaltete sofort die Taschenlampe ein.
„Ist er geladen?“ fragte der Physiker. „Höchstens für zwei Serien, aber auch das ist gut“, schrie der Ingenieur zurück, wobei er die Klemmen mehr abriß als herauszog. Er packte den Elektrowerfer, hielt ihn mit dem Aluminiumrohr nach unten, legte die Hand an den Griff und ging den Korridor entlang in Richtung Maschinenraum. Sie waren bereits auf halbem Weg, neben der Bibliothek, als ein lang anhaltendes höllisches Knirschen ertönte. Zwei oder drei krampfartige Zuckungen erschütterten das Raumschiff, im Maschinenraum stürzte etwas mit entsetzlichem Krachen um, und wieder trat Totenstille ein. Der Ingenieur und der Koordinator schritten Schulter an Schulter zur gepanzerten Tür.
Der Koordinator schob den Deckel vom Guckloch zurück und blickte hinein. „Die Taschenlampe her“, zischte er.
Der Doktor gab sie ihm. Durch die schmale, verglaste Öffnung ins Innere zu leuchten und gleichzeitig etwas zu sehen fiel nicht leicht. Der Ingenieur öffnete das zweite Visier, legte die Augen daran, atmete aus und hielt die Luft an. „Da liegt er“, sagte er nach einer Weile. „Wer? Was?“
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