Er verwandelte sich in einen riesigen Löffel. Ein großer Rüssel streckte sich ihm entgegen und wurde aufgerissen, ein heißer, bitterer Gestank strömte heraus. Der gähnende Rachen saugte mit entsetzlichem Schmatzen alle Gegenstände ein und schloss sich, als verschlinge er sie. Auf einmal leuchtete dieses rüsselartige Ungeheuer innen auf. Der Doktor konnte den feurigen Glutkern sehen, der die Gegenstände auflöste. Sie zerflossen und bildeten einen gleichmäßigen, orangefarbenen, brennenden Brei. Der Glanz wurde schwächer und der rüsselartige Rachen dunkler. Der Doktor vergaß seine Gefährten vollends und ging an zwei großen, hochragenden Säulen entlang, in deren Innerem jetzt die feurigen Massekerne wie in einer gewaltigen Speiseröhre schwammen. Er starrte in das Labyrinth und versuchte, hin und wieder die tränenden Augen wischend, den Weg des glühenden Breis zu verfolgen. Bisweilen verlor er ihn aus den Augen, dann kam er ihm von neuem auf die Spur, denn wieder leuchtete der Brei in schmalen, sich schlangelnden schwarzen Bächen. Als der Doktor an einer Stelle anlangte, die ihm bekannt vorkam, sah er die glühenden Körper, schon teilweise geformt, in einen Schlund fliegen und nebenher andere herausspringen, als würden sie aus dem offenen Brunnen in die Höhe geschossen. Dicke schwarze Röhren, dick wie Elefantenrüssel, baumelten in einer Reihe von oben herab und verschlangen sie. Als rosa Spalier schössen sie im Inneren dieser Röhren, immer kleiner werdend, in die Höhe. Den Kopf im Nacken, schritt der Doktor weiter und vergaß alles um sich her. Die glühenden Körper überholten ihn, aber das war für ihn unwichtig, denn unausgesetzt folgten ihnen andere. Auf einmal wäre er beinahe gestürzt, er stieß einen unterdrückten Schrei aus: Er stand wieder auf dem freien Platz. Vor ihm erhob sich der kuppelartige Wall der Spirale. Von oben stürzte ein Schwall der während der langen Wanderung vollends erkalteten schwarzen Gegenstände in ihren Schlund. Der Doktor ging um die Spirale herum, denn er wusste bereits, auf welcher Seite die Geburt zu erwarten war, und da befand er sich wieder neben den anderen, die den Ingenieur umstanden. Der Ingenieur untersuchte noch immer den schwarzen Gegenstand, während die bestehende große Blase abermals die „Fertigproduktion“ in den neu geformten Trog spie. „Hallo! Ihr braucht euch nicht zu bemühen! Ich weiß bereits alles! Und ich werde es euch gleich erklären!“ rief der Doktor.
„Wo hast du gesteckt? Ich hab mir schon Sorgen gemacht.“ Der Koordinator hatte sich zu ihm umgewandt. „Hast du wirklich etwas entdeckt? Der Ingenieur weiß nämlich nichts.“
„Wenn es bloß nichts wäre, dann wäre das nicht so schlimm!“ knurrte der, stieß wütend mit dem Fuß gegen dasschwarze Objekt und bedachte den Doktor mit einem ärgerlichen Blick. “Nun, und was hast du entdeckt?“
„Die Sache sieht folgendermaßen aus“, begann der Doktor mit einem seltsamen Lächeln. „Das da wird dort eingesaugt“, er deutete auf den Rachen des Rüssels, der sich gerade öffnete. „So, jetzt erhitzt er sich innen, seht ihr? Sie schmelzen jetzt alle, werden durchgemischt, fahren in Portionen nach oben, und dort beginnt ihre Bearbeitung. Wenn sie noch kirschrot vor Hitze sind, fliegen sie nach unten, unter den Boden, da muss noch eine Etage sein. Wieder geschieht mit ihnen etwas, dann kehren sie durch diesen Brunnen zwar blaß, aber noch leuchtend zurück, machen einen Ausflug bis unters Dach, stürzen in diese Form“ — er zeigte die Spirale — „und dann in das ›Lager für Fertigprodukte^ Von hier fahren sie zurück in den Rüssel, schmelzen, und so endlos im Kreis. Sie werden geformt, nehmen Gestalt an, schmelzen, formen sich von neuem…“
„Bist du wahnsinnig“, flüsterte der Ingenieur, dicke Schweißtropfen auf der Stirn. „Du glaubst es nicht? Prüf es selber nach.“ Der Ingenieur prüfte nach, zweimal. Das dauerte eine gute Stunde. Als sie sich wieder am Trog einfanden, den gerade eine neue Portion des „Endprodukts“ ausfüllte, brach die Dämmerung herein, in der Halle wurde es fahlgrau.
Der Ingenieur schien wie von Sinnen. Er schüttelte sich vor Wut. Krampfhafte Zuckungen liefen über sein Gesicht. Die anderen, die kaum weniger verblüfft waren, hatte die Entdeckung nicht so sehr ergriffen. „Wir müssen hier raus, es kann im Dunkeln Schwierigkeiten geben.“ Der Koordinator packte den Ingenieur am Arm. Der ließ sich willenlos ziehen, dann riss er sich los, stürzte sich auf den schwarzen Gegenstand, den sie liegengelassen hatten, und hob ihn mit Mühe hoch.
„Willst du das mitnehmen?“ fragte der Koordinator. „Gut, helft ihm.“
Der Physiker packte den unförmigen Gegenstand an den ohrenförmigen Vorsprüngen und schleppte ihn zusammen mit dem Ingenieur bis an die wellige Grenze der Halle. Der Doktor trat gelassen gegen die sirupartig glänzende Wand des „Wasserfalls“ und stand draußen auf der Ebene im kühlenden Hauch des Abends. Genießerisch sog er die Luft tief in die Lungen. Die anderen waren ihm gefolgt.
Der Ingenieur und der Physiker trugen die Last an die Stelle, wo sie die Rucksäcke zurückgelassen hatten, und warfen sie dort auf den Boden.
Sie zündeten den Kocher an, wärmten etwas Wasser, lösten das Fleischkonzentrat darin auf und machten sich hungrig ans Essen. Sie aßen schweigend. Es war unterdessen völlig dunkel geworden, die Sterne traten hervor. Ihr Schein wurde mit jedem Augenblick stärker, kompakter. Das verschwommene Gestrüpp der fernen Schonung verschmolz mit der Dunkelheit. Nur die bläuliche Flamme des Brenners, von einem sanften Hauch bewegt, warf etwas Licht. Die hohe Wand der Halle in ihrem Rücken, versunken in der Nacht, gab nicht den leisesten Laut von sich. Man sah nicht einmal, ob die Wellen darüber schwammen.
„Die Finsternis bricht hier genauso rasch herein wie bei uns in den Tropen“, sagte der Chemiker.
„Wir sind doch in der Äquatorzone niedergegangen, nicht wahr?“
„Ich glaube“, erwiderte der Koordinator. „Aber ich kenne nicht einmal den Neigungswinkel des Planeten zur Ekliptik.“
„Wieso? Das muss doch bekannt sein.“
„Natürlich, die Daten sind auf dem Schiff.“
Sie verstummten. Die nächtliche Kälte machte sich bemerkbar. Sie hüllten sich in die Decken ein, unterdessen ging der Physiker daran, das Zelt aufzustellen. Er pumpte die Plane auf, bis sie steifdastand, einer abgeflachten Halbkugel gleichend, mit einem kleinen Eingang dicht über dem Boden.
Dann suchte er in der Nähe Steine, um die Ränder des Zeltes zu beschweren, damit es der Wind nicht fortriß. Sie hatten Pflöcke, jedoch nichts, womit man sie in die Erde schlagen konnte. Er fand nur kleinere Steinchen und kehrte mit leeren Händen an das bläuliche Feuer zurück. Plötzlich fiel sein Blick auf den schwarzen Gegenstand, den sie aus der Halle mitgebracht hatten. Er hob ihn auf und legte ihn auf den Zeltrand.
„Wenigstens zu etwas ist das Ding nütze“, bemerkte der Doktor, der ihm zusah. Der Ingenieur saß geduckt da, den Kopf in den Händen, ein Bild völliger Niedergeschlagenheit. Er sagte nichts, auch um seinen Teller bat er nur mit einem unartikulierten Knurren. „Was nun, liebe Leute?“ fragte er plötzlich und richtete sich auf. „Natürlich wird geschlafen“, antwortete der Doktor ruhig, zog pietätvoll eine Zigarette aus einer Packung, steckte sie an und tat genießerisch einen Zug.
„Und was morgen?“ Man sah dem Ingenieur an, dass seine Ruhe nur vorgetäuscht, dass er bis zum äußersten gespannt war. „Henrik, du führst dich auf wie ein Kind“, sagte der Koordinator, der gerade dabei war, den Topf mit schlammiger Erde zu säubern. „Morgen untersuchen wir die nächste Sektion der Halle. Heute haben wir uns nach meinen Schätzungen rund vierhundert Meter angesehen.“
„Und du glaubst, dass wir etwas anderes finden?“
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